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Reto Schmidiger geht neue Wege

Reto Schmidiger befand sich im letzten Winter in Topform, dann riss er sich beim zweiten Weltcup-Rennen der Saison das Kreuzband. Den Weg zurück dokumentiert der Nidwaldner nun mit einem Videoblog. Es ist Teil einer neuen Strategie.

Claudio Zanini
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Eine Szene aus der ersten Episode seines Videoblogs: Reto Schmidiger im Kraftraum in Hergiswil (Bild: Yannick Blättler (Hergiswil, 9. Juli 2018))

Eine Szene aus der ersten Episode seines Videoblogs: Reto Schmidiger im Kraftraum in Hergiswil (Bild: Yannick Blättler (Hergiswil, 9. Juli 2018))

Ein karger Kraftraum in Nidwalden gibt die Kulisse her. Man sieht Hantelbänke, Gymnastikbälle und einen schwitzenden Reto Schmidiger. Das Video dauert kaum fünf Minuten. Bis Samstagnachmittag wurde es 34-mal abgespielt, wenn man dem Zähler auf Youtube Glauben schenken will. Doch darum geht es gar nicht. Vielmehr fällt die Professionalität des Beitrags auf. Schnitt und Musik vermögen die Spannung oben zu halten. Das ist insofern bemerkenswert, da genau genommen sehr wenig passiert in diesem Video. Schmidiger erzählt, wie er nach dem Kreuzbandriss an Kraft und Kondition arbeitet und schon bald wieder auf den Schnee darf. Seine Sätze werden in Englisch untertitelt. Der Effekt funktioniert, es wirkt international, Zuschauer in ganz Europa, Amerika und Asien könnten den Worten des 26-jährigen Skifahrers aus Hergiswil folgen, rein theoretisch.

Dass er sein Comeback mit der Kamera begleiten lässt, geschieht nicht nur aus Jux, sondern ist Teil einer neuen Strategie. Sie hat die persönliche Vermarktung zum Ziel, «Personal Branding» sagt man dem. Im Grunde geht es darum, aus dem eigenen Namen eine Marke zu machen, das eigene Image zu schärfen. Schmidiger war ein bisschen skeptisch, als zwei Kollegen, die eine Videoproduktions-Firma in Hergiswil führen, mit der Idee kamen. Es benötigte ein paar Gespräche benötigt, bis er zusagte. Das Projekt hat nicht einfach die Selbstdarstellung zum Zweck. Ihm geht es darum, Informationen aus erster Hand zu teilen, so dass es nur eine Version der Verletzungsgeschichte und der folgenden Rehabilitation gibt. Auslöser für diesen Videoblog sei der Sturz in Val d’Isère gewesen, sagt Schmidiger. Man darf sich nicht einen dieser Stürze vorstellen, die in den Speed-Disziplinen vorkommen und die einem beim Zusehen in die Knochen fahren. Sondern nur ein leichtes Abheben nach fünf Sekunden Slalom, ein Hinfallen, und ein Liegenbleiben.

Die anderen rocken die Saison

Der Unfall passierte Mitte Dezember 2017. Schmidiger befand sich in bester Verfassung. Er hatte einen Monat zuvor in Levi, beim ersten Slalom der Saison, den zehnten Platz herausgefahren, sein zweitbestes Weltcup-Ergebnis. Sechs Jahre zuvor hatte er einen achten Platz erreicht, doch dieses Ergebnis war längst aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden. Mit dem Top-Ten-Platz von Levi lieferte er einen aktuellen Nachweis, dass er in der Lage ist, die starken Resultate des Europacups auf die höchste Stufe zu adaptieren.

Der Höhepunkt kommt im Februar

Ein Grossanlass jagt den nächsten: Nach der Ski-WM 2017 in St. Moritz und den Winterspielen 2018 in Pyeongchang bestreiten die alpinen Skifahrer auch in dieser Saison Titelkämpfe. Im schwedischen Åre findet vom 5. bis 17. Februar 2019 die WM statt. Die Weltcup-Saison startet am 27./28. Oktober 2018 in Sölden mit je einem Riesenslalom. Weiter geht es mit Slalom Mitte November in Levi. Anschliessend folgen die Übersee-Rennen. (cza)

Sein Tatendrang schien immens vor dem Rennen in Val d’Isère. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte er damals: «Das gesamte Team hat einen grossen Schritt gemacht. Die Zuversicht ist gross, dass wir in dieser Saison noch die einen oder anderen guten Resultate einfahren.» Und er bekam recht. Es war die Saison, in der sich beim Slalom-Team ein Knopf löste. Zuerst Luca Aerni, dann Daniel Yule, schliesslich Ramon Zenhäusern. Sie sorgten alle für Podestplätze – Zehnhäusern gar für Olympiasilber in Südkorea. Schmidiger musste zusehen, wie die anderen rockten. «Diese Resultate haben mich in meiner Rehaphase motiviert. Ich weiss, dass ich das auch drauf habe.»

Vom Sturz im Dezember 2017 bis zum ersten Skitag im Juli 2018 verstrichen ziemlich genau sieben Monate. In der zweiten Episode des Videoblogs ist zu sehen, wie Schmidiger mit Assistenztrainer Thierry Meynet in Zermatt erstmals wieder auf dem Schnee ist. «Vor den ersten Schwüngen war ich ungeduldig und zum Teil sicher auch lästig», sagt Schmidiger.

Den Zuschauern nicht zuviel Slalom zumuten

Nach den ersten Versuchen auf Schweizer Pisten ging das Aufbauprogramm in Neuseeland weiter. Vier Wochen trainierte das Team dort. Schmidiger absolvierte ein speziell auf sein Knie abgestimmtes Programm. Die Fortschritte würden ihn zuversichtlich stimmen, das Wichtigste sei vor allem, dass das Knie bislang keine negativen Reaktionen zeigte. Nebst dem Kreuzbandriss riss er sich auch den Meniskus und brach sich den Fibulakopf – es war eine gröbere Verletzung.

Ob er sich nach seinen Titeln an den Junioren-Weltmeisterschaften 2010 und 2011 gedacht hätte, dass der Weg an die Spitze so beschwerlich werde, wird er gefragt. «Dass der Weg einfach sei, dachte ich nie», sagt Schmidiger. Ereignisreich ist sein Weg allemal und das haben wohl auch die Macher des Videoblogs erkannt. Wieviele Episoden noch folgen werden, ist nicht festgelegt. Ziel ist, das jede Folge einen eigenen Themenschwerpunkt habe. Man könne nicht einfach 24-mal einen Slalomlauf zeigen, sagt der junge Geschäftsinhaber der Video-Firma. Doch auch wenn der Zuschauer die zig Slalomläufe nicht sehen wird. Schmidiger wird sie alle absolvieren müssen, bevor er wieder mit den Top-Athleten im Weltcup mithalten kann.