Bundesrat
Lauwarme Energiewende: Sommarugas Solar-Pflicht fällt durch – sogar in der SP

Energieministerin Simonetta Sommaruga forderte eine Solar-Pflicht für alle Neubauten, drang damit im Bundesrat aber nicht durch. Nun zeigt sich: Selbst in ihrer eigenen Partei stösst die SP-Bundesrätin mit dem Obligatorium auf Vorbehalte.

Benjamin Rosch und Stefan Bühler
Drucken
Keine Dächer, aber immerhin Solarfassaden wie an diesen Hochhäusern in Muri bei Bern.

Keine Dächer, aber immerhin Solarfassaden wie an diesen Hochhäusern in Muri bei Bern.

Gaetan Bally / KEYSTONE

In der Klimapolitik heisst die härteste Währung: Zeit. Seien es die drohende Stromlücke oder die Erderwärmung, Zeit ist die Einheit, um Massnahmen gegen Schreckensszenarien zu bewerten. Als Umweltministerin Simonetta Sommaruga gestern zur Pressekonferenz lud, war die Beschleunigung in der Energiepolitik denn auch das zentrale Anliegen. Doch ironischerweise sah sie sich just in der vorberatenden Bundesratssitzung ausgebremst.

Um zwei Dinge geht es: Sommaruga will den Bau von grossen Wind- und Wasserkraftanlagen vorantreiben. Dazu soll das Bewilligungsverfahren vereinfacht werden. Heute ist es Gegnerinnen und Gegnern möglich, in mehreren Etappen gegen ein neues Projekt vorzugehen. Gegen eine für den Bau nötige Rodung etwa, später gegen eine Enteignung und für den Gewässerschutz. Bis vier Mal muss das Bundesgericht über das gleiche Projekt urteilen. «Das kostet Zeit und Geld», sagte Sommaruga. Nun sollen alle Fragen eines Bewilligungsverfahrens bei bedeutenden Projekten in einem einzigen Rechtszug zusammengefasst und so beschleunigt werden. Dafür erhielt Sommaruga die Unterstützung des Bundesrats.

Der zweite Vorsatz war umstrittener und stand kürzlich in dieser Zeitung: Sommaruga wollte eine Pflicht für Solardächer bei allen Neubauten einführen. Sie hatte beantragt, im Energiegesetz folgenden Bestimmung zu verankern: «Beim Bau neuer Gebäude ist auf den Dächern oder an den Fassaden eine Solaranlage wie eine Fotovoltaik- oder eine Solarthermieanlage zu erstellen.» Ausnahmen waren nur vorgesehen, sollte sich eine Anlage nicht rentieren, technisch unmöglich sein oder übergeordnetem Recht widersprechen.

Daraus wird vorerst nichts: Der Bundesrat lehnt die Solar-Pflicht ab. Verglichen mit der Ursprungsidee stellte Sommaruga gestern Donnerstag eine eher lauwarme Solaroffensive vor: Wer künftig Stromzellen an der Fassade anbringen möchte, kann dies ohne Baubewilligung tun. Eine Meldung reicht. Und Investoren können die Kosten von Solaranlagen auf Neubauten künftig bei den Steuern anrechnen; das ist heute nur bei Sanierungen möglich.

Doch wie kam es zum Meinungsumschwung?

Dem Vernehmen nach stiess der Vorschlag der SP-Bundesrätin aus drei Gründen im Gremium auf Skepsis. Die Bürgerlichen sahen in der Solar-Pflicht erstens einen zu starken Eingriff in die Eigentumsfreiheit von Bauherren. Zweitens seien Bauvorschriften Sache der Kantone, von denen (drittens) weit über die Hälfte bereits entsprechende Vorschriften kennen. Immerhin: Als Frage ist die Möglichkeit einer Solar-Pflicht für sämtliche Neubauten in den Vernehmlassungsunterlagen enthalten. Die Chance, dass sie auf grossen Zuspruch stösst, ist aus heutiger Sicht freilich gering.

Skepsis in der eigenen Partei

So ist selbst unter führenden Umweltpolitikerinnen und -politikern aus dem linken Lager die Begeisterung für eine Solar-Pflicht auf allen Neubauten nicht gross. Für SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann beispielsweise sind die jetzigen Vorschläge des Bundesrats ein Kompromiss, mit dem er gut leben kann. «Dieser Weg erscheint mir konsensfähig», sagt er. Die Vernehmlassung ist erst angelaufen, noch hätte die SP die Möglichkeit, eine Solardach-Pflicht in die Vorlage zu packen. Doch darauf angesprochen, zögert Nordmann. «Wir haben uns noch nicht entschieden», sagt er. Denkbar sei, dass seine Partei eine Pflicht bei Industriebauten fordert, «aber für Private nicht». Dort sollen steuerliche Anreize ausreichen.

Bei Parteikollegin und Pro-Natura-Präsidentin Ursula Schneider Schüttel klingt es ähnlich. «Ich finde gut, dass die Verfahren für Wind- und Wasseranlagen beschleunigt werden, jedoch müssen die Interessen von Natur- und Landschaftsschutz angemessen berücksichtigt werden», sagt sie. Aber eine Verpflichtung für ein Solardach für alle, die ein Haus bauen? «Ich bin sehr skeptisch.»

Bregy warnt vor verpassten Chancen

Auf bürgerlicher Seite findet derweil vor allem das schlankere Bewilligungsverfahren Anklang, namentlich für die grossen Anlagen. Stellvertretend sagt Mitte-Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy: «Sämtliche Massnahmen, welche die Möglichkeit zur Beschwerde eindämmen, sind in der aktuellen Situation richtig und wichtig.» Ob Fassaden der Königsweg zu einer Energiewende seien, lasse er offen. «Es wäre effizienter, grosse Strommengen mit Solarfeldern im sonnigen hochalpinen Raum zu gewinnen, als über Fassaden im nebligen Talgrund. Wir müssen aufpassen, dass wir sich bietende Chancen nicht verpassen», sagt Bregy.