Kantonsrat
SVP wehrt sich gegen Einschränkung der Personenfreizügigkeit für Prostituierte

Wegen Corona: Der Kanton Zürich schränkt die Personenfreizügigkeit für Prostituierte ein. Die SVP wehrt sich dagegen - und gibt im Kantonsrat einen Herrenwitz zum besten.

Matthias Scharrer
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Im Zürcher Sexgewerbe gibt es wegen Corona mehr Kontrollen – auch die Zuwanderung wird eingeschränkt.

Im Zürcher Sexgewerbe gibt es wegen Corona mehr Kontrollen – auch die Zuwanderung wird eingeschränkt.

Sandra Ardizzone

Es ist ungewöhnlich, wenn ein SVP-Kantonsrat für die Personenfreizügigkeit kämpft – und einer GLP-Kantonsrätin erklären will, was für Sexualpraktiken unter Einhaltung der Corona-Schutzmassnahmen möglich sind. So geschehen am Montag im Zürcher Kantonsrat. Doch der Reihe nach.

Ausgangspunkt war ein Coronafall im Zürcher Rotlichtmilieu Ende August. Er führte dazu, dass im Etablissement an der Langstrasse oberhalb der Lugano-Bar 50 Prostituierte in Quarantäne mussten. Es stellte sich heraus, dass die Frauen auf engstem Raum in überteuerten Zimmern zusammenwohnen. Auch das Contact-Tracing gestaltete sich schwierig. Kantonsrätin Andrea Gisler (GLP, Gossau) wollte daraufhin wissen, wie der Regierungsrat die Corona-Situation im Sexgewerbe in den Griff zu bekommen gedenke. Die Antworten gab gestern Sicherheitsdirektor Mario Fehr (SP) bekannt.

Zum einen gibt es laut Fehr vermehrt Polizeikontrollen; auch müssen Prostituierte die Kontaktdaten von Freiern genau erfassen und deren Handynummern überprüfen. Ab 1. Oktober herrscht Ausweispflicht für Freier. Etablissements, die sich nicht an die Vorgaben halten, droht die Schliessung.

Zum anderen schränkt der Kanton Zürich die Personenfreizügigkeit ein. So heisst es in dem von Fehr verlesenen Regierungsratsbeschluss: «Das Migrationsamt erteilt EU-/Efta-Angehörigen neu aus Gründen der öffentlichen Gesundheit keine Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung für die Ausübung der Prostitution.»

Der Kanton stütze sich dabei auf eine Klausel aus dem Freizügigkeitsabkommen, die Einschränkungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zulasse. Betroffen sind Aufenthalte von mehr als 90 Tagen. Angehörigen von Drittstaaten erhalten grundsätzlich keine arbeitsmarktlichen Bewilligungen für die Ausübung der Prostitution, heisst es weiter in dem Regierungsschreiben.

Milieuanwalt Landmann plant rechtliche Schritte

Valentin Landmann (SVP, Zürich) kritisierte die Einschränkung der Personenfreizügigkeit, die das Migrationsamt seit einer Woche umsetze: «Wir haben das Abkommen mit der EU. Daran hat die Schweiz sich zu halten.» Die Massnahmen des Kantons beträfen zudem Frauen, die im legalen Bereich der Prostitution arbeiten. Von dort sei bisher keinen einziger Coronafall bekannt geworden. Beim Quarantänefall an der Langstrasse handle es sich nicht um einen legalen Sexklub; zudem seien dort Afrikanerinnen betroffen gewesen. Die vom Kanton verfügten Einschränkungen träfen also die Falschen, nach dem Motto: «Die Legalen können wir kaputt machen, die Illegalen sind uns egal.» Milieuanwalt Landmann kündigte an, er werde rechtlich dagegen vorgehen.

An GLP-Kantonsrätin Gisler gerichtet, die auch nach möglichen Schliessungen von Sex-Etablissements gefragt hatte, meinte er: «Es gibt Praktiken, bei denen man nicht aufeinander liegt und Köpfchen an Köpchen reibt.» Corona-Schutzkonzepte liessen sich im Sexgewerbe einhalten. Bei Bedarf erkläre er Gisler gerne, wie dies gehe.

Kantonsratspräsident soll Herrenwitze unterbinden

Gisler zeigte sich erstaunt darüber, dass Landmann sich für die Zuwanderung von Prostituierten aus dem Ausland einsetze. Zumal seine Partei eben noch für die Begrenzungsinitiative eingestanden sei. Auch SP-Regierungsrat Mario Fehr fand das Eintreten des SVP-Kantonsrats für eine «hemmungslose Zuwanderung» bemerkenswert.

Was Landmanns Angebot für Nachhilfe über Sexualpraktiken betreffe, meinte Gisler, es sei bezeichnend, dass die rechte Ratsseite über solche Herrenwitze lache. Die GLP-Kantonsrätin verlangte vom Kantonsratspräsidenten Roman Schmid (SVP, Opfikon), derartige Bemerkungen künftig zu unterbinden – was dieser zu tun versprach.