ST.GALLEN. Früher Wein, heute Wasser im Rucksack: Der 50jährige Fabio Schlüchter war von Anfang an dabei. Dieses Jahr ist er zum 35. Mal am OpenAir.
Mit einem breiten Lachen auf dem Gesicht lässt er die letzte Abschrankung hinter sich. Vor ihm erstreckt sich die Zeltlandschaft des Sittertobels. Einige Regentropfen fallen. «Schön, wieder hier zu sein», sagt Fabio Schlüchter. Der St.Galler war von Anfang an dabei, 35mal seit 1977. Nur einmal fehlte er, weil es regnete.
Eine Flasche Wein, fünf Toscani-Zigarren, eine Salami und ein Brot trug er damals ins Tobel. Sowie das Zelt. Schlüchter geht über das Gelände. Bald klebt der erste Schlamm an seinen Turnschuhen. Es riecht nach Wurst, Pizza, Raclette. «Damals hat jede Gruppe ihren Grill mitgebracht und Holz gesammelt. Heute gibt es so viele Verpflegungsstände, fast wie am St.Galler Fest.»
Schlüchter war 16jährig, spielte Bass in der Kanti-Rockband Grappa Connection und fand das OpenAir «wahnsinnig spannend; so viele Leute und diese Atmosphäre.» Schlüchter strahlt. Und erinnert sich an das Konzert der Band Krokus. «Grossartig. Ein Kollege und ich haben es bis hinter die Bühne geschafft und ein paar Stücke mitgehört. Bis uns ein Securitas-Mann wegwies.» Auch an die Crusaders erinnert sich der Anwalt genau. 1982 war das. «Glasklarer Sound, extrem dynamisch.» Kürzlich habe er wieder ein Konzert der Band besucht. «Sie sind halt schon älter geworden.» Auch unter Schlüchters Dächlikappe verstecken sich ein paar graue Haare. Als besondere Highlights nennt er auch Jovanotti, Kaiser Chiefs und Snow Patrol.
«Lambada» tönt es aus der Latino Bar. Schlüchter wippt mit dem Fuss. Hippie-Kleider und Jeans hätten früher dominiert. Einen VIP-Bereich gab es nicht. «Heute ist das Publikum bunter, junge Frauen stöckeln mit Absätzen übers Gelände.» Die Dauerberieselung der Disco-Zelte findet er unnötig. «Früher war es in der Nacht ruhig, einzelne spielten vor dem Zelt Gitarre.» Aber das «Feeling» sei über all die Jahre gleich geblieben, der Sound immer besser geworden. «Und ich trinke weniger.» Die friedliche Stimmung, die Begegnungen seien es, die das OpenAir zu einem Fixpunkt in der Agenda machten. Jahr für Jahr. Auch ohne Zelt habe er einen festen Platz im Tobel: zehn Meter links vom Mischpult. «Dort steh ich immer.» Dieses Jahr besonders gern, wenn Mumford & Sons und Gossip spielen.
Applaus. Auf der Leinwand ein Fussballrasen, Italien spielt gegen Deutschland. «Super, dieser Service», sagt Schlüchter. Einen Fernseher auf dem Gelände hätten sich früher nur Stars wie der Sänger von Simply Red wünschen können. «Zum Glück muss ich mich nicht zwischen OpenAir und Fussball entscheiden.» Schlüchter schultert den Rucksack. Heute stecken eine Flasche Wasser, zwei Zigarren, ein Sackmesser und der Regenschutz für seine Kinder darin. Die Begeisterung hat er an sie weitergegeben. Janina Gehrig