Kampf gegen Abzocke mit Konzertkarten: Ticketcorner schaltet Online-Tauschbörse für Billette auf

Im Internet blüht der Handel mit völlig überteuerten, teils sogar gefälschten Konzertkarten. Nun reagiert Ticketcorner: Das Unternehmen lanciert eine Plattform für den seriösen Weiterverkauf von Billetten.

Daniel Walt
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Der Frust sitzt tief: Um Punkt 10 Uhr geht der Vorverkauf für das einzige Schweizer Konzert der deutschen Brachialrocker von Rammstein los. Prompt greifen Zehntausende Fans gleichzeitig auf die Server von Ticketcorner zu. Warteraum, nochmals einloggen, Warteschlaufe – und plötzlich die Meldung, das Konzert im Stade de Suisse in Bern sei ausverkauft. Minuten später bieten Unbekannte auf Plattformen wie Viagogo bereits ihre Tickets an – für das Doppelte oder Dreifache des ursprünglichen Preises.

Einer der gefragtesten Live-Acts überhaupt: Rammstein – im Bild Sänger Till Lindemann. (Bild: Getty)

Einer der gefragtesten Live-Acts überhaupt: Rammstein – im Bild Sänger Till Lindemann. (Bild: Getty)

Egal ob Pop oder Rock, ob Coldplay oder Rammstein: Wenn die Grössten der Musikbranche den Fans in der Schweiz ihre Aufwartung machen, blüht die Ticket-Abzocke im Internet. Sehr zum Ärger von Branchenprimus Ticketcorner. Andreas Angehrn, CEO des Unternehmens, sagt:

«Gegen den Wiederverkauf von Veranstaltungstickets an sich ist nichts einzuwenden. Jeder kann für ein Konzert einmal verhindert sein.»

Der Arboner stört sich allerdings daran, dass gewisse Online-Plattformen ein Business-Modell aus dem An- und Verkauf von Konzerttickets entwickelt haben. «Sie schnappen den richtigen Fans die Billette weg und bieten diese dann völlig überteuert an.»

Andreas Angehrn, CEO von Ticketcorner. (Bild: pd)

Andreas Angehrn, CEO von Ticketcorner. (Bild: pd)

Viel bezahlt und trotzdem ausgesperrt

Bis dato hatte sich Ticketcorner bewusst aus dem Geschäft mit dem Weiterverkauf von bereits erworbenen Eintrittskarten herausgehalten – anders beispielsweise als Mutterkonzern CTS Eventim in Deutschland. «In den letzten Jahren ist die Unsicherheit bei Veranstaltern wie Kunden aber gestiegen. Dies, weil immer mehr Portale mit zweifelhaften Methoden auf den Markt drängen», sagt Andreas Angehrn.

So kommt es beispielsweise immer wieder vor, dass Musikfans zunächst horrende Preise für Tickets ihrer Lieblingsband zahlen, schliesslich aber draussen bleiben müssen: Die sündhaft teuren Eintrittskarten stellen sich manchmal als gefälscht heraus.

Und so funktioniert es

Um in diesem Umfeld ein Zeichen der Vertrauenswürdigkeit zu setzen, reagiert Ticketcorner nun und schaltet voraussichtlich Ende April seine Online-Tauschbörse Fansale auf. Die Idee: Wer ein Ticket für eine Veranstaltung besitzt, die er nicht mehr besuchen kann oder will, loggt sich auf der von Ticketcorner betriebenen Plattform ein und gibt die Eintrittskarte direkt in seinem Kundenkonto oder anhand des aufgedruckten Barcodes – zum Verkauf frei. Ticketcorner seinerseits garantiert mit der Aufschaltung des Angebots die Echtheit des Billetts.

Wer die entsprechende Karte erstehen will, muss sich ebenfalls registrieren. Der Käufer bezahlt Ticketcorner den Preis, das Geld wird vom Unternehmen an den Verkäufer weitergeleitet. Dem Käufer wird in der Folge ein Ticket mit neuem Barcode zugestellt, der Verkäufer kann sein ungültig gewordenes Billett entsorgen. Ein direkter Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer findet nicht statt.

Echte Tickets, fair gehandelt

Dass Ticketcorner mit dem neuen Angebot Plattformen wie Viagogo nicht das Wasser abgraben kann, ist Andreas Angehrn bewusst. Zu viele Fans sind bereit, Unsummen für bereits ausverkaufte Konzerte auszulegen.

Und der Ansturm ist nicht nur bei Rammstein enorm: Für das Gastspiel von Adele im Zürcher Hallenstadion beispielsweise gingen in der ersten Minute über 100'000 Anfragen auf den Ticketcorner-Servern ein – bei anderen Konzerten waren es schon bis zu 150'000 pro Minute. Am schnellsten ausverkauft war das Konzert von AC/DC im Zürcher Letzigrund – die Plätze waren nach gerade einmal sechs Minuten weg.

Wenn Angus Young mit AC/DC in die Schweiz kommt, ist der Ansturm auf die Tickets riesig. (Bild: Keystone)

Wenn Angus Young mit AC/DC in die Schweiz kommt, ist der Ansturm auf die Tickets riesig. (Bild: Keystone)

Ein weiteres Beispiel: Trotz zweimal fast 50'000 verkaufter Eintritte für die beiden Konzerte von Ed Sheeran im Zürcher Letzigrund hätten noch weit mehr Tickets für die Schweizer Auftritte des englischen Superstars abgesetzt werden können, wie der Ticketcorner-CEO festhält.

Andreas Angehrn sagt weiter:

«Unser Ziel ist es, Fansale als vertrauenswürdige Plattform für echte, fair gehandelte Tickets zu positionieren.»

Geld will Ticketcorner damit nach Angaben Angehrns keins verdienen. Der Verkäufer bezahlt dem Unternehmen zwar eine Gebühr von zehn Prozent des Ticketpreises für die Vermittlung, und auch der Käufer muss sieben Prozent an Ticketcorner entrichten. «Das deckt aber gerade einmal unseren Aufwand für die Plattform Fansale, die Verifizierung der Tickets und den Kundenservice», sagt Andreas Angehrn.

Vorerst nur zum ursprünglichen Preis anzubieten

In einer ersten Phase können Verkäufer ihre Tickets auf Fansale ausschliesslich zum ursprünglichen Preis anbieten. Preise, die tiefer oder höher liegen, werden nicht akzeptiert.

«Wir werden schauen, wie das Ganze anläuft, und dann entscheiden, ob wir irgendwann auch gewisse Abweichungen nach oben oder unten zulassen werden», sagt Angehrn. Dies vor dem Hintergrund, dass jemand, der sein Billett weiterverkaufen wolle, auch einen gewissen Aufwand habe und durchaus dafür entschädigt werden dürfe, so Angehrn.

Livemusik bewegt die Massen – entsprechend gross ist der Ansturm auf die Tickets. (Bild: Keystone)

Livemusik bewegt die Massen – entsprechend gross ist der Ansturm auf die Tickets. (Bild: Keystone)

Auch Personalisierung löst nicht alle Probleme

Im Ausland setzen Künstler immer stärker auf die Personalisierung von Konzerttickets und entsprechende Einlasskontrollen – es kommt nur in die Halle, wer ein Billett vorweisen kann, auf dem sein Name steht. Wer sein Ticket von einer anderen Person übernommen hat, muss es rechtzeitig auf seinen Namen umschreiben lassen, bei gewissen Konzerten ist eine Umschreibung gar explizit ausgeschlossen. Damit sollen die Hürden für den schwunghaften Handel mit den begehrten Eintrittskarten erhöht werden.

Andreas Angehrn hält fest:

«Wir empfehlen personalisierte Tickets für Konzerte mit sehr hoher Nachfrage auch in der Schweiz und haben dies bis dato zweimal angewandt: für die Konzerte von Ed Sheeran und Rammstein.»

Entscheiden müssten aber letztlich die Managements der Künstler beziehungsweise die Konzertveranstalter. Hintergrund: Die Zutrittskontrollen sind bei personalisierten Eintrittskarten um ein Mehrfaches aufwändiger und damit teurer.

Ganz ausschliessen lassen sich Abzockerpreise und mögliche Betrügereien mit gefälschten Tickets freilich auch mit personalisierten Billetten nicht. Aktuell werden Eintrittskarten für das Rammstein-Konzert im Stade de Suisse in Bern auf Viagogo ab 350 Franken aufwärts gehandelt. Das teuerste kostete am Mittwoch unglaubliche 1234 Franken.

Wie der Grauhandel mit Tickets funktioniert

Der Handel mit Konzerttickets sah bis weit in die 90er-Jahre hinein so aus: Vor den Hallen standen Personen, welche die überteuerten Eintrittskarten zum Kauf anboten. Das Internet veränderte alles – und verstärkte die Abzocke mit Eintrittskarten massiv. Eine entscheidende Rolle spielen dabei Google & Co.: Der ganze Tickethandel floriert vor allem auch dank der Suchmaschinen, welche die entsprechenden Angebote zuoberst auflisten und zudem noch den Eindruck erwecken, dass es sich um einen offiziellen Verkaufskanal handelt. Dem Vernehmen nach zahlen Tickethändlerfirmen wie beispielsweise Viagogo teils über 20 Franken pro verkaufte Eintrittskarte an Google, wenn ein Verkaufsgeschäft dank eines prominent platzierten Suchergebnisses tatsächlich zustande gekommen ist.

Beim Wiederverkauf von Tickets zu Abzockerpreisen spricht man in der Schweiz von einem Grau- und nicht etwa einem Schwarzmarkt. Dies, da es sich grundsätzlich um nichts Illegales handelt. Zwei Dinge sind es, welche Ticketcorner-CEO Andreas Angehrn hoffen lassen, dass die Entwicklung ihren Zenit mittlerweile erreicht hat. Zum einen seien Klagen auf der ganzen Welt gegen unlauterere Zweitmarktplattformen hängig. «Zum anderen gibt es immer mehr Konsumenten, die schlechte Erfahrungen mit solchen Angeboten gemacht haben. Und das spricht sich herum.» (dwa)