Ski alpin
Die erste echte Chance in Adelboden auf einen Podestplatz für Justin Murisier

Das einstige Top-Talent Justin Murisier erhält einen Doppeleinsatz in Adelboden, kokettiert aber auch mit den Speed-Wettbewerben.

Richard Hegglin, Adelboden
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Justin Murisier bekommt in Adelboden gleich zwei Chancen.

Justin Murisier bekommt in Adelboden gleich zwei Chancen.

KEYSTONE/AP/ALESSANDRO TROVATI

Seine Pechsträhne ist weitgehend bekannt, deshalb nur kurz im Telegrammstil: zwei Kreuzbandrisse, Meniskusverletzung, drei bis vier verlorene Winter. Justin Murisier, der im Januar 2010 als 18-Jähriger im Slalom von Adelboden sein Weltcup-Debüt gab, befindet sich wieder am Ausgangspunkt – einfach sieben Jahre später. Und erstmals mit realistischen Chancen.

Bei den bisherigen Rennen in Adelboden trug er stets 40er- bis 80er-Nummern, jetzt kämpft er erstmals mit gleich langen Spiessen gegen die Weltelite. «Zum ersten Mal darf ich hier in den Top 15 starten», sagt Murisier und freut sich. «Davon möchte ich profitieren. Aber für ein Spitzenresultat reicht eine gute Startnummer allein nicht aus, es braucht auch eine starke Leistung.»

Bei der Zielsetzung drückt er sich diplomatisch aus: «Einen Podestplatz erwarte ich nicht, vielleicht einen Top-5-Platz oder besser ...» Dafür bringt er alle Voraussetzungen mit: Er befindet sich in Form, der 4. Platz in der Kombination von Santa Caterina Ende Dezember ist Beweis dafür. Und seine «Riesen»-Bilanz ist beeindruckend. «Ich bin ziemlich zufrieden», bilanziert er. «Obwohl mir oft kleine Fehler unterlaufen, gelangen mir konstante Resultate.» Mit Ausnahme der beiden Rennen in Val d’Isère, wo er ausschied, klassierte er sich in fünf Riesenslaloms fünfmal in den Top-Ten – mit einem 7. Rang als Bestresultat.

Der Killerinstinkt fehlt noch

«Bei den Abschnittszeiten», so Murisier, «war ich schon oft unter den schnellsten drei. Aber im Schlussklassement waren andere besser.» Noch fehlt der Killerinstinkt. «Wenn ein Platz auf dem Podest offen ist, muss man ihn packen», sagt Cheftrainer Thomas Stauffer, «was Florian Eisath in Alta Badia schaffte, ist auch für Justin möglich.» Schon in Adelboden? Seit dem historischen Doppelsieg von Marc Berthod und Daniel Albrecht 2008 stand am Chuenisbärgli kein Schweizer mehr auf dem Podest.

Justin Murisier bekommt in Adelboden gleich zwei Chancen. Am Sonntag, an seinem 25. Geburtstag, darf er auch im Slalom starten, wo er allerdings eine der letzten Startnummern tragen wird. Ein Geburtstagsgeschenk? «Nein», sagt Stauffer, «das hat sich Justin mit seinem guten Kombi-Slalom in Santa Caterina verdient und ist zugleich eine Vorbereitung auf die Kombination in Wengen.»

In dieser Disziplin gilt der Walliser als neuer Schweizer Trumpf. «Ich fahre den Slalom nicht nur als Training», hält Murisier dezidiert fest. «Schliesslich bin ich hier mit der Startnummer 74 schon mal 31. geworden und habe die Qualifikation nur um fünf Hundertstel verpasst.» Das war bei seinem Debüt 2010!

Zukunft in den Speeddisziplinen?

Inzwischen haben sich die Präferenzen etwas verschoben. Murisier kokettiert auch mit den schnellen Bewerben und schrieb auf seine Website: «Liegt meine Zukunft im Speed?» Möchte er wirklich umsatteln? «Hmm», räuspert er sich, «es war ja vorerst nur eine Frage. Aber ich bin jetzt 25 und muss auch daran denken. Speedrennen gefallen mir, obwohl ich bisher wenig Erfahrung sammeln konnte.»

Schliesslich hat jeder Bagnard das Speed-Gen in sich. Immerhin war der bekannteste Skirennfahrer aus dem Val de Bagnes Roland Collombin, mit dem Murisier einst verglichen wurde. Worauf dieser antwortete: «Vom Talent her akzeptiere ich den Vergleich gerne. Aber ich bin seriöser.» Sein Onkel William Besse ist ein ehemaliger Lauberhornsieger. Und Murisiers Vorbild ist ebenfalls einer, der schnell unterwegs ist: Töff-Superstar Valentino Rossi. Murisier ist ein leidenschaftlicher Motocross-Pilot.

Selber gab er einst ebenfalls in einer Speeddisziplin seine erste Visitenkarte ab: Beim SM-Super-G 2009 in St. Moritz wurde er als 17-Jähriger hinter Didier Cuche und vor Carlo Janka und Didier Défago Dritter. Speed ist Zukunftsmusik, die Gegenwart liegt in Adelboden: Riesenslalom heute und Slalom morgen.