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Region (LiZ)
Zürich
Weil er einen fremden Aprikosenbaum etwas gestutzt hatte, musste ein Rentner vor dem Bezirksgericht Dietikon antraben.
«Ich habe nur ein paar Ästli abgeschnitten», erklärte der Beschuldigte. Vorgeworfen wurde ihm, dass er, vom Balkon des ersten Obergeschosses aus, den Spalier-Aprikosenbaum der Eigentümerin der Wohnung im Erdgeschoss auf die Stockwerksgrenze zurückgeschnitten hatte.
Zudem hatte er sich mittels einer Leiter Zugang zum umzäunten Gartenbereich der Wohnung im Erdgeschoss verschafft. Dort hatte er die abgeschnittenen Äste auf einen Haufen geschichtet und dabei auch seinen Autoschlüssel wieder behändigt, der ihm bei der Rückschnitt-Aktion in den Garten hinuntergefallen war.
Die Eigentümerin der Wohnung erstattete Anzeige. Offenbar wollte sich die Staatsanwaltschaft aber vorerst nicht mit der Sache befassen und erliess eine Nichtanhandnahmeverfügung. Auf die Beschwerde der Klägerin hin wurde die Verfügung aufgehoben. Darauf erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Sie beantragte, den Rentner wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 130 Franken zu verurteilen und über die Zivilansprüche der Privatklägerin zu entscheiden. Alles unter Kostenfolge.
Gegenüber Bezirksrichter Benedikt Hoffmann bestätigte der Beschuldigte den Ablauf. «Ich habe zigmal gesagt, dass es sich bei den Ästchen, die ich abgeschnitten habe, um Wassertriebe handelte», sagte er. «Ich habe diesen Baum, gemeinsam mit dem Vorbesitzer der Wohnung der Klägerin, einst selber gepflanzt.» Auf den Einwand der Richters, dass der Beschuldigte in die Substanz der Pflanze eingegriffen habe, meinte dieser: «Wir haben zwei Jahre lang diskutiert. Dann habe ich gehandelt.» Gelegenheit dazu habe sich geboten, nachdem ihm die Mieterin der Wohnung im ersten Stock die Schlüssel ausgehändigt habe, weil sie während ihrer Abwesenheit Möbel geliefert bekam. «Bei dieser Gelegenheit habe ich die Gartenschere behändigt», so der Beschuldigte.
Zum Vorwurf des Hausfriedensbruches sagte er, dass kein richterliches Verbot bestehe, den Garten zu betreten. Das Gartentor sei überdies ohne Zustimmung der Stock- werkeigentümer erstellt worden. Zudem habe er seinen Autoschlüssel wieder holen wollen.
Zum Strafantrag meinte er, dass eine strafbare Handlung seines Erachtens nicht vorliege. Es sei auch kein Sachschaden ersichtlich. Wenn Äste eines Baumes ins obere Stockwerk ragen würden, müsse man das seiner Meinung nach nicht dulden. «Ich stehe mit 79 Jahren erstmals vor einem Richter», stellte er fest. «Ich bin erstaunt, dass man wegen einer solchen Bagatelle einen derartigen Aufwand betreiben kann. Ich schaue dem Verfahren aber relativ gelassen zu. Ich habe vor einer Woche erfahren, dass ich an einer schweren Krankheit leide.»
Das Gericht sprach den Rentner des Hausfriedensbruches schuldig. Vom Vorwurf der Sachbeschädigung wurde er freigesprochen. Das Gericht verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 130 Franken. Zudem muss er der Klägerin deren Anwaltskosten in der Höhe von 7872.15 Franken erstatten und erhebliche Gebühren tragen.
Der Freispruch vom Vorwurf der Sachbeschädigung heisse nicht, dass der Beschuldigte richtig gehandelt habe, sagt Bezirksrichter Hoffmann, nachdem er das Urteil verkündet hatte. Der Beschuldigte habe eigenmächtig gehandelt. Zum Schuldspruch wegen Hausfriedensbruch erklärte der Richter, dass der Beschuldigte um das Sonderrecht am Garten gewusst habe. Ob die Einzäunung rechtens sei, spiele keine Rolle. Ein richterliches Verbot sei nicht nötig. Der Tatbestand des Hausfriedensbruchs sei erfüllt.
Alles in allem handle es sich zwar um Bagatellen, aber auch um heikle rechtliche Fragen. Man könne sich bei dieser nachbarschaftlichen Streitigkeit jedoch fragen, wie weit sie vor den Strafrichter gehöre.