Zürich
«Planet Hope»-Lichtspektakel: Das Bundeshaus verneigt sich

Die Lichtkünstlerin Brigitte Roux aus Kilchberg rückt seit zehn Jahren das Bundeshaus in neues Licht.

Dorothea Uckelmann
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Das Bundeshaus verneigt sich
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Seit zehn Jahren erstrahlt das Bundeshaus in opulenten Farben.
Manchmal stört ein Blumentopf, weiss Lichtkünstlerin Brigitte Roux.

Das Bundeshaus verneigt sich

Manuela Matt, Valerie Chetelat und Franziska Rothenbühler

Wenn die Tage kürzer werden und es früher eindunkelt, erstrahlt das Bundeshaus in Bern in einem ganz besonderen Licht. Dann wird es zur Projektionsfläche für das grosse Lichtspektakel «Rendez-vous Bundesplatz». Zum zehnten Mal erleben die Zuschauerinnen und Zuschauer eine Geschichte auf der Fassade, die ein bestimmtes Thema beleuchtet. Dieses Jahr mit dem Titel «Planet Hope» rund um Nachhaltigkeit.

Die Ideen dazu werden jeweils am Zürichsee entwickelt: von der in Kilchberg lebenden Lichtkünstlerin Brigitte Roux. Zusammen mit ihrem Team von Starlight Events mit Sitz in Kilchberg gestaltet sie während eines Jahres die Geschichte, die dazugehörigen Bilder und sucht die passende Musik. «Wenn ich eine Idee für eine Geschichte habe, dann kommen mir direkt auch die ersten Bilder für die Fassade in den Sinn», sagt Roux.

Für das halbstündige Spektakel arbeitet sie mit Animationskünstlern aus Wien zusammen. Am Ende werden rund 76600 Einzelbilder auf der Rendering-Datenbank zusammengefügt. Ein Pixel auf dem Computer entspricht dabei einem Quadratzentimeter an der Fassade. «Inzwischen kenne ich die Fassade des Bundeshauses wie meine Westentasche», sagt Roux.

Menschen nicht nur aus der Schweiz, sondern aus der ganzen Welt pilgern mittlerweile auf den Bundesplatz, um im Oktober und im November Brigitte Rouxs Lichtinstallation zu sehen. «In Japan wird der Anlass sogar als Geheimtipp in Reisebüros empfohlen», erzählt sie.

Doch bis sich die Kilchbergerin damit einen Namen gemacht hatte, war es ein weiter Weg. «Angefangen hat alles 2006 mit einem Besuch auf Madeira, wo ich in Funchal die schönste Installation einer Weihnachtsbeleuchtung gesehen habe», sagt Roux. «Danach war mir klar, dass ich mit Licht arbeiten möchte.» Kaum wieder zu Hause, gründete sie ihr Unternehmen Starlight Events.

Die erste Idee, die ungeliebte alte Weihnachtsbeleuchtung von Zürich zu kaufen und über der Limmat zu installieren, scheiterte jedoch. Auch die Vision eines leuchtenden Sternenteppichs am Bürkliplatz konnte trotz Interesses der UBS nicht umgesetzt werden. Das Projekt fiel der Finanzkrise zum Opfer.

Alexander Tschäppät war interessiert

«Dann rückte das Bundeshaus in meinen Fokus», sagt Roux. Die strukturreiche Fassade mit den Figuren habe genau die richtige Grösse, und der Bundesplatz sei genug gross für die Zuschauer. Rund um den Platz gibt es fast nur Geschäftsgebäude und Restaurants. Ideale Bedingungen also, um ein Lichtspektakel zu realisieren.

Das Projekt stiess zwar auf offene Ohren beim damaligen Stadtpräsidenten Alexander Tschäppät. Doch dann kam die Absage seitens der Parlamentsdienste des Bundes mit der Begründung, dass die Fassade des Bundeshauses nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden dürfe.

«Zum Glück hatte ich den Anlass als Kulturprojekt geplant», sagt Roux. Als einmalige Sache durfte sie schliesslich 2011 ihre erste Geschichte am Bundeshaus leuchten lassen. Schon nach dem ersten Abend war jedoch klar, dass sie wiederkommen dürfte. Vier Jahre hat sie dafür gekämpft und dabei oft ans Aufgeben gedacht: «Doch das Zitat von Hermann Hesse: ‹Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen›, hat mich durch diese Zeit getragen.»

Sie zieht auch den Banken den Stecker

Pannen gehören natürlich auch dazu. Einmal versagte die Technik, und das Bundeshaus blieb schwarz. Ein anderes Mal bereitete ein neuer Mitarbeiter der Parlamentsdienste Probleme. Er weigerte sich, seine «schönen Geranien» am Ständeratsbalkon für die Show zu entfernen. Erst als Brigitte Roux mit einer Medienberichterstattung drohte, wurde das Demontieren der Geranienkästen organisiert.

Hürden gibt es aber auch heute noch. Dieses Jahr ist es die Coronakrise. Ein Schutzkonzept wurde ausgearbeitet, und statt 10000 Zuschauer dürfen nur noch 900 pro Show auf den Platz. Sie erleben, wie sich das Bundeshaus in eine Arche Noah verwandelt und in spektakulären Bildern einige der siebzehn Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 absegelt. «Eine besondere Herausforderung dabei sind die Szenenübergänge», sagt die Kilchbergerin. Aber auch, dass es alle Besuchergruppen anspricht. «Das Thema darf zum Nachdenken anregen, soll aber nicht verstörend wirken.»

Besonders stolz ist sie, wenn sie den Schlüssel für die öffentliche Beleuchtung rund um den Bundesplatz erhält. Denn für die Show müssen die Lichter rund um den Platz gelöscht werden. «Ich darf sogar den Banken den Stecker ziehen», sagt sie schmunzelnd.

Viel Herzblut steckt in dem Projekt, das aber auch viele Menschen berührt. «Sehr gefreut hat mich, als mir nach einer Show eine Deutsche geschrieben hat», sagt sie. Diese teilte ihr mit, dass sie seit zwanzig Jahren in der Schweiz lebe und sich nach ihrem Besuch des Spektakels auf dem Bundesplatz habe einbürgern lassen. Per Mail schrieb sie an Roux: Wenn die Schweiz es möglich mache, dass so etwas Tolles an die Fassade des Parlamentsgebäudes projiziert werde, dann habe man nur einen Wunsch – diesem Land als Bürgerin anzugehören.

Die Kosten sind hoch

Anfragen hat sie auch schon von Institutionen rund um den Zürichsee erhalten. Doch diese springen meistens wegen der hohen Kosten wieder ab. Roux hat selbst auch Ideen für Installationen am Zürichsee. «Ich würde gern eine Lichtshow auf einem Floss auf dem Zürichsee organisieren und eine Wasserwand anstrahlen», sagt sie. «Aber wer soll das finanzieren?»

Aufmerksam wurde auch eine Delegation aus Berlin auf die Lichtshow am Bundeshaus und wünschte sich diese für den zehnmal grösseren Reichstag. «Als sie erfuhren, dass ich das nicht für den gleichen Preis wie für das Bundeshaus realisieren kann, habe ich nie wieder etwas von der Delegation gehört», sagt Roux mit einem leichten Bedauern. Den Reichstag zu beleuchten, wäre für sie «eine tolle Geschichte».

Der Anlass «Rendez-vous Bundesplatz» könnte nun ebenfalls dem Spardruck zum Opfer fallen. Denn die Stadt Bern möchte ihren Beitrag von 180000 Franken nächstes Jahr nicht mehr leisten. Dabei profitiere die Stadt durch die zahlreichen Besucher in Millionenhöhe davon, glaubt Roux. Und sie hofft: «Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.» Während des Interviews klingelt Rouxs Telefon. «Luzern hat schon Interesse angemeldet», verrät sie. Doch Gedanken darüber, wie es in Zukunft weitergehen könnte, will sie sich erst nach dem diesjährigen «Rendez-vous Bundesplatz» machen.

Am Ende jeder Show verbeugt sich das Bundeshaus vor dem Publikum. «Jedes Jahr ein Stückchen tiefer», sagt Roux und fügt hinzu: «Bis ich es irgendwann nicht mehr mache. Dann steht das Bundeshaus nicht mehr auf.»