Schwierige Aufgabe für die neue Migros-Präsidentin Ursula Nold

Mit Ursula Nold wird im Sommer erstmals eine Frau Präsidentin des grössten privaten Arbeitgebers der Schweiz. Die Wahl verlief nicht ohne Nebengeräusche. Bei der Migros scheint der Haussegen schief zu hängen.

Livio Brandenberg
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Um 10.19 Uhr am Samstagmorgen vermeldete die Migros-Medienstelle die Wahl auf Twitter: «Habemus Präsidentin! Die Migros-Delegierten aus der ganzen Schweiz haben soeben gewählt. Herzliche Gratulation Ursula Nold.»

Ein Wahlgang hatte gereicht, dann war ein Meilenstein in der Geschichte des Migros-Genossenschaftsbunds (MGB) Tatsache: Erstmals wurde eine Frau zur Präsidentin der Verwaltung – so wird bei der Migros der Verwaltungsrat genannt – des Detailhandelsriesen gewählt.

So euphorisch und versöhnlich, wie die Migros-Meldung daherkam, verlief die Wahl von Ursula Nold (49) jedoch nicht. Das deutliche Resultat von 73 zu 27 Stimmen ist eine Schlappe für die gesamte Migros-Führung. Denn deren offizielle Kandidatin war Jeannine Pilloud, die der breiten Öffentlichkeit als SBB-Managerin bekannt sein dürfte. Sie leitete von 2011 bis 2017 den Personenverkehr, mit 13'000 Mitarbeitenden die grösste Division. Seit Anfang 2018 ist Pilloud als Delegierte für ÖV-Branchenentwicklung tätig, wird die SBB aber im ersten Halbjahr 2019 verlassen.

Die frischgewählte Migros-Präsidentin Ursula Nold stellt sich nach ihrer Wahl am Samstag in Zürich den Medien. (Bild: Melanie Duchene/Keystone)

Die frischgewählte Migros-Präsidentin Ursula Nold stellt sich nach ihrer Wahl am Samstag in Zürich den Medien. (Bild: Melanie Duchene/Keystone)

Unterstützung der Führung für Pilloud blieb aus

Eine Schlappe ist die Wahl Nolds darum, weil die «externe» Kandidatin Pilloud von allen zuständigen internen Gremien unterstützt worden war – im Gegensatz zu Nold, die seit über 20 Jahren beim Detailhändler tätig ist und die letzten zehn Jahre die Migros-Delegiertenversammlung präsidiert hat. Doch im Wahlkampf blieb die interne Unterstützung für die externe Kandidatin aus. Weder der scheidende Präsident Andrea Broggini noch Konzernchef Fabrice Zumbrunnen, der ebenfalls in der Migros-Verwaltung sitzt, äusserten sich öffentlich zu Gunsten Pillouds. Spekuliert wurde, dass es sich Zumbrunnen nicht mit einer potenziellen Präsidentin Ursula Nold verscherzen wollte.

Schon länger wurde in den Medien von einem Graben berichtet, die Migros sei tief gespalten. Auf der einen Seite die Führungsgremien und ihre Vertreter, auf der anderen Seite die kleineren regionalen Genossenschaften – die Migros besteht insgesamt aus zehn Genossenschaften –, die mehrheitlich Nold unterstützten. Und auch die Migros-Traditionalisten waren auf der Seite der Kampfkandidatin. Anzeichen, dass die offiziell nominierte Pilloud nicht gewählt werden würde, gab es in den letzten Wochen denn auch mehrere.

So schrieb beispielsweise der ehemalige Migros-Präsident Jules Kyburz im «Migros-Magazin», Migros-Gründer Gottlieb «Dutti» Duttweiler würde Ursula Nold wählen. Und die Ex-Migros-Managerin Cornelia Diethelm – bis vor kurzem Direktorin für Nachhaltigkeit beim MGB – postete im Online-Karriere-Netzwerk LinkedIn einen Artikel, in dem sie Nold als «ideale Besetzung» lobte. Weitere Vertreter des Detailhändlers schlossen sich dieser Meinung an, so etwa auch Migros-Handelschef Beat Zahnd.

Fingerspitzengefühl vermissen lassen

Wie tief der Graben in Wirklichkeit ist, wird sich in den kommenden Monaten, wenn nicht Jahren zeigen. Klar ist: Kurz nach der Wahl liegen noch Scherben auf dem Boden, sozusagen. Die Migros-Führungsriege sieht sich mit einer schmerzlichen Niederlage und dem Vorwurf konfrontiert, die Lage nicht richtig eingeschätzt und von Anfang an das gebotene Fingerspitzengefühl nicht an den Tag gelegt zu haben. Die neue Präsidentin wiederum hat nun die schwierige Aufgabe, künftig eine Verwaltung zu führen, die sie gar nicht als Präsidentin haben wollte. Jeannine Pilloud auf der anderen Seite hatte sich – zurecht – Chancen ausgerechnet und ihren in Wirtschaftskreisen guten Namen hergegeben, als sie den Hut in den Ring warf. Doch sie sei, wie ein Migros-Beobachter der «NZZ am Sonntag» sagte, «regelrecht verheizt» worden. Die Verliererin selbst gratulierte Nold nach der Wahl; sie sei überzeugt, die Delegierten hätten «eine gute Wahl getroffen» und sie bleibe der Migros «selbstverständlich verbunden».

Wie sie mit der delikaten Situation umgehen wird, kann Ursula Nold ab dem 1. Juli zeigen, wenn sie ihr Amt antreten wird. Weil ihr Vorgänger, der Tessiner Wirtschaftsanwalt Broggini, seit 2012 Präsident, vorzeitig zurücktritt, übernimmt Nold vorerst für die restliche Amtszeit bis Ende Juni des nächsten Jahres. Dann muss sie sich einer erneuten Wahl stellen.

Heutige Struktur macht die Migros schwerfällig

Sie glaube, ihr langjähriges Engagement habe den Ausschlag für ihre Wahl gegeben, sagte Nold dem «Sonntags-Blick». Obwohl sie die Kandidatin der Traditionalisten war, ist die Dozentin am Institut für Weiterbildung und Medienbildung der Pädagogischen Hochschule Bern der Meinung, dass sich die Migros transformieren müsse, wenn sie auch in Zukunft «nahe bei den Kunden» sein wolle. Sie sehe viel Potenzial in der Digitalisierung. «Wir müssen die Online- und Offlinekanäle noch viel stärker zusammenbringen.» Dabei dürften die Werte der Migros – Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Vorbildlichkeit gegenüber den Mitarbeitern – nicht vergessen werden. Vor den Medien sagte Nold am Samstag auch, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den zehn Genossenschaften stärken wolle; gerade die Dezentralität mache die Migros aber so erfolgreich.

Mit dem Erfolg tat sich die Migros in den letzten Jahren jedoch schwer. Die Struktur mit zehn weitgehend parallel wirtschaftenden regionalen Genossenschaften und dem Genossenschaftsbund als «Klammer» macht das Gesamtunternehmen schwerfällig, dies zeigt sich in den Zahlen: Die Betriebsgewinnmarge beispielsweise ging in den letzten Jahren deutlich zurück. «Wir müssen schneller, agiler und effizienter werden», sagte Nold. Wie das Geschäftsjahr 2018 ausgefallen ist, gibt die Migros am kommenden Dienstag bekannt.