Zürich
Krematorium Nordheim: Asche zu Asche, Staub zu Staub

Sich mit dem Tod zu befassen, fällt schwer. Doch der Tod lässt keinen kalt, das macht die Serie «Der Bestatter» deutlich, die am Schweizer Fernsehen der aktuelle Quotenknüller ist.

Adrian Portmann
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Krematorium Nordheim: Asche zu Asche, Staub zu Staub
7 Bilder
Der Eingang zur Abdankungshalle.
Kreative Urnen-Varianten.
Blick in den Ofen.
Von hier aus wir der Verbrennungsvorgang überwacht.
Ueberwachungs-Tableau der Technischen Anlagen.
Viele Tote hinterlassen medizinische Implantate.

Krematorium Nordheim: Asche zu Asche, Staub zu Staub

David Baer

Ein Besuch im Krematorium Nordheim in der Stadt Zürich zeigt, wo viele einmal landen werden und was am Ende vom Menschen übrig bleibt. Schaurig eindrücklich sei es gewesen, schwärmt ein etwas älterer Herr, der gerade die letzten Stufen zum Krematorium Nordheim in Angriff nimmt. Es ist bereits sein zweiter Besuch und dieses Mal hat er einen Freund mitgebracht. «Ich will ihm zeigen, wo wir einmal landen werden.» Es sei nicht das Feuer, vor dem er sich fürchte, sondern die engen Platzverhältnisse im Ofen. «Aber ich stelle mir das ähnlich wie die Röhre im Spital vor», sagt er. Dort habe er bereits Übung. Beide lachen.

Rund 10 Prozent aller in der Schweiz verstorbenen Personen werden in der Stadt Zürich kremiert. Mit über 6000 Einäscherungen pro Jahr zählt das Krematorium Nordheim zu den grössten in Europa. Doch so omnipräsent der Tod auch ist, bleibt er doch ein Tabuthema. Umso mehr freut sich Rolf Steinmann, Leiter des Bestattungs- und Friedhofamts der Stadt Zürich, dass Führungen auf grosse Resonanz bei der Bevölkerung stossen. Gut möglich, dass die SRF-Krimiserie «Der Bestatter» einen Teil zum Erfolg beiträgt.

Der Nebel liegt an diesem Morgen tief, und kühle Morgenluft umgibt die Stadt. Derweil ist es im Untergeschoss des Krematoriums angenehm warm. Sieben Öfen stehen dort, sechs davon sind in Betrieb. Auch nachts werden sie nicht ausgeschaltet, da das Aufheizen am Morgen zu viel Energie benötigen würde.

Temperaturen bis zu 1400 Grad

Vor einem der Öfen steht ein Sarg auf zwei Metallschienen. Hans Leu, langjähriger Mitarbeiter des Krematoriums, hat mittels Computer den Ofen bereits auf 650 Grad vorgeheizt. Dann geht alles ganz schnell. Der Sarg wird auf Knopfdruck in den Speicherofen aus Schamottsteinen gefahren, und die Klappe schliesst sich. «Bis zum Sargbruch dauert es nun etwa zehn Minuten», sagt Cyrill Zimmermann, Leiter des Krematoriums. Nachdem der Sarg zerfallen ist, entflammt die Leiche und jegliche Flüssigkeiten im Körper verdampfen. Die Temperatur im Innern des Ofens steigt während des Prozesses auf bis zu 1400 Grad. Zweieinhalb Stunden später ist der Körper vollständig verbrannt.

Doch nicht jeder Körper brennt gleich gut. Medikamentenrückstände, beispielsweise von einer Chemotherapie, können den Verbrennungsprozess erheblich verlängern. Durch ein Guckloch kontrolliert Leu deshalb regelmässig das Feuer. Um es anzufachen, hat er die Möglichkeit, zusätzlich Sauerstoff in den Ofen zu geben. Die Asche des Verstorbenen rieselt anschliessend eine Etage nach unten, wo sie von einem zweiten Mitarbeiter entnommen, zerkleinert und in die Urne abgefüllt wird.

Metallteile wie Hüftgelenke und Sargnägel werden entfernt. Edelmetalle wie Gold, die sich verflüssigen und mit der Asche vermischen, kommen in die Urne. «Aus ethischen Gründen», wie Steinmann erklärt. Andere Teile wie Prothesen können rezykliert werden. Der Erlös fliesst in die Stadtkasse.

Gute psychische und physische Verfassung

Je nach Grad der Verwesung kommen die Leichen vor der Einäscherung in einen der drei Kühlräume, wo die Temperatur zwischen plus 5 und minus 25 Grad variiert. In Spitzenzeiten liegen bis zu 100 Leichen Sarg an Sarg in den weiss gekachelten Räumen. Die eine Hälfte im «Züri-Sarg» aus hellem Pappelholz, der für Stadtzürcher kostenlos ist – die andere Hälfte im etwas dunkleren Sarg, der verrät, dass der Verstorbene aus einer der Vorortsgemeinden stammt.

An einem Tag werden zwischen 16 und 48 Leichen eingeäschert. Für die Mitarbeiter kann das eine mentale Belastung bedeuten. Voraussetzung für die Arbeit im Krematorium ist eine gute psychische und physische Verfassung sowie eine Ausbildung im technisch-handwerklichen oder pflegerischen Bereich. Momentan arbeiten zwei Frauen im achtköpfigen Team des Krematoriums.

«Um die psychische Belastung möglichst gering zu halten, wechseln die Mitarbeiter monatlich ihre Tätigkeit», sagt Zimmermann. Die Bedienung des Ofens ist nur ein Teil ihrer Arbeit. Sie kümmern sich auch um die Abholung und Lagerung der Verstorbenen sowie um die Aufbahrung.

Das Krematorium verfügt über mehr als 30 Räume, wo Angehörige Abschied nehmen können, bevor der Körper des Verstorbenen seine letzte Reise antritt. «Das Schöne daran ist, dass wir am Schluss alle gleich sind», sagt Zimmermann. Ob Banker oder Clochard, was schliesslich übrig bleibt, sind ungefähr dreieinhalb Kilogramm feine Asche.