Neue Studie
Der Rigi-Tourismus soll nachhaltiger werden – ohne Asiaten und fossile Heizungen, dafür mit veganer Küche

Die Rigi-Petitionäre haben eine Studie in Auftrag gegeben, wie sich der Tourismus auf der «Königin der Berge» entwickeln soll. Vorgeschlagen werden 119 (!) Massnahmen – die Aussagen werfen allerdings Fragen auf.

Niels Jost
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Die Rigi soll sich stärker auf Schweizer Gäste fokussieren, schlägt eine Studie der Ostschweizer Fachhochschule vor.

Die Rigi soll sich stärker auf Schweizer Gäste fokussieren, schlägt eine Studie der Ostschweizer Fachhochschule vor.

Bild: Eveline Beerkircher (12. September 2022)

Der Tourismus auf der Rigi sorgt seit Jahren für Kritik. Vor allem asiatische Gruppengäste sind René Stettler ein Dorn im Auge. Der Kulturwissenschaftler, der auf Rigi Kaltbad wohnt, hat darum unlängst zwei Petitionen lanciert, «Nein! zu Rigi-Disney-World» und «Rigi: 800'000 sind genug!», beide mit mehreren Tausend Unterschriften.

Nun haben Stettler und gut zwei Dutzend weitere Rigi-Petitionäre bei der Ostschweizer Fachhochschule eine Studie in Auftrag gegeben. Diese soll Wege zu einem nachhaltigen, klimaverträglichen und ökologischen Tourismus auf der «Königin der Berge» skizzieren.

Als Ziel gilt Netto-null 2030+, also die möglichst schnelle Umstellung auf einen CO2-neutralen Tourismus. Obwohl der Klimawandel ein globales Problem sei, müsse jeder Bereich seinen Beitrag leisten.

Studie: Gäste aus Übersee nicht mehr willkommen

Zu den Kernaussagen der 164 Seiten gehören altbekannte Forderungen. So wird die «Volumenstrategie» allen voran der Rigi Bahnen in Frage gestellt. Pro Jahr sollen noch maximal 800'000 Personen auf den Berg kommen.

Die Anzahl Touristen aus Übersee soll sich bis 2030 auf ein Minimum reduzieren. Der Fokus soll stärker auf Gäste aus dem In- und nahen Ausland liegen. Dadurch sollen die Aufenthaltsdauer und Wertschöpfung erhöht werden. Gleichzeitig würden so die CO2-Emissionen sinken.

Flüge seien CO2-Treiber Nummer 1

Denn durch die An- und Abreise der Gäste seien im Rekordjahr 2018 rund 478'000 Tonnen CO2 ausgestossen worden, was 98 Prozent der gesamten Emissionen des Rigi-Tourismus entspreche und vor allem auf die Flüge internationaler Touristen zurückzuführen sei. Das sei mehr als der jährliche Verbrauch des Personen- und Güterverkehrs in der Stadt Zürich. Nach Corona seien die Emissionen 2021 massiv gesunken, auf 130'000 Tonnen; zu den Gesamtemissionen in diesem Jahr gibt es keine Angaben.

Wegen fehlender Daten mussten die Autorinnen und der Autor die Zahlen schätzen. Sie schreiben: «Zu diskutieren ist, welcher Anteil CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr der Gäste aus den Asien- und Überseemärkten tatsächlich dem Rigi-Tourismus angelastet werden kann.» Man habe schliesslich die Hälfte der CO2-Emissionen der Fluggäste der Rigi angerechnet. Entscheidend sei die Grössenordnung, also, dass die Flüge mit Abstand am meisten zur negativen Klimabilanz des Rigi-Tourismus beitragen.

Doch nicht nur in diesem Punkt stellen sich Fragen zur Aussagekraft der Studie. So fehlen teils direkte Quellenangaben. Unklar ist etwa, wieso eine Obergrenze von 800'000 Personen gefordert wird. Auf Anfrage sagt Autor Dominik Siegrist:

«Wir mussten eine Annahme treffen und haben uns dabei an der Petition orientiert.»

Der Professor am Institut für Landschaft und Freiraum hält fest, dass die Studie unabhängig erarbeitet worden sei. Man habe sie mit den Auftraggebern zwar vor der Publikation besprochen und «einige Stellen sprachlich korrigiert», wie das üblich sei. Doch Siegrist betont: «In meiner Rolle als Forscher bin ich nicht bereit, als Sprecher einer Petitionsgruppe aufzutreten, sondern vertrete eine unabhängige, wissenschaftlich fundierte Haltung.»

Abschaffung der GA-Gültigkeit soll geprüft werden

Die Fachleute der Ostschweizer Fachhochschule zeigen des Weiteren auf, wie das Netto-null-Ziel erreicht werden könnte. Sie schlagen nicht weniger als 119 Projekte und Massnahmen vor. Die auffälligsten sind:

  • Bis 2030 die Hälfte der Energieversorgung in Hotellerie, Gastronomie und Privathäusern CO2-neutral gestalten; später sollen fossile Energiequellen gänzlich verschwinden.
  • Initiierung eines Ökofonds, um Betriebe bei der Umstellung auf ökologische Energieversorgung zu unterstützen, finanziert durch Besucherinnen und Besucher.
  • Kleinere Seilbahnen auf der Rigi sichtbarer machen.
  • Vegetarische und vegane Gerichte als Standard in den Restaurants einführen.
  • Aufbau eines Biosphärenreservats prüfen.
  • Abschaffung des GA prüfen, mit dem man heute gratis auf den Berg fahren kann, da mit Einzelbilletten ein höherer Ertrag erzielt werden könne. Ob dem so ist, ist allerdings fraglich. So lag der Anteil GA-Fahrten 2021 bei 16,7 Prozent. Gleichzeitig machte das GA 25,3 Prozent des Erlöses aus – demnach ist das GA für die Rigi Bahnen verhältnismässig lukrativ, wie diese Grafik zeigt:

Rigi Bahnen reagieren gelassen

Beim grössten Player auf dem Berg, der Rigi Bahnen AG, nimmt man die Studie gelassen zur Kenntnis. «Sie stützt im Grundsatz unsere bisherige Strategie», sagt CEO Frédéric Füssenich. Einige der aufgezeigten Massnahmen seien bereits umgesetzt oder in Planung. Füssenich:

«Wir unternehmen schon viel für einen nachhaltigen Tourismus.»
Frédéric Füssenich.

Frédéric Füssenich.

Bild: Pius Amrein

Dies belege das Label Swisstainable von Schweiz Tourismus, bei dem man die höchste Auszeichnung erhalten habe. «Das haben nicht viele Bergbahnen», so Füssenich. Die Studie wiederum kritisiert das Label als «nicht konsequent genug», da es etwa den CO2-Ausstoss beim Flugverkehr nicht einberechne.

Die Klimaschädlichkeit von Flügen stellt Füssenich nicht in Abrede. Er bezweifelt allerdings, dass ein Verzicht auf Gäste aus Übersee die richtige Lösung ist. Der globale Klimawandel müsse vielmehr durch technologischen Fortschritt angegangen werden. Zudem betont der CEO:

«Schweizer Gäste sind und bleiben unsere Hauptzielgruppe.»

Seit Beginn der Pandemie habe man hierzulande und im nahen Ausland sogar Marktanteile gewinnen können. Gleichzeitig seien die Preise für ausländische Gruppen um 20 Prozent erhöht worden. Dies verkenne die Studie.

Diese hält Füssenich ohnehin für «nicht sehr sauber erarbeitet». Die Studie habe im Grundsatz einfach die Kritik der Petitionäre übernommen. Gleichzeitig ist sich der Geschäftsleiter bewusst: «Wir sind noch nicht am Ziel.»

Quelle: Tele 1