Fitnesscenter verlieren Kunden, seit für sie die Zertifikatspflicht gilt. Claude Ammann, Präsident des Fitnesscenter-Verbands, führt in Zuchwil ein Fitness-Studio. Er empfindet die Pflicht als ungerecht und kontraproduktiv.
Claude Ammann ist unzufrieden. «Ich hatte gerade zwei Kündigungen von langjährigen Kunden, die sich nicht impfen lassen wollen.» Der ehemalige Triathlet führt das Fitnesscenter «Physio in Fit» beim Riverside-Gelände in Zuchwil. Zudem präsidiert er den Schweizerischen Fitness- und Gesundheitscenter Verband (SFGV).
Seit die Zertifikatspflicht auf Fitnesscenter ausgeweitet wurde, rennt Ammann durchs Land und kritisiert er den Schritt des Bundesrates: «Wir fühlen uns als Bauernopfer.» Nach Mietkosten trotz Lockdowns entgeht den Schweizer Fitnesscentern erneut Geld, erklärt Ammann: etwa 8 bis 12 Prozent des Umsatzes falle weg.
«Im Moment gewinne ich zwei Kunden, die wegen der Zertifikatspflicht neu zu mir kommen, weil es sicherer ist. Aber gleichzeitig verliere ich zehn Kunden, die deswegen nicht mehr kommen wollen.»
Zwar sei er rechtlich nicht verpflichtet, Abonnements zurück zu erstatten. Denn an den Vertragsbedingungen hat sich nichts geändert und die Kundin könnte verhältnismässig einfach ein Zertifikat bekommen. Dennoch: «Langfristig kommt ein solcher Kunde trotzdem nicht mehr zu uns.»
Gerade jetzt beginne die umsatzstarke Zeit für die Fitnesscenter. Geld, das dringend gebraucht werde. «Viele Anbieter mussten Kredite aufnehmen, die müssen abbezahlt werden. Ich zum Beispiel habe meinen Mitarbeitenden sechs Monate den Kurzarbeitslohn auf 100 Prozent ausgeglichen, als wir geschlossen waren.»
Ammann geht es nicht darum, Fitnesscenter von der Zertifikatspflicht auszunehmen. «Wir stehen dazu, dass wir diese Pandemie gemeinsam bekämpfen müssen und sind bereit, unseren Teil dazu beizutragen. Aber wir wollen gleich lange Spiesse. Wenn die Zertifikatspflicht für Fitnesscenter gilt, muss sie auch für Vereine gelten.» Für Vereine gilt sie erst ab 30 Personen.
Vor allem Fitnesscenter mit jüngerer Kundschaft verlieren wegen der Zertifikatspflicht Abos. Dabei erfüllt die Massnahme den Zweck nicht, ist Claude Amman überzeugt. «Was mich ärgert ist: Das Ziel, dass sich mehr Menschen impfen lassen, wird mit der Zertifikatspflicht gar nicht erreicht.»
Denn: Die Leute würden statt ins Fitnesscenter einfach in einen Verein gehen, weil es dort keine Zertifikatspflicht gebe. Diese Kunden kommen nicht mehr zurück, glaubt Ammann. «Wir bieten beispielsweise einen Yoga-Kurs am Dienstagabend an. Etwa 30 Prozent der Teilnehmenden sind nicht geimpft. Die gehen sich nun aber nicht impfen, sondern wechseln einfach in einen Yogaclub. Aber ist das Virus weniger ansteckend, wenn sie in einem Keller zusammen Yoga machen?»
Die Covid-19-Verordnung für die besondere Lage bietet ein Schlupfloch: Von der 3G-Regel ausgeschlossen sind Aktivitäten, die «in abgetrennten Räumlichkeiten in einem Verein oder in einer anderen beständigen Gruppe von höchstens 30 Personen» ausgeübt werden. Fixe Gruppen ohne Zertifikat könnten also regelmässig gemeinsam trainieren.
Der SFGV kennt die rechtliche Grauzone. Claude Ammann sagt dazu: «Das ist eine Variante, aber jeder muss das selbst entscheiden. Wir vom Verband haben unsere Mitglieder darauf Aufmerksam gemacht, dass dies keine Lösung ist und haben das nicht empfohlen. Wir wollen auch keine Schlupflöcher suchen müssen. Wir wollen gleich lange Spiesse.»
Der Fitnesscenter-Präsident ärgert sich, dass immer nur über das Zertifikat gesprochen werde. «Aber das Zertifikat schützt nicht vor dem Virus. Warum denkt man nicht auch über andere Lösungen nach?» Ammann spricht etwa Luftsensoren an. «Wir wollen auch, dass sich unsere Kunden bei uns sicher fühlen und haben deshalb überall Luftsensoren eingebaut, welche die Partikelbelastung der Luft messen. Eine Übertragung ist so sehr unwahrscheinlich.»
Die Luftqualität sei bei den Fitnesscentern ohnehin schon lange ein Thema – schon weit vor Corona: Die Kunden mögen es nicht, wenn es «schweisselet», wenn es schlecht rieche, erklärt Ammann. Deshalb hätten die meisten Fitnesscenter bereits gute Lüftungen und grosse Räume.
Der SFGV fordert deshalb, dass der Bundesrat die Zertifikatspflicht für Fitnesscenter noch einmal überdenkt. Zudem solle der Bund die finanziellen Ausfälle entschädigen. Nach den kantonalen Ungleichbehandlungen bei der Ausbezahlung der Schadensgelder im Winter fordert Ammann bewusst eine nationale Lösung.
Klar ist: Vorerst gilt die 3G-Regel. Bei Behörden stösst Ammann mit seinen Forderungen auf taube Ohren. «Wir haben bis jetzt noch kein Feedback bezüglich der Zertifikatspflichteinführung vom Bundesrat oder vom BAG erhalten.» Dies, obwohl man etwa mehrere offene Briefe geschrieben habe. «Wir versuchen weiter, für Verständnis und Gehör für unsere Situation zu weibeln», sagt Ammann – und eilt zum nächsten Medientermin.
«Ich vermute, der Bund wollte Sportvereine von der Zertifikatspflicht ausnehmen, weil er fürchtete, dass die Menschen sonst weniger bewegen», sagt Claude Ammann. Tatsächlich scheinen sich geschlossene Fitnesscenter negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung auszuwirken. Das legt eine repräsentative Umfrage des SFGV unter 1151 Personen nahe. Über 99 Prozent gaben an, dass sich ihre gesundheitliche Verfassung durch die Schliessung der Fitnesscenter deutlich verschlechtert habe.
45 Prozent der Befragten gaben an, dass Beschwerden wieder auftraten, die eigentlich durch das Training nicht mehr vorhanden waren. Fast ein Drittel gab an, deswegen erneut Medikamente einnehmen zu müssen – meist wegen Rückenschmerzen.
Alternativen zum Fitnesscenter würden nicht ausreichen; zu Hause fehlen den meisten Motivation und Infrastruktur. Dazu komme das fehlende Coaching durch Fachpersonal sowie die sozialen Kontakte. Nahezu alle Befragten gaben an, dass ihre mentale Verfassung durch den Trainingsstopp stark gelitten hat.