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Region (LiZ)
Zürich
Der ärztlichen Notfalldienst sei ein «Schuss nach hinten». Der Regierungsrat legt dar, wie er im Spitalnotfall Kosten sparen will. Eine zentrale Rolle komme den Leistungserbringern und den Versicherern zu. Der Bericht überzeugt nicht alle.
Samuel Rütschi stürzt am frühen morgen auf seinem Arbeitsweg. Das Trottoir ist vereist. Rütschi hat sich den Ellbogen aufgeschürft, zudem schmerzt sein Handgelenk. Der Mann sucht kurzerhand den Spitalnotfall auf. Dort wird die Wunde desinfiziert und ein Pflaster aufgeklebt. Eine Assistenzärztin tastet das Handgelenk ab. Vermutlich ist nichts gebrochen. Zur Sicherheit wird aber geröngt. Der Schmerz wird innerhalb von ein paar Wochen nachlassen. Die Rechnung für die ambulante Behandlung im Notfall beläuft sich auf deutlich mehr als 300 Franken.
Hätte Rütschi statt das Spital einen Hausarzt oder eine Apotheke aufgesucht oder hätte er sich an den ärztlichen Notfalldienst gewandt, wäre dasselbe herausgekommen, allerdings deutlich günstiger. Rütschi ist zwar ein fiktiver Patient, so oder ähnlich spielen sich im Kanton Zürich aber Dutzende von Fällen ab – täglich.
Der Kantonsrat hat den Regierungsrat deshalb mit einem Postulat zum Handeln aufgefordert. Er solle griffige Massnahmen aufzeigen, mit welchen dem missbräuchlichen Aufsuchen von Notfallstationen entgegengewirkt werden könne.
Der Regierungsrat hat jetzt seinen Bericht veröffentlicht. Er nennt verschiedene Massnahmen, die er bereits umgesetzt oder zumindest geprüft hat:
Der Regierungsrat sieht aber nicht bloss den Staat in der Pflicht. Eine zentrale Rolle komme den Leistungserbringern und den Versicherern zu. So hätten Zürcher Listenspitäler etwa der Spitalinfrastruktur vorgelagerte Notfallpraxen eingerichtet, die von Hausärztinnen und Hausärzten betreut würden.
Versicherer wiederum würden mit neuen Versicherungsmodellen – unter anderem Hausarzt-, Telemedizin-, HMO-Modell – Spitalnotfallstationen entlasten.
Der Regierungsrat bezeichnet die Entlastung der Spitalnotfallstationen als Daueraufgabe. Neben den erwähnten, müssten derzeit aber keine weiteren Massnahmen umgesetzt werden.
«Der Bericht ist weder tiefgreifend noch innovativ», bemängelt Mitunterzeichner Lorenz Schmid (CVP, Männedorf), der sich vom Regierungsrat neue Ansätze erhofft hatte. Was nun vorliege, sei lediglich eine Auflistung von bereits umgesetzten Massnahmen.
Aus dem Ausland kenne er Beispiele von Spitälern, die im Bereich der Notfallstation Plakate aufgestellt hätten. «Sind Sie gut zu Fuss unterwegs, dann handelt es sich nicht um einen Notfall», stehe da sinngemäss. «Das Hauptproblem ist: Je mehr Notfallstationen verfügbar sind, desto mehr werden sie auch beansprucht. Basta. Im Kanton Zürich haben wir schlicht zu viele Notfallstationen», sagt Schmid und ergänzt: «Auch wenn das Gesundheitsdirektor Heiniger nicht gerne hört.» Wir würden uns damit brüsten, dass Patienten im ganzen Kanton innert 15 bis 23 Minuten eine Notfallstation erreichten. In den meisten Fällen wäre dies aber gar nicht nötig. «Die Leute in Schweden sterben auch nicht, weil es etwas länger dauert, bis sie im Spital ankommen», sagt Schmid.
Was die umgesetzten Massnahmen angehe, glaube er nicht, dass die Förderung der Hausarztmedizin Erfolg bringen würde. Positive Worte findet Schmid für den ärztlichen Notfalldienst, der seit Anfang 2018 im Betrieb ist. «Das Konzept mit der einen Notfallnummer ist zielführend und hervorragend. Noch ist die Nummer einfach zu wenig bekannt.»
Für die Erstunterzeichnerin des Postulats, Erika Zahler (SVP, Boppelsen), ist der Bericht des Regierungsrats «nicht zufriedenstellend». Es würden gerade keine griffigen Massnahme präsentiert, um das Problem zu lösen. Aus Sicht von Zahler müsste man bei den vielen ausländischen Einwohnern ansetzen, die unser Gesundheitssystem nicht kennen würden und automatisch in den Notfall gehen. «Die Krankenkassenprämien steigen von Jahr zu Jahr. Der Regierungsrat hat aber noch nicht erkannt, wie dringlich das Problem ist», sagt Zahler.
Ein richtiger Ansatzpunkt seien die Notfallpraxen in den Spitälern. Diese müssten ausschliesslich mit Hausärztinnen und Hausärzten betrieben werden. Es gehe nicht an, dass die Spitäler dafür anderes Personal rekrutieren. Würde dies konsequent umgesetzt, könnte man laut Zahler auf den ärztlichen Notfalldienst unter der 0800er-Nummer ganz verzichten. Sie beurteilt das neue Angebot anders als Ratskollege Lorenz Schmid: «Dieser Schuss ging nach hinten los», sagt Zahler. Man habe für viel Geld eine zusätzliche Organisation geschaffen.