Die Chemie zwischen Michael Wernli und David Bircher hat einfach gestimmt, als sie 2018 die Band Kasbek gründeten. Die Zürcher veröffentlichen im Mai ihr zweites Album. Im Gespräch erzählen die beiden von ihren Anfängen, ihrer musikalischen Entwicklung und der besonderen Verbindung zum Kaukasus.
Mitte Februar veröffentlichte das Zürcher Singer-Songwriter-Duo Kasbek seine neue Single «Schimmer». Zusammen mit den beiden Songs «Numenowiis» und «Sternebutzer» bietet es einen Vorgeschmack auf das Album «Immer no Nacht», das Anfang Mai erscheinen wird. Als die beiden Mitglieder Michael Wernli und David Bircher kurz vor Freitagmittag das Telefon abnehmen, ist die Stimmung gelassen. Eine Release-Party habe es keine gegeben, sagt Wernli und fügt lachend hinzu: «Dafür aber ein Release-Frühstück.»
«Schimmer» ist einer von elf Songs auf dem neuen Album. Insgesamt kommt «Immer no Nacht» poppiger und elektrischer daher als das erste Album «Fernwärmi», das 2020 erschienen ist. Groovige Gitarren-Soli und farbige Synthesizer-Klänge verschaffen manchen Songs eine soulig-jazzige Note. Darüber sind eingängige Melodien gelegt, die durchaus Ohrwurm-Potenzial haben. Die Texte sind nachdenklich, aber oft heiter und mit einer Prise Schalk versetzt. Ein Beispiel aus dem Song «Schimmer»:
«Wart aber erwart nid z vill
Und wenn erwart
S Unerwartete
Das wartet sowiso
Wart aber erwart nid z vill
Und wenn erwart
S Unerwartete
Das chunnt sowiso.»
Im Vergleich zum vorherigen Album seien die Songs etwas hypothetischer, erklärt Pianist und Sänger David Bircher. «Es wird inhaltlich ein bisschen mehr angedacht statt ausgesprochen.»
Komponiert hat die neuen Lieder mitsamt den Texten der Gitarrist und Sänger Michael Wernli. Bircher agierte als Feedback-Geber, der die Songs weiter verfeinerte. Ausserdem arrangierten die Beiden die Songs zusammen. Diese Aufgabenteilung funktioniere wunderbar, sagen die beiden Musiker. «Der Michael-Wernli-Sound, den wir haben, macht Kasbek aus», erklärt Bircher. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass er später einmal eigene Kompositionen miteinbringen werde.
Auf den ersten Blick verbindet die beiden Musiker nicht sonderlich viel. Wernli ist 53-jährig und hat das Lehrerseminar (heute: Pädagogische Hochschule) absolviert. Bircher wiederum ist 24 Jahre alt, hat klassische Komposition an der Zürcher Hochschule der Künste studiert und befindet sich nun im Dramaturgie-Studium. Zwei Welten, zwei Generationen Unterschied. Doch es gibt durchaus Gemeinsamkeiten. Die offensichtlichste ist die Musik.
Wernli hatte mit zehn Jahren angefangen, Cello zu spielen und sich später an weiteren Instrumenten autodidaktisch weitergebildet. Schon als Teenager schrieb er eigene Songs. 2009 veröffentlichte er mit «Roserot» ein Soloalbum mit eigenen Kompositionen. Die vergangenen 25 Jahre arbeitete Wernli hauptsächlich als Bühnenmusiker in der freien Theaterszene. Die Musik wurde zum Beruf. Vom Lehrersein hat er sich allerdings nicht komplett verabschiedet: Er arbeitet nebenbei noch als Musiklehrer.
Bircher wiederum hat als Fünfjähriger mit dem Klavierspielen begonnen. Er spielte in verschiedenen Bands und studierte klassische Komposition. Er komme aus einer klassischen Welt, sagt Bircher, «Jazz- und Popmusik hat mir aber schon immer mehr Spass gemacht». Die musikalische Offenheit Birchers ist unverkennbar: Bei den Songs auf dem neuen Album spielt er gerne und oft mit Synthesizern – einem elektrischen Instrument, das den Puritanern unter den klassischen Pianisten widerstreben dürfte.
Wernli und Bircher lernten sich bei einem Theaterprojekt der Kantonsschule Rämibühl kennen. Wernli hatte dort die musikalische Leitung inne, Bircher spielte Klavier. Die Idee für die Band kam allerdings erst ein Jahr später. «Meine Idee war es, aufbauend auf Songs von mir zusammen mit David eine Band zu gründen», sagt Wernli und erklärt weiter:
«Ich fand das Duo schon immer eine extrem lässige Konstellation.»
Bircher bezeichnet ihre Band als «Zwei-Generationen-Projekt». Wobei sie ihren Altersunterschied zu ihrem Vorteil nutzen konnten. «Wir sind in einer anderen Zeit aufgewachsen, aber stilistisch verbindet uns viel», sagt Bircher. Man habe trotz der unterschiedlichen musikalischen Erfahrungen eine Sprache gefunden, die in sich funktioniere. «Das Ziel ist es, diese in unseren Songs abzubilden.»
Offiziell ist die Band vier Jahre alt. «2018 haben David Bircher (Tasten, Gesang) und Michael Wernli (Gesang, Gitarre) das kaukasische Gebirge bestiegen und versuchten erste akustische Wellen in die Welt hinauszusenden. Die Wetterlage war überraschend gut und ihre Tüfteleien landeten auf direktem Weg im schweizerdeutschen Sprachraum», heisst es auf ihrer Website. Dabei haben die beiden um der Poesie willen etwas geflunkert, wie Wernli gesteht. Er habe den Kaukasus allerdings tatsächlich bestiegen. So entstand auch der Bandname: Kasbek ist ein Berg im dortigen Gebirge.
Bircher und Wernli wohnen beide in Zürich Albisrieden unweit voneinander entfernt. Geprobt und aufgenommen wird in Wernlis Wohnung, der dort auch noch ein Tonstudio eingerichtet hat. Die Zürcher haben die Coronapandemie damit verbracht, ihr neues Album aufzunehmen. Dabei hätten sie ein wenig Angst gehabt, nun komplett zu Studiomusikern zu werden, sagt Bircher und ergänzt:
«Aber so schön diese Zeit war, wir haben nun schon auch wieder Lust, nach draussen zu gehen und den Leuten zu zeigen, was wir alles erarbeitet haben.»
Dieser Wunsch dürfte dank der gelockerten Coronamassnahmen schon bald in Erfüllung gehen. Anfang Mai soll das neue Album «Immer no Nacht» erscheinen. Wernli und Bircher hoffen auf mehr Livekonzerte in diesem Jahr und auch eine Release-Party für das neue Album – anstatt nur ein Release-Frühstück.
Weitere Informationen auf ihrer Website: www.kasbek.ch