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Schwarze Kassen, zu hohe Gebühren, Emus und eine Badelandschaft: In der Affäre um Urs Pauli, den früheren Direktor von Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ), kam Vieles zusammen. Nun liegt der über 400-seitige Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) dazu vor.
Das Fazit gleich vorweg: «Die PUK ERZ kommt zum Schluss, dass die Dienstabteilung ERZ sich durch mangelnde Aufsicht und Kontrolle weitgehend von der städtischen Verwaltungsstruktur lösen konnte», lautet der erste Satz des gestern veröffentlichten PUK-Berichts. Die Hauptverantwortung dafür liege beim Stadtrat, der Pauli jahrelang gewähren liess, bei den Führungsspitzen des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements (TED) und von ERZ. Das TED führten während Paulis Amtszeit die Stadtratsmitglieder Martin Waser (SP), Ruth Genner (Grüne) und Filippo Leutenegger (FDP).
ERZ habe unter Pauli, der von 2008 bis 2015 ERZ-Direktor und zuvor Stellvertreter seines Vorgängers Gottfried Neuhold war, «simuliertes Unternehmertum» betrieben, schreibt die PUK. Die städtische Dienstabteilung habe von den Vorteilen einer weitgehenden Monopolstellung profitiert, ohne die für die Privatwirtschaft charakteristischen unternehmerischen Risiken tragen zu müssen. Zugleich habe sich ERZ vom Prinzip des an Recht gebundenen Verwaltungshandelns abgewandt.
Die Finanzkontrolle und der Preisüberwacher hatten ERZ schon länger im Visier. Doch erst im Sommer 2017 griff Stadtrat Leutenegger durch und entliess Pauli. Der Stadtrat erstattete Strafanzeige. Es folgten Strafverfahren gegen neun Personen. In zwei Fällen setzte es Geldstrafen gegen Ex-ERZ-Mitarbeiter. Sieben Verfahren, darunter auch jenes gegen Pauli, sind laut Staatsanwaltschaft noch hängig.
Ein Untersuchungsschwerpunkt der PUK sind die ERZ-Gebühren. Diese führten, nach jahrelangen Defiziten, unter Pauli und seinem Vorgänger zu einer Überfinanzierung. Von 2005 bis 2018 überstiegen die von ERZ erhobenen Gebühren die Ausgaben laut PUK-Bericht um 1,2 Milliarden Franken. Ein gewisser Überschuss sei legitim, hält die PUK fest. Doch vielfach habe ERZ auch versteckte Reserven angehäuft, wie PUK-Mitglied Florian Blättler (SP) vor den Medien sagte. Und: Das Gebührenreglement sei bisher nicht geändert worden. Allerdings gab es 2008 bis 2010 eine Bonusaktion für die ERZ-Kundschaft, die 2018 und 2019 wiederholt wurde.
Um wie viel die ERZ-Gebühren zu hoch waren, sei nicht genau zu beziffern, hiess es an der PUK-Medienkonferenz. Doch das Ausmass lasse sich daran ablesen, dass der Stadtrat nun ein neues Abwassergebührenreglement plane und dabei vorhabe, der Kundschaft während acht Jahren 80 Prozent der Gebühren zu erlassen, um die Fehler der Vergangenheit auszubügeln, sagte PUK-Mitglied Andreas Kirstein (AL). Zudem sei auch ein neues Abfallgebührenreglement geplant.
Preisüberwacher Rudolf Strahm hatte der Stadt bereits in den Jahren 2006/7 empfohlen, die Gebühren zu senken. ERZ habe deutlich tiefere Kosten, als dies die hohen Gebühren vermuten liessen, stellte er fest. Der damals zuständige SP-Stadtrat Waser wehrte sich beim Parteigenossen Strahm. Doch dieser liess ihn abblitzen. Trotz der daraufhin gewährten Bonusaktionen hält die Finanzkontrolle der Stadt Zürich fest, die Stadt habe die Gebührenzahlenden von 2002 bis 2017 mit zu hohen Preisen belastet.
Das viele Geld gaben Pauli und seine Leute gemäss PUK bisweilen auf regelwidrige Art aus; Finanzkompetenzen wurden bei ERZ teils nicht schriftlich geregelt, obwohl die städtische Finanzkontrolle dies 2008 empfohlen hatte. Zudem seien grössere Aufträge oft «gestückelt» worden, sodass sie ohne Einbezug höherer Instanzen vergeben werden konnten. Einige Beispiele für nicht regelkonformes ERZ-Geschäftsgebaren gemäss PUK-Bericht:
Einige Beispiele für nicht regelkonformes ERZ-Geschäftsgebaren gemäss PUK-Bericht:
Die PUK empfiehlt, die «Aufsicht und Kontrolle über die Dienstabteilungen der Stadtverwaltung ausreichend wahrzunehmen, insbesondere durch die Stärkung des Bewusstseins für die Bindung der Verwaltung ans Recht, die fortlaufende Kontrolle von Grossprojekten sowie durch das Sicherstellen einer korrekten Aktenführung». Zudem sei die Arbeitsweise des Gemeinderats zu überprüfen und die Befähigung der einzelnen Ratsmitglieder zu ihrer Aufsichtsfunktion zu stärken.
Die Zürcher Stadtparteien sind sich in einem einig, das machen ihre Reaktionen auf den Bericht der vom Gemeinderat eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) deutlich: Die Affäre um Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) und Ex-ERZ-Chef Urs Pauli muss weitere Konsequenzen haben.
Die FDP schreibt: «Solange keine Beschränkung der Verwaltung auf ihre hoheitlichen Funktionen erfolgt, bleibt eine Wiederholung solcher Entwicklungen trotz PUK möglich.»
Die SVP fordert mehr Unterstützung für die Gemeinderäte, damit sie ihre Aufsichtsfunktion professioneller wahrnehmen können. Daher müsse der Aufgabenbereich der Parlamentsdienste erweitert werden.
Die GLP sieht die Führungsverfehlungen des Stadtrats als «Bankrotterklärung der Exekutive gegenüber dem Gebaren der ihr unterstellten Verwaltung» – und fordert, die Gebühren künftig periodisch zu überprüfen.
Die SP kritisiert «das fast blinde Vertrauen der Departementsvorstehenden» in die ERZ-Direktoren. Und moniert ebenfalls, dass die Aufsichtsfunktion in vielen Kommissionen des Gemeinderats zu wenig systematisch wahrgenommen werde.
Die AL nennt es «verstörend», dass der Stadtrat seine Verantwortung punkto ERZ-Affäre gegenüber der PUK vielfach zurückwies und fordert ebenfalls eine Stärkung der Kontrolle durch den Gemeinderat.
Die Grünen fordern kurz und bündig: «Die zuständigen Organe müssen künftig genauer hinschauen.» (mts)