Zürich
Mit Virtal Reality Unfälle verhindern: Stadt will Velofahrer besser schützen und erntet Kritik

Mit Virtual-Reality-Filmen die Velofahrenden auf Gefahren aufmerksam machen: Damit versucht die Stadt Zürich, die Unfallstatistik zu verbessern. Kritiker halten die Filme für den falschen Ansatz und fordern ein durchgängiges Veloweg-Netz.

Daniel Stehula
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Die Velofahrer sollen durch Virtual-Reality-Filme besser auf Gefahren im städtischen Strassenverkehr aufmerksam gemacht werden. (Symbolbild)

Die Velofahrer sollen durch Virtual-Reality-Filme besser auf Gefahren im städtischen Strassenverkehr aufmerksam gemacht werden. (Symbolbild)

KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Die Stadt Zürich begrüsst es, wenn mehr Menschen auf das Velo umsteigen. Doch sie ist besorgt, weil seit fünf Jahren die Unfälle mit Velofahrern zunehmen. 2016 habe die Stadtpolizei 533 Velounfälle gezählt, sagte Wernher Brucks, Leiter Verkehrssicherheit bei der Stadt Zürich, gestern am ersten Zürcher Tag der Verkehrssicherheit.

Über 200 Strassenverkehr-Fachpersonen aus 20 Kantonen und aus Liechtenstein nahmen an der Tagung im Landesmuseum Zürich teil. Sie liessen sich die neuste Aktion der Stadt Zürich zeigen, welche die Anzahl Unfälle verringern soll.

Prävention mit Youtube-Clips

Gefahrenerkennung sei für Velofahrer wichtig, sagte AL-Stadtrat und Sicherheitsvorstand Richard Wolff einleitend und ergänzte: «Bei zwei Dritteln der Vorfälle hätten Velofahrer die Gelegenheit gehabt, den Unfall zu verhindern.» Deshalb liess die Stadt Zürich sechs Lehrfilme drehen, die auf der Online-Plattform Youtube oder auf der Website der Stadt Zürich abrufbar sind. Bei den Filmen handelt es sich um 360-Grad-Virtual-Reality-Filme. Auf einem Smartphone angeschaut erlauben sie den Blick über die Schulter, um den Verkehr hinter dem Velofahrer zu sehen. Gefilmt wurde aus der Ich-Perspektive.

Durch diese Rahmenbedingungen können die Betrachter stärker in die jeweilige Situation eintauchen – am besten mit einer Halterung, mit der man das Smartphone wie eine Brille anziehen kann. Dadurch erfährt man unmittelbar den Schreck, wenn ein Auto überraschend vor dem Velofahrer abbiegt, sich eine Fahrertüre öffnet, man in den toten Winkel eines Lastwagens gerät, ein Auto rückwärts ausparkiert, ein Fussgänger auf die Strasse tritt oder ein Tram vorbeibraust. Die Filme wurden an aktuellen Unfallschwerpunkten in der Stadt Zürich aufgenommen.

«Wir wollen die erwachsenen Velofahrer damit erreichen», sagte Brucks, aber in den letzten Monaten habe man auch mit überzeugenden Resultaten die Filme im Verkehrsunterricht mit Schulklassen getestet. Dazu trägt einerseits sicherlich die Technik bei. Andererseits sind die Filme kurz, prägnant und pädagogisch aufgebaut: Erst fährt der Velofahrer durch eine brenzlige Situation. Dann fragt eine Stimme, ob der Betrachter die Gefahr bemerkt habe. Beim zweiten Durchgang kommt es um ein Haar zum Unfall und beim dritten Mal gibt die Stimme eine Empfehlung ab, wie man unbeschadet die Situation übersteht.

Besser mehr sichere Velowege

Der Verein «umverkehR» reagierte auf den Tag der Verkehrssicherheit und hielt entgegen: «In zwei Dritteln der Velounfälle mit schweren Personenschäden sind die Kollisionsgegner die Hauptverursacher». Soll heissen: Nicht die Velofahrer sind das Problem. Vielmehr wirft der Verein der Stadt Zürich vor, die Velofahrenden regelmässig zu Sündenböcken zu machen.

Dem Anstieg der Anzahl Velofahrer sollte nach Ansicht des Vereins nicht mit Lehrfilmen begegnet werden, sondern mit einem Ausbau des Veloweg-Netzes. «Dass eine deutliche Erhöhung des Veloverkehrs auf einer ungenügenden Velo-Infrastruktur unweigerlich zu Unfällen führt, erstaunt wenig», heisst es in einer Mitteilung des Vereins vom Mittwoch. Deshalb fordert umverkehR sichere und durchgängige Velorouten für Zürich. Denn heute endeten Velowege dort, wo es gefährlich werde. (sda)