SOMMERSERIE: Luzerner Künstler Sipho Mabona: Am Anfang war das Papierflugzeug

Sipho Mabona (37) ist ein Pionier: Mit seinem Schaffen hat der arrivierte Künstler aus Luzern die traditionelle japanische Kunst des Papierfaltens in neue Bahnen gelenkt. Zum Origami kam Mabona über sein Steckenpferd: das Falten von Papierfliegern.

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Bär und Tiger: Origamikünstler Sipho Mabona im Atelier in der Altstadt Luzerns mit zweien seiner Frühwerke. (Bild: Roger Grütter (9. August 2017))

Bär und Tiger: Origamikünstler Sipho Mabona im Atelier in der Altstadt Luzerns mit zweien seiner Frühwerke. (Bild: Roger Grütter (9. August 2017))

Tiziana Bonetti
kultur@luzernerzeitung.ch

Mit dem frühen Œuvre von Künstlern ist es so eine Sache: Auch wenn das Erstlingswerk ein Fundament bildet, von dem aus die weitere Beschäftigung eines Künstlers ihren Ausgang nimmt, ist es oftmals der ungeliebte Schatten seines Schöpfers. Nicht umsonst ist etwa Gerhard Richter als Zerstörer seiner Frühwerke bekannt. Mittels Übermalen des Motivs oder durch Fernhalten vom Kunstmarkt hat er seine «Jugendsünden» systematisch aus seiner Künstlerbiografie auszumerzen versucht.

Verschmähen viele Künstler ihre erste Schaffensphase und finden erst nach und nach zur eigenen Formsprache, verhält es sich mit dem Luzerner Meister der Faltkunst anders: Als Künstler, der von der Pike auf seine Arbeiten auf Origami basieren lässt, schränken die Gesetze des Papierfaltens die Möglichkeiten seines künstlerischen Ausdrucks ein.

Rahmenbedingungen gegen die Beliebigkeit

Damit auferlegt sich Mabona spezifische Rahmenbedingungen, die letztlich der Beliebigkeit in der Formfindung entgegenwirken. Womöglich liegt in dieser Kontinuität seines Schaffens ein Grund dafür, dass er beim Anblick seiner frühen Arbeiten nicht in Zynismus verfällt, sondern darin den Grundstein seines gegenwärtigen Schaffens erkennt.

Am Anfang stand jedoch nicht die Motivation, Künstler zu werden. Sondern die Freude am Falten an sich: Bereits mit fünf Jahren entdeckte Mabona sein Faible für das Einknicken von Papierkanten. Mit feinmotorischer Finesse faltete er, damals noch nach Vorlagen anderer, Flugobjekte und testete ihre Wurfweite. Den Anstoss zur Konzipierung eigener Papierobjekte gab ihm die Einsicht, dass das rein technische Falten wenig Raum für Kreativität bietet.

Der damit verbundene Wechsel vom Nachfalten zum Entwerfen stellt für Mabona, der Origami als Handwerk betrachtet, den ersten Schritt in Richtung Kunst dar. Vor dem Hintergrund dieses Kunstverständnisses fällt das Frühwerk des Künstlers nicht bereits mit der Phase des Papierfliegerfaltens zusammen. In einem Emanzipationsprozess geht die Schöpfung eigener Origamis weiter bis zur Überschreitung ihres reinen Repräsentationszwecks.

Bruch mit der altehrwürdigen Tradition

Einen solchen Weg in Richtung Konzeptkunst und Abstraktion schlägt Mabona in der Werkserie «No Representation without Corrugation» ein. In diesen frühen Reliefarbeiten dekonstruiert der Künstler Origamifiguren, indem er das ihnen je zugrunde liegende Faltmuster in quadratische Keramikplatten giesst. Damit bricht er mit der altehrwürdigen Tradition der Faltkunst, deren Ziel es ist, ein Objekt aus einem einzigen Blatt Papier zu kreieren.

In anderen frühen Arbeiten begibt sich der Künstler auf das Terrain der Malerei. Von Relevanz ist der Griff nach dem Pinsel nicht nur seiner früher Schaffensphase; auch in der neusten Werkserie mit dem Titel «Gardens of Rivers and Circles» (2017) kommen Acryl und Texturpaste zum Einsatz.

In dieser Serie auf Baumwolle treibt Sipho Mabona das Spiel mit der Dekonstruktion auf die Spitze: Beruhend auf mathematischen Überlegungen des US-Physikers und Origamitheoretikers Robert J. Lang visualisiert er die theoretische Grundlage des Origamis in einer ihm ganz eigenen Formsprache.

Mabona ist sich jedoch bewusst, dass seine neuen konzeptuellen Arbeiten in der Öffentlichkeit auf weniger Resonanz stossen dürften als die früheren, in denen Repräsentation gegenüber dem konzeptuellen Element dominierte: Die gefalteten Kois aus dem Frühwerk sind ästhetische Eyecatcher und Meisterleistungen von Fingerfertigkeit zugleich. Ein Flusskrebs aus Papier besticht durch die Tatsache, dass ein einziges Blatt dazu ausgereicht hat, den Gliederfüsser durch die richtigen Faltschritte lebensecht zu formen. Und ein Papiertiger beeindruckt durch Wiedererkennungswert. Obwohl den abstrakteren Arbeiten Mabonas nicht weniger komplexes Handwerk und Raffinesse eignet, stehen sie damit im Schatten ihrer gefalteten Geschwister.