ST.GALLEN. Der Chef des OpenAir St.Gallen, Christof Huber, über die Wandlungen des St.Galler Festivals, die Freuden und Schattenseiten seines Jobs und die schlimmsten Stunden als Programmverantwortlicher.
Christof Huber: Gar keine mehr.
Huber: Heute ziehe ich meine guten Wanderschuhe an. Aber so oft habe ich die in den vergangenen Jahren gar nicht gebraucht. Ich weiss mittlerweile, welche Wege ich im Sittertobel nehmen muss, damit ich nicht mit dem berühmt-berüchtigten Schlamm in Berührung komme.
Huber: Auf jeden Fall. Mein Ziel ist es, von jeder Band, die ich gebucht habe, mindestens ein Lied live am Festival zu hören – und zwar nicht vom Backstage-Bereich aus, sondern als normaler Zuschauer vor der Bühne. Das ist mir enorm wichtig.
Huber: Ich will herausspüren, ob meine Entscheidung, gerade diese Band zu buchen, richtig war.
Huber: Natürlich, das war 1988. Seither habe ich das Festival nur ein einziges Mal verpasst, weil ich im Ausland war. Beim ersten Besuch war ich 17. Meine Mutter hatte es mir endlich erlaubt, obwohl sie schon etwas Angst hatte wegen des «schlechten Rufs». Das waren legendäre Zeiten.
Huber: Für mich persönlich legendär, meine ich. Die ersten paar Male an ein OpenAir zu gehen, ist für einen jungen Menschen doch etwas ganz Besonderes: Ein Wochenende lang von zu Hause weg sein, die absolute Freiheit geniessen, mit den Kollegen Blödsinn machen, Live-Konzerte und Wetterkapriolen erleben.
Huber: Die Intensität des Erlebten. Bei anderen Festivals geht man vielleicht eher abends wieder nach Hause. In St. Gallen kann man mittlerweile vier volle Tage verbringen, um erst am Sonntagabend schmutzig, aber glücklich nach Hause zu kommen.
Huber: Genau (lacht). Obwohl – in meiner Jugendzeit ist es schon noch ein bisschen wilder zu und her gegangen.
Huber: Es ist anders. Die heutige Gesellschaft legt viel mehr Wert auf die Sicherheit, Service und Kommunikationsmöglichkeiten auf dem Gelände. Während man früher das halbe Festival lang auf der Suche nach seinen Kollegen war, genügt heute ein SMS. Während es früher im Sittertobel nicht einmal Bier zu kaufen gab, hat man heute eine unglaubliche Auswahl an Verpflegung. Es gibt einen Bancomat, eine Dusche ...
Huber: So würde ich es nicht formulieren. Aber es gibt schon viel mehr Annehmlichkeiten. Während die langjährigen Besucher vielleicht den guten alten Zeiten nachtrauern, ist ein gewisser Standard für die Jungen normal.
Huber: Ich finde es positiv, dass es mittlerweile gewisse Serviceleistungen auf dem Gelände gibt. Auch ein Traditions-OpenAir wie unseres muss schliesslich mit der Zeit gehen. Einen Ruf als verstaubtes Hippie-Festival können wir uns nicht leisten.
Huber: Zwischen 16 und 26.
Huber: Nein, nicht nur. Wer sieht, wie viele Junge jeweils vor der Bühne stehen und die Musik geniessen – egal, ob am Vormittag oder nachts um drei –, der erkennt, dass Musik nach wie vor unser grosses Kernthema ist.
Huber: Nein. Ich kenne Leute aus dem europäischen Festival-Business, die 60 Jahre alt und älter sind. Diese Leute haben Pionierleistungen erbracht. Das OpenAir St. Gallen ist heute genau noch «mein» Festival wie vor 20 Jahren.
Huber: Ich glaube nicht, dass ich programmtechnisch veraltet bin. An unserem letztjährigen Programm wurde sogar kritisiert, dass es zu progressiv sei.
Huber: Ich möchte keine Prognosen machen, wie die zukünftige Ausrichtung sein wird.
Huber: Wie gesagt, ich möchte keine Prognose abgeben. Was ich definitiv ausschliessen kann, sind Casting-Bands, wie sie in Sendungen wie «Deutschland sucht den Superstar» gekürt werden. Das wäre nicht unser Stil. Das OpenAir St. Gallen soll für echte und qualitativ gute Livemusik stehen.
Huber: Nein. Wenn das Festival eine stetige Last für mich wäre, müsste ich sofort aufhören. Klar gibt es in meinem Job auch Schattenseiten – zum Beispiel, wenn wir von der Presse oder den Besuchern eins aufs Dach bekommen, weil wir aus gewissen Entscheidungsprozessen neue Regeln auf dem Gelände aufgestellt haben.
Huber: Was ist schon ein Traumjob? Klar brauche ich manchmal eine dicke Haut. Die ersten sechs Monate des Jahres – also die Zeit vor dem OpenAir – sind immer sehr stressig und mit Druck verbunden. Da kann es vorkommen, dass ich eine schlaflose Nacht verbringe. Aber mir liegt das OpenAir dermassen am Herzen, dass ich die Nachteile schnell vergesse.
Huber: Wenn ich zum Schluss vor Ort sehe, wie das Konzept aufgeht und wie begeistert die Besucher sind. Das gibt mir sehr viel Kraft.
Huber: Das war 1997. Ich war damals Programmverantwortlicher. Das Festival war ausverkauft und das Musikprogramm hochkarätig. Neil Young hat dann leider abgesagt – und am selben Abend auch noch die Band Midnight Oil. Um das Fass zum Überlaufen zu bringen, hat die Ersatzband für Neil Young auch noch abgesagt. Damit aber noch nicht genug: Als das OpenAir schon in vollem Gange war, gab es am Londoner Flughafen ein Problem mit dem Gepäck, wodurch mehrere Bands mit Verspätung in St. Gallen ankamen. Es war das pure Chaos.
Huber: Wir sind hinter die Bühne gerannt und haben die Bands, die schon dort waren, angefleht: Spielt, so lange ihr könnt. Und Bands, die eigentlich viel später dran gewesen wären, mussten früher auf die Bühne. Ach ja, und das Wetter war auch noch katastrophal. Das war echt ein bitteres Jahr, weil wir durch die vielen Absagen und Verschiebungen an Glaubwürdigkeit verloren haben.
Huber: Ja. Ich will nicht mehr gleich alle Bands verklagen, die absagen (lacht). Das würde auch nichts bringen, weil wir, ehrlich gesagt, am kürzeren Hebel sitzen.
Huber: Sich auf dem Laufenden zu halten, ist das A und O. Das fällt mir relativ leicht, weil ich auch Geschäftsführer des europäischen Festivalverbands Yourope bin.
Huber: Die Tendenz zu kleineren Nischen-Festivals mit einer ganz spezifischen Ausrichtung. Ein Beispiel ist das SummerDays Festival in Arbon, das auch unsere Firma organisiert. Dieses Festival ist auf ein älteres Publikum und Familien ausgerichtet – sozusagen auf OpenAir-Rückkehrer. Diese Gäste trinken dann vielleicht lieber ein Glas Wein statt ein Bier aus dem Becher.
Huber: Die Musik, die am Open Air gespielt wird, repräsentiert meinen Geschmack recht gut. Ich höre aber gerne viele verschiedene Stilrichtungen.
Huber: Sagen wir es so: Wir hatten schon Bands im Programm, die ich kein zweitesmal mehr nach St. Gallen holen würde und die ich nicht unbedingt als Referenz auflisten würde.
Interview: Valeska Beck