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Region (LiZ)
Zürich
Die Stadt Zürich ist in den letzten 15 Jahren familienfreundlicher geworden. Stark wachsende Schülerzahlen sind eine Folge davon. Eine enorme Herausforderung für die Schulraumplanung.
Die Schülerzahlen wachsen im ganzen Kanton, besonders stark in der Stadt Zürich: Von derzeit 31'000 auf 37'700 Schülerinnen und Schüler in acht Jahren. Das entspricht einer Zunahme von 21,4 Prozent, wie Marcel Handler sagt. Er ist Bereichsleiter Infrastruktur beim Stadtzürcher Schulamt und damit verantwortlich für die Schulraumplanung.
«Die erwartete Zunahme ist sehr gross», interpretiert Handler die Prognose. Das Wachstum startet auf einem hohen Niveau, weil die Schülerzahlen auch in den letzten sechs Jahren stark stiegen. «Wir stehen vor einer enormen Herausforderung», sagt Handler, der mit seinem Team kürzlich den jährlichen Bericht zur Schulraumplanung auf den neuesten Stand gebracht hat. Die steigenden Schülerzahlen sind eine Folge des Bevölkerungswachstums. Speziell ist aber, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen überproportional steigt. Gemäss Bevölkerungsszenarien wächst langfristig die Altersklasse der 10- bis 19-Jährigen in der Stadt Zürich am stärksten: um 58 Prozent bis 2035.
Auch die kantonale Bildungsdirektion berechnet jedes Jahr die zukünftigen Schülerzahlen im Kanton Zürich, aufgeschlüsselt nach Bezirken und Schulstufen. Der Zeithorizont reicht bis 2033.
Von 2017 bis 2033 steigen die Schülerzahlen aller Stufen im ganzen Kanton (ohne Sonderschulen und Gymnasien) von 144'222 auf 169'362. Das entspricht einer Zunahme von 17 Prozent. Im Kindergarten beträgt die Zunahme 7 Prozent, in der Primarstufe 18 und in der Sekundarstufe 17 Prozent.
Mit 31 Prozent liegt der Bezirk Dietikon an der Spitze (alle Stufen), gefolgt von der Stadt Zürich mit 23 Prozent. Übrige Bezirke: Bülach 19 Prozent, Uster und Winterthur je 17, Dielsdorf 15, Horgen 14, Hinwil 13, Affoltern 10, Meilen und Pfäffikon je 9 und Andelfingen 8 Prozent.
Von 2017 bis 2033 steigt die Zahl der Mittelschüler im Kanton Zürich von 16 792 auf 21 200. (Alle öffentlichen Mittelschulen inklusive Handels- und Informatikmittelschule sowie kantonale Maturitätsschule für Erwachsene.) Die Zunahme beträgt 26 Prozent. Am Stärksten ist der Zuwachs in der Planungsregion Limmattal mit 41 Prozent, gefolgt von der Stadt Zürich mit 35 Prozent. Die Werte der übrigen Planungsregionen: Glattal 33, Zimmerberg 28, Winterthur und Knonaueramt je 26, Furttal 21, Unterland und Oberland je 19, Pfannenstil 11 und Weinland 9 Prozent. (tsc)
Wie präzis sind die städtischen Vorhersagen? «Die Prognosemethodik wird seit vielen Jahren zuverlässig angewendet und laufend weiterentwickelt», sagt Handler. Man gehe bei der Berechnung sehr ins Detail und ziehe wichtige Faktoren wie Wohnbautätigkeit, Zu- und Wegzugsraten sowie Privatschulanteil mit ein. Zentral ist die Geburtenrate, die in den letzten 20 Jahren stark gestiegen ist. Bei der Wohnbautätigkeit wird jedes Stadtquartier einzeln beobachtet. So lässt sich vorhersagen, dass in den nächsten acht Jahren auf Stadtgebiet 22'000 neue Wohnungen entstehen. Mit den Schülerzahlen wächst der Bedarf an Schulräumen. Das prognostizierte Wachstum entspricht 324 zusätzlichen Klassen. Die Stadt betreibt derzeit rund 125 Schulanlagen mit einer Geschossfläche von rund 900'000 Quadratmetern. In den nächsten 15 bis 20 Jahren sind laut Handler 36 Neu- und Erweiterungsbauten nötig: 10 Schulhausneubauten, 18 Schulhauserweiterungen, 6 Ersatzneubauten und 2 Umnutzungen.
Was das alles kostet, lasse sich nicht präzis beziffern, sagt Marc Huber, Sprecher des städtischen Immobilienamtes. Pro Jahr stehen dem Amt 80 Millionen Franken für Neubauten zur Verfügung, die für das Funktionieren der Stadt notwendig sind. Darunter fallen nebst Schulen auch Alterszentren, Polizei- und Verwaltungsgebäude oder Werkhöfe – nicht aber Wohnliegenschaften. «Der mit Abstand grösste Anteil der jährlich 80 Millionen fliesst ins Schulportfolio», sagt Huber. Die Kosten für Schulhausneubauten variieren stark – je nach Grösse und Standort meist zwischen 30 und 60 Millionen Franken. Die zehn bis 2027 geplanten neuen Schulhäuser verursachen also einen Finanzbedarf in der Grössenordnung von einer halben Milliarde Franken. Dazu kommen die nicht geringen Unterhaltskosten der bereits bestehenden Schulanlagen, die mit jedem neuen Schulhaus zunehmen.
Für die Schulraumplaner besteht die Herausforderung darin, geeignete Areale für Neubauten zu finden. «Wir können nicht irgendwo bauen, sondern müssen dort Schulraum bereitstellen, wo die Kinder wohnen», sagt Handler. Sie sollen einen möglichst kurzen Schulweg haben. Das gilt vor allem für die Kindergärten. Je höher die Schulstufe, desto länger dürfen die Wege sein. Der geplante Ausbau der Betreuung und die Einführung der Tagesschulen verstärkt den Bedarf nach Schulraum zusätzlich.
Selbst dort, wo die Stadt eigenes Land oder eigene Gebäude hat, stehen andere städtische Nutzungen wie Wohnbauten in Konkurrenz zu Schulhäusern. Die Schulraumplaner müssen rechtzeitig Standorte für neue Schulbauten sichern. «Die Kunst besteht darin, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein», sagt Handler. In den letzten Jahren hat die Stadt vielenorts mit Schulpavillons aus Holz zusätzlichen Raum auf bestehenden Schularealen geschaffen. Das wird sie laut Handler auch in Zukunft tun müssen. Allerdings ist der verfügbare Platz oft bereits belegt.
Das Schülerwachstum verteilt sich unterschiedlich auf die sieben städtischen Schulkreise. Am grössten ist die Zunahme mit 31 Prozent im Schulkreis Letzi, der die Gebiete Albisrieden und Altstetten umfasst. Weil dort auch der Wohnungsbau floriert, hat die Stadt die grosse Schulanlage Freilager geplant, die 2023 in Betrieb gehen soll. Am wenigsten wachsen die Schülerzahlen im Schulkreis Zürichberg: 10 Prozent. «Vor zehn Jahren hätte man dies noch als starkes Wachstum eingestuft», relativiert Handler. Am Zürichberg wird eher wenig gebaut, dafür hat die Anzahl der Geburten dort stark zugenommen.
Dort zeigt sich für Handler exemplarisch, was für die ganze Stadt gilt: Zürich ist für Familien seit vielen Jahren wieder attraktiv. «Die Familien ziehen weniger oft weg, wenn sie Nachwuchs erwarten.» Das belegen die sinkenden Wegzugsraten in den Quartieren. Die Trendwende lässt sich auf etwa 2005 datieren. Zuvor zogen Familien mit Kindern gerne aufs Land.