Bundesgericht
Obwohl Sohn Bleiberecht hat, muss Mutter die Schweiz verlassen

Das Bundesgericht hat die Beschwerde einer Frau aus der Dominikanischen Republik gegen die Nichtverlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen. Sie war mehrere Jahre von der Sozialhilfe abhängig.

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Migrationsamt des Kantons Zürich.

Migrationsamt des Kantons Zürich.

Keystone

Die Frau war im August 2002 über Italien in die Schweiz gekommen, wo sie mit einem aufenthaltsberechtigten Deutschen eine Beziehung hatte. 2003 kam ein gemeinsamer Sohn zur Welt, der aufgrund der Herkunft seines Vaters auch die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt.

Die Beziehung wurde Ende 2004 aufgelöst, der Knabe lebte bei der Mutter, unterhielt aber eine Beziehung zu seinem Vater. Als deutscher Staatsangehöriger ist er aufgrund des Freizügigkeitsabkommens (FZA) unterdessen in der Schweiz niedergelassen.

Die Mutter bezog seit 2005 Sozialhilfe. Trotz Verwarnungen des Migrationsamts des Kantons Zürich kam sie wirtschaftlich nicht auf die eigenen Beine zu stehen. Das Migrationsamt lehnte deshalb die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung im Juni 2013 ab.

Der Rechtsweg blieb ohne Erfolg, auch wenn die Frau unterdessen einen festen Arbeitsvertrag hat und genug für den Lebensunterhalt verdient. Für das Bundesgericht, das den Fall am Donnerstag an einer öffentlichen Sitzung beraten hat, bleibt dieser Umstand jedoch unbeachtlich, da die Lausanner Richter an den Sachverhalt der Vorinstanz gebunden sind.

Auslegung des Freizügigkeitsamkommens

Uneinigkeit herrschte in der Frage, ob die Mutter aus der Niederlassungsbewilligung ihres Sohnes eine Aufenthaltsberechtigung für sich ableiten kann. Gemäss dem FZA hat der Sohn das Anrecht darauf, in der Schweiz seine Ausbildung abschliessen zu können.

Dieses Recht ist jedoch nur umsetzbar, wenn auch die Eltern im entsprechenden Land leben dürfen. Eine Mehrheit von vier zu einem Richter kam zum Schluss, dass diese Ableitung des Bleiberechts analog zu einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zulässig sei.

Als einziger Richter argumentierte Hans Georg Seiler (SVP) gegen diese parallele Auslegung des EuGH-Urteils. In seinen Ausführungen betonte er, dass die Schweiz aufgrund des FZA anders entscheiden dürfe als der EuGH.

Änderungen oder Erweiterungen des FZA müssten neu verhandelt werden und würden nicht dynamisch, also automatisch, in das Schweizer Recht übernommen. Eine dynamische Auslegung des FZA sei deshalb nicht zulässig.

Zudem müsse beachtet werden, dass sich das Schweizer Volk mit der Annahme der Initiative "Gegen Masseneinwanderung" für eine Steuerung der Zuwanderung ausgesprochen habe. Es sei deshalb bedenklich, wenn auf dem Weg des FZA eine neue Aufenthaltsberechtigung geschaffen werde. (Sitzung 2C_716/2014 vom 26.11.2015)