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Knapp 60 Jahre hat das sogenannte Globus-Provisorium mittlerweile auf dem Buckel – ziemlich viel für ein Provisorium. An Ideen für eine Neunutzung dieses städtebaulichen Filetstücks an der Limmat nahe beim Hauptbahnhof Zürich mangelte es nicht. Bislang gingen sie jedoch alle bachab.
Doch jetzt wird vor und hinter den Kulissen um eine neue Lösung gerungen. Hintergrund: Der Vertrag mit Coop, dem langjährigen Hauptmieter des Gebäudes, läuft 2019 aus. Und der Gemeinderat hat eine Neugestaltung des Areals verlangt, worauf der Stadtrat im Februar seine Pläne vorstellte.
Vor der Kulisse des Globus-Provisoriums präsentierten gestern die Jungsozialisten (Juso) Stadt Zürich nun ihre Ideen: Sie fordern anstelle des 1960 gebauten Warenhauses einen flachen Holzbau mit Innenhof und Dachterrasse, der als selbstverwaltetes Jugendzentrum dienen soll.
Pläne dafür hat Juso-Vorstandsmitglied Sario Haladjian, von Beruf Raumplaner, bereits am Computer visualisiert. Der Bau würde ergänzt durch eine Limmatuferpromenade mit Sitztreppen. Im Inneren des Gebäudes gäbe es drei grosse Säle, Ateliers, Sitzungszimmer und Aufenthaltsräume.
«Wir wollen, dass die Jugend sichtbar im Zentrum sein kann und nicht an den Rand gedrängt wird», erklärte Juso-Co-Präsidentin Lara Can vor der Stellwand beim Coop, an der Haladjians Visualisierungen im frischen Morgenwind flatterten.
Die Juso beriefen sich auf 1968, als die Zürcher Jugend an dieser Stelle schon einmal ein autonomes Jugendzentrum forderte. Zwar hat sich seit damals jugendpolitisch mit der Schaffung von Jugendhäusern und der offenen Jugendarbeit Zürich einiges getan. Doch noch immer fehle ein wirklich selbstverwaltetes Jugendzentrum, so Can. Auch seien Räume, in denen sich Jugendliche abends ohne Konsumzwang aufhalten können, knapp, wie Juso-Vorstandsmitglied Anna Luna Frauchiger anfügte.
Um ihr Anliegen voranzubringen, sind die Juso mit Gemeinderäten der SP, Grünen und AL in Kontakt. «Die SP ist relativ offen», sagte Juso-Co-Präsident Nicola Siegrist.
Womit wir beim Blick hinter die Kulissen wären. Dort behandelt die zuständige Gemeinderatskommission derzeit den Vorschlag des Stadtrats. Dieser will, wie er Anfang Februar bekannt gab, das Globus-Provisorium abreissen und durch einen offenen Platz mit Pavillon ersetzen. Unterirdisch soll es laut Stadtrat weiterhin ein Warenhaus geben, zudem eine Tiefgarage. Doch die Parteien zeigten sich alles andere als begeistert von der stadträtlichen Idee eines offenen Platzes.
Nicht nur die Parteien wollen diesen zentralen Ort anders nutzen: Bald nach Bekanntgabe der stadträtlichen Pläne wandte sich der Bund Schweizer Architekten (BSA) mit einem offenen Brief an den Stadtrat. Er kritisierte die Magistraten dafür, dass sie sich auf die Schaffung eines offenen Platzes festgelegt hatten. Stattdessen gelte es, auch den Erhalt des Globus-Provisoriums «in geeigneter Form» in Betracht zu ziehen.
Die Ideen, die der BSA in seinem Brief formulierte, sind rein architektonisch gar nicht so weit weg von jenen der Juso: «Das Globus-Provisorium könnte zum offenen Pavillon, zu einem gedeckten urbanen Aussenraum mit durchgängigem Weg entlang der Limmat und prominent zugänglicher, spektakulärer Dachterrasse für die Öffentlichkeit entwickelt werden», heisst es im Brief des Architektenbundes an den Stadtrat.
Was daraus wird, bleibt abzuwarten. Nicht ausgeschlossen ist, dass das Globus-Provisorium noch einige Jahre erhalten bleibt – zumal die Denkmalpflegekommission der Stadt Zürich es bereits als schutzwürdig eingestuft hat.
Das Zürcher Papierwerd-Areal verdankt seinen Namen der seit dem Mittelalter bezeugten Nutzung für Papiermühlen. Landesweit bekannt wurde es jedoch als Globus-Provisorium.
1892 wird auf dem Areal, das damals noch eine Insel in der Limmat ist, das erste grosse Warenhaus der Schweiz eröffnet. Seit 1896 trägt es den Namen Globus.
1948 bewilligt das Stadtzürcher Stimmvolk einen Warenhaus-Neubau an gleicher Stelle. Als die Pläne dafür konkreter werden, kippt die Stimmung.
1950 wird das alte Globus-Gebäude abgebrochen. Bereits seit 1943 wurden diverse angrenzende auf die Limmat gebaute Gewerbebauten abgebrochen, auch um Platz für den Strassenbau zu schaffen.
1951 entscheidet das Stimmvolk, dass es bei der «freien Limmat» bleiben soll. Die Stadt kauft das Papierwerd-Areal, darf aber nichts Dauerhaftes mehr darauf bauen.
1960 wird nach Plänen von Karl Egender das Globus-Provisorium gebaut.
1967 zieht Globus in den neuen Hauptsitz an der Bahnhofstrasse.
1968 verhindert eine Volksabstimmung den Abbruch des Provisoriums. Die 68er-Bewegung will es als autonomes Jugendzentrum nutzen. Stattdessen zieht Coop ein. (mts)