Rund 13'500 Zuschauer haben das Spektakel der Red Bull Cliff Diving World Series am Wochenende besucht. 24 Klippenspringer aus aller Welt beweisen ihr akrobatisches Können und stürzten sich mit tollkühnen Sprüngen in den Urnersee.
Körperspannung, Kühnheit und Koordination sowie Nerven, die so dick sind wie Stahlseile. Das sind Eigenschaften, die am Wochenende in Sisikon bei den Red Bull Cliff Diving World Series besonders gefragt waren. 27 Meter die zerklüftete Felswand hinauf sehen selbst von unten atemberaubend aus – kaum vorstellbar, wie das ist, vom Rand der Absprungplattform mit beinahe 90 Kilometern in der Stunde in den Urnersee zu stürzen. Um dieses Spektakel mitzuverfolgen, haben Zuschauer aus aller Welt den Weg nach Sisikon gefunden. 5300 waren es am Samstag, 8200 am Sonntag. So wurde die sonst beschauliche 370-Seelen-Gemeinde während zweier Tage zu einem Mekka des Extremsports.
«Wir haben vom Event erfahren und sind darum mit dem Motorrad extra hierher gereist», sagt Ole Borseth. Der 27-jährige Norweger befindet sich auf einer Reise quer durch Europa und ist mit einem Freund nach Sisikon gereist. «Für diese Kulisse hier in Uri finde ich kaum Worte», so Borseth. «Es ist schlicht paradiesisch hier.»
In der Zwischenzeit macht sich auf der Absprungplattform ein Athlet zum Sprung bereit. Gerade noch so zu erkennen, nähert sich der Klippenspringer mit grossen Schritten dem Abgrund. Als wäre ein normaler Absprung nicht schon genug Spektakel, richtet er sich an der äussersten Kante in den Handstand und setzt zum Sprung an. Einige Rotationen mit Schrauben und Salti, den Körper stets angespannt, durchbohrt der Luftakrobat schliesslich mit den Füssen vor an die Wasseroberfläche.
In der Luft hat der Klippenspringer bloss drei Sekunden Zeit, um die fünf Jurymitglieder zu überzeugen. Anke Piper ist eine davon. Die dreifache Europameisterin im 10-Meter-Turmspringen beobachtet mit scharfem Blick die Bewegungen in der Luft. «Ein sehr anspruchsvoller Sprung bedeutet dabei nicht gleich eine höhere Punktzahl», erklärt die deutsche Jurorin. «Gut ausgeführt muss er natürlich ebenfalls sein.» Und das bedeutet höchste Körperspannung und ein möglichst spritzerfreies Eintauchen.
Für weitaus mehr Spritzer sorgen die Zuschauer in den Logenplätzen. Luftmatratzen, Gummiboote oder gar ganze Badeinseln reihen sich dicht aneinander, um den Helden der Lüfte zuzusehen. Wer sich von der brütenden Sommerhitze abkühlen will, macht das mit einem Sprung ins Wasser. «Wir haben uns mit ein paar Freunden für das Cliff-Diving extra Badeinseln gekauft», sagt Fabio Ziegler aus Altdorf. «Jetzt haben wir uns je zu zehnt auf drei Inseln eingenistet und geniessen bei kaltem Bier die tolle Show – inklusive Urner Flaggen.»
Von der Atmosphäre begeistert ist auch Matthias Appenzeller. Er ist der einzige Schweizer Cliff-Diver unter den 24 internationalen Athleten. «Die Stimmung hier ist einfach geil», schwärmt der 24-jährige Rupperswiler. «Ich könnte mir kein besseres Publikum vorstellen.» Mit seinen Sprüngen ist er zufrieden. «Ich bin nicht mit dem Hauptziel eines Podestplatzes hierher gekommen», sagt der Jus-Student. «Vor allem wollte ich den Zuschauern eine tolle Show bieten und mir beweisen, dass ich mich für den Wettkampf gut vorbereitet habe.» Appenzeller, der dank einer Wildcard in Sisikon teilnehmen durfte, schafft es auf den zehnten Platz.
Bei den Männern siegt schliesslich der Brite Gary Hunt, der bereits 2010 in Sisikon den ersten Platz belegte. Bei den Frauen, die in der Schweiz zum allerersten Mal gegeneinander antraten, kann die Kanadierin Lysanne Richard die Jury mit ihren vier Sprüngen am meisten überzeugen.
Für die Organisatoren war der Anlass ein voller Erfolg. OK-Präsident Adrian Scheiber ist überwältigt: «Fantastisch, eindrücklich, grandios.» Man habe gewusst, dass es viel Publikum und schönes Wetter geben wird, aber mit dieser Kulisse hätte er nicht gerechnet. «Was dieses kleine Dorf geleistet hat, ist grossartig.» Laut dem OK-Präsidenten sei der Event ohne Zwischenfälle über die Bühne gegangen. «Nach den Anstrengungen in den vergangenen Tagen herrscht eine gelöste Stimmung. Wir dürfen stolz sein.»
Auch der Gemeindepräsident von Sisikon, Timotheus Abegg, ist glücklich: «Wir durften zwei wunderbare Tage erleben. Dieser Event wird vielen Menschen noch lange in Erinnerung bleiben.» Und wie stehen die Chancen, dass Sisikon zukünftig wieder in den Genuss einer Austragung kommt? «Wir bleiben mit Red Bull weiterhin in Kontakt und lassen uns überraschen», sagt Abegg.