Lara Gut zeigte zum Weltcup-Auftakt in Sölden eine gute Vorstellung. Sie verpasste im Riesenslalom als Vierte einen Podestplatz nur knapp. Federica Brignone (1.) und Tina Weirather (3.) treten in Sölden in die Fusstapfen ihrer prominenten Mütter.
Italia - Italia! Als Siegerin des Weltcup-Auftakts schmetterte Federica Brignone die italienische Nationalhymne mit einer Inbrunst in den Söldner Gletscherhimmel, dass selbst Gianluigi Buffon, der Lead-Sänger der Nation, vor Neid erblasst wäre. Fünf weitere azurblaue Athletinnen in den Top 16 umrahmten die Festa italiana – und Lara Gut, die ja ebenfalls einen italienischen Pass besitzt, feierte verhalten mit. Ihr 4. Platz ist ihr bestes «Riesen»-Resultat seit anderthalb Jahren.
Die Schweizer Bilanz darf sich sehen lassen, nicht überragend, aber punktuell erfreulich. «Lara Gut zeigte, was sie kann. Und Jasmina Suter ist ein Versprechen für die Zukunft», zog Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann Kurzbilanz. «Aber es zeigt sich auch, dass uns die Breite fehlt - vor allem im Vergleich mit den Italienerinnen.»
Neun starteten in den Top 30, acht qualifizierten sich für den 2. Lauf - und ein Sextett etablierte sich schliesslich im Spitzenfeld. Italien, finanziell keineswegs auf Rosen gebettet, entwickelt sich wieder zu einer Skination. Seit neun Jahren hatte keine Italienerin mehr einen Riesenslalom gewonnen.
Ein Comeback, das Hoffnungen schürt
Aus dem Schweizer Team ragten Lara Gut und die 20-jährige Jasmina Suter. Gut verpasste das Podest nur um 14 Hundertstel durch einen Fehler bei der Einfahrt in den flachen Schlussteil. Bis dort lag sie noch 38 Hundertstel vor Tina Weirather. Immerhin: In 48 Riesenslaloms war Lara Gut nur fünfmal besser als Vierte. «Mit dem ersten Rennen auf neuem Material bin ich zufrieden», fand sie. «Aber selbstverständlich gibt es noch überall Verbesserungsmöglichkeiten.»
Ein beeindruckendes Comeback nach einer Sprungbein-Fraktur gab Jasmina Suter mit einem 20. Platz. «Die Punkte nehme ich gerne», meinte die Schwyzerin, «aber es wäre mehr möglich gewesen». Vor zwei Jahren war sie bei ihrem Debüt an der fast gleichen Stelle auf dem Weg zu einem Spitzenplatz ausgeschieden.
Der Sieg ging nach Italien
Wendy Holdener blieb als 26. unter den Erwartungen: «Das erste Ziel, unten anzukommen, habe ich erreicht, das zweite, schnell zu fahren, leider klar verpasst.» Noch verkrampfter fuhr Michelle Gisin, deren Hoffnungen sich im Nichts auflösten. Den «Penalty», durch glückliche Umstände mit einer 20er- statt 60er-Nummer starten zu dürfen, schoss sie um Meter übers Tor - sechs Sekunden verlor sie. «Eine peinliche Vorstellung - eine Katastrophe», ging sie mit sich selbst hart ins Gericht.
Mit Federica Brignone (25) feierte eine ihren ersten Weltcup-Sieg, die schon sieben Mal auf dem Podest stand. Vor vier Jahren lag sie in Sölden ebenfalls nach dem 1. Lauf in Führung und schied dann aus. Diesmal brachte sie den Vorsprung sicher mit 0,85 Reserve auf Mikaela Shiffrin ins Ziel: «Ich kann gar nicht glauben, dass es endlich geklappt hat».
Seit sie anderthalb Jahre alt ist, steht sie auf Ski (damals noch mit Plastikski in ihrer Wohnung). Als ihre Mutter 1994 als Journalistin an den Olympischen Spielen in Lillehammer weilte, blieb sie zu Hause. Ihre Grossmutter schickte die Vierjährige in Courmayeur in eine Skischule, in der sie angesichts ihres grossen Talents fast täglich eine Klasse höher stieg.
Das Skifahren in den Genen
Mutter Maria Rosa Quario war auch in Sölden als TV- und Print-Journalistin akkreditiert - und noch nervöser als die Tochter. Die Ausgangslage mit Führung im 1. Lauf war ihr wohlbekannt. 1982 in Schladming führte sie im WM-Slalom ebenfalls das Klassement an und stürzte dann auf den 5. Platz ab. Weltmeisterin wurde Erika Hess. Zur Sicherheit hatte Quario, die damals mit dem Schweizer Weltcup-Abfahrer Silvano Meli liiert war, in Sölden eine Assistentin mitgenommen, um die verpönten Mutter-Tochter-Interviews zu vermeiden.
Nach Felix Neureuther, Sohn von Doppel-Olympiasiegerin Rosi Mittermaier, Tina Weirather, Tochter von Doppel-Olympiasiegerin Hanni Wenzel, ist Federica Brignone die dritte Weltcupsiegerin, deren Mutter früher ebenfalls Weltcuprennen (4) gewann. Auch Jasmina Suter bekam das Ski-Gen in die Wiege gelegt: Ihr Grossvater Rupert ist der erste Schweizer, der es im Riesenslalom von Adelboden aufs Podest schaffte.