Kultur
«Lauter rotes Zeug»: Zwei Ausstellungen im Museum kunst+wissen zu Diessenhofen widmen sich der Farbe Rot und der Rotfärberei

Noch bis 18. September ist im Museum kunst+wissen in Diessenhofen die Sonderausstellung «Auf Tuchfühlung mit dem Kulturerbe» zu Ehren des 60-jährigen Bestehens zu sehen. Es dominiert die Farbe Rot.

Dieter Langhart
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Rot ist die körperlichste aller Farben, steht für Liebe und Leidenschaft, für Feuer und Kraft: Im Museum kunst+wissen derzeit allgegenwärtig.

Rot ist die körperlichste aller Farben, steht für Liebe und Leidenschaft, für Feuer und Kraft: Im Museum kunst+wissen derzeit allgegenwärtig.

Bild: Dieter Langhart

Es muss Tausende dieser Model gegeben haben – damals, als Diessenhofen eines der Zentren der Rotfärberei und des Kattundrucks im Thurgau gewesen war. Diese Model ermöglichten schon früh eine Art Serienproduktion von gefärbten und gemusterten Stoffen, die es bis ins Modezentrum Paris schafften.

Die Doppelausstellung «Auf Tuchfühlung mit dem Kulturerbe» feiert 60 Jahre des Ortsmuseums, das Ende 1961 als Textil- und Stoffdruckerei-Museum gegründet worden ist und auch eine Dauerausstellung des Diessenhofer Künstlers Carl Roesch umfasst.

Lucia A. Cavegn, Leiterin Museum kunst+wissen Diessenhofen.

Lucia A. Cavegn, Leiterin Museum kunst+wissen Diessenhofen.

Bild: Ralph Ribi

Die 80-jährige Völkerkundlerin Christine Kolitzus betreut seit mehreren Jahren im Ehrenamt die ortsgeschichtliche Abteilung des Museums. Sie hat die in Schachteln liegenden Stoffe, Model und über tausend Entwurfszeichnungen gesichtet, inventarisiert und gerahmt – ein «Schatz», wie Kunsthistorikerin und Museumsleiterin Lucia A. Cavegn sagt, «ein Teil der DNA unseres Museums». Nicht alles hat die rund zweihundert Jahre überlebt – zur Zeit des Ersten Weltkriegs seien zahlreiche Model aus Holz verfeuert worden.

Von der Türkei über Frankreich in den Thurgau

Die Ausstellung präsentiert drum weit mehr Entwurfszeichnungen und Stoffe als Model. Aus den quasi seriell bedruckten Stoffen wurden Schnupftücher, Wandbehänge oder Möbelbezüge. Der sogenannte Kattundruck hat im 18. Jahrhundert den Weg von der Türkei über Frankreich in den Thurgau gefunden. Die Krappwurzel, die auch bei uns vorkommt, wurde getrocknet, dann gemahlen. «Dieses Rot gab es vorher nicht», sagt Cavegn.

«Die Herausforderung und die Kunst bestand darin, dass die Stoffe nicht verblassen.»

In Diessenhofen gab es ein paar Häuser weiter auch eine Blaufärberei; der Farbstoff wurde aus den Blättern der Färberwaid- oder der Indigopflanze gewonnen – daher stammen auch die Redewendungen «ein blaues Wunder erleben» oder «blaumachen». Bereits vor der Ausstellung ist ein inhaltsreiches Buch erschienen, in dem Christine Kolitzus ihr ganzes Wissen aus ihrer langjährigen Erfahrung am Völkerkundemuseum vereint hat.

Carte blanche für Textildesignerin Andrea Buck

In der Ausstellung sind vor allem Papierentwürfe zu sehen, aber auch alte Baumwollstoffe, manchmal hängen die gezeichneten Vorlagen neben den aufwendig bedruckten Textilien, und im Keller steht eine Tuchpresse mit der originalen Holzspindel – eine grosse Rarität in der Schweiz, wie Cavegn sagt. Das Paisley-Muster fällt auf, das x-fach variierbar war, und manche der geometrischen Muster muten sehr modern an. Cavegn hat der Diessenhofer Textildesignerin Andrea Buck eine Carte blanche gegeben, die Stoffmuster neu zu interpretieren. Buck trägt die Zeugdrucke auf Fotografien der Zwanzigerjahre auf, erzeugt so witzige Kombinationen und präsentiert sie in einem eigenen Kabinett. Die Fotocollagen lassen sich mit dem Smartphone animieren – und die Installation «Anziehend! Lauter rotes Zeug» mit Modepuppen verleiht der historischen Ausstellung einen Bezug zur heutigen Zeit.

Bild von Donegel' Chong «Die Paisley Diva», bei dem das Kleid aus dem Bild ragt.

Bild von Donegel' Chong «Die Paisley Diva», bei dem das Kleid aus dem Bild ragt.

Bild: Dieter Langhart

Und da ist noch mehr Rot zu sehen. Für die Jubiläumsausstellung hat der seit vier Jahren in Aadorf lebende Künstler Donegel’ Chong Gemälde geschaffen, in denen er das Paisley-Muster überraschend neu und frei interpretiert. Zu «Red/Love/Paisley» gehört auch eine Rauminstallation, für den er 138 Meter roten Stoff, mehrheitlich Satin, drapiert hat. Rot ist die körperlichste aller Farben, steht für Liebe und Leidenschaft, für Feuer und Kraft. Chong hat kongenial auf die Ausstellung reagiert, hat manche Querbezüge geschaffen, hat die Farbe Rot regelrecht durchdekliniert. Donegel’ Chong war früher als Textildesigner tätig. Eines seiner Gemälde, die stolze «Paisley Diva», ist denn auch raumgreifend, in dem Sinne, dass das Kleid der Bildfigur als dreidimensionale Erweiterung aus dem Bild ragt.

Museum kunst+wissen, Museumsgasse 11, Diessenhofen; bis 18. September. Fr-So, 14–17 Uhr.