«Liebes Leben, wir müssen reden» – die Kolumne von Social-Media-Redaktorin Maria Brehmer zu Fragen rund um alles, was das (Liebes-)Leben schöner macht. Oder auch schwieriger. Heute: Wenn perfekt die kleine Schwester von pedantisch ist.
Ob Sie schon seit Jahren mit jemandem zusammen sind, erst seit kurzem eine neue Beziehung führen oder sich als Single durchs Leben schlagen: Sie kennen sie mit Sicherheit, die von überwältigender gegenseitiger Toleranz geprägten ersten Monate einer neuen Liebe. Jede noch so belanglose Aktion des andern ist «jö», von der offengelassenen Zahnpastatube bis zum nassen Handtuch, das der Liebste nach dem Duschen zwischen Bade- und Schlafzimmer achtlos auf den Boden wirft.
Weil ein nasses Handtuch auf so nebensächliche Weise von der (zumindest temporären) Anwesenheit eines weiteren Menschen in den eigenen vier Wänden zeugt. Denn dieses Handtuch sagt: Da war jemand, da ist jemand – und er (oder sie) hat bei mir geduscht!
In jungen Beziehungen ist alles supertoll, wunderschön und unglaublich harmonisch. Bis zum Tag des liegengelassenen Handtuchs. Dem Tag des «bösen» liegengelassenen Handtuchs. Er kommt nicht in den ersten Wochen, auch nicht in den ersten Monaten. Er kommt schleichend bis urplötzlich, irgendwann, später. Dann, wenn dieser Mensch auch den Geschirrspüler nicht mehr richtig einräumt (die Gläser gehören ins obere Fach!) und eine offene Zahnpastatube zum Streitobjekt wird. Dann, wenn aus «jö» «bäh» wird. Und weil er vielleicht auch in meinem Leben irgendwann wieder kommen könnte, der Tag des bösen Handtuchs, sich langsam in meinem Beziehungsalltag einnisten und Harmonie und Wohlwollen aufs Härteste auf die Probe stellen will, möchte ich ihm vorbeugen. Ihn ausbooten.
Auf die Gefahr hin, mir Häme aus den eigenen Reihen einzufangen: Ich kenne mehr Frauen als Männer, die sich in Beziehungen an kleinen Dingen stören. An kleinen Haushaltsdingen. Ich zähle mich dazu. Denn nasse Handtücher hänge ich auf, Zahnpastatuben schraube ich zu. So macht man das. Um nicht schusselig dazustehen, nicht schlampig rüberzukommen.
Kennen Sie das Kinderbuch «Struwwelliese», das weibliche Pendant zum «Struwwelpeter»? In der Geschichte geht die kleine Liese ungekämmt und mit Löchern in den Strümpfchen durchs Leben und alles läuft schief, was nur schieflaufen kann – bis sie ordentlich wird, sich benimmt und plötzlich everybody’s darling ist. Ich las das Buch als kleines Mädchen. Noch heute wird es gut verkauft.
Ich wage zu behaupten: Wir Frauen fühlen uns noch immer auf verklärte Art für den Haushalt verantwortlich. Weil uns das, ob bewusst oder unbewusst, so mitgegeben wurde – gerade diese Woche hat ein neues Buch von Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm die Diskussion neu befeuert.
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Ich verlasse nie meine Wohnung, ohne vorher aufzuräumen. Dreckiges Geschirr wird gleich abgewaschen, Flecken auf dem Boden sind ein No go. Perfektionistisch ist das nicht. Sondern pedantisch. Zu glauben, dass wenn ich alle formalen Anforderungen erfülle, erst dann ein «gut gemacht» verdiene, ist ziemlich verschroben. Denn letztlich muss ich mich – zumindest in meiner Wohnung – vor niemandem rechtfertigen.
Wenn ich dieses Streben nach Perfektion auch von anderen erwarte, ist das doppelt schlimm. Und spätestens ab dem Tag des bösen Handtuchs tue ich das. Wir leben in einer Zeit, in der man Verantwortungen zwischen den Partnern – zum Glück! – gerne teilt, auch die Verantwortung für den Haushalt. Dann fordern wir dieselben Standards auch von unseren Liebsten. Die sie selten erfüllen können. Oder nicht erfüllen wollen.
Was also werde ich tun, wenn das Handtuch liegenbleibt? Von meinem Partner lernen, dass nicht perfekt sein ziemlich okay ist. Und es nach spätestens zehn Minuten dann wohl doch einfach selber aufhängen.