Zürich
Kinder spielen Ego-Shooter im Museum — Konflikte im Umgang mit Videogames

Die Ausstellung «Games» im Landesmuseum zeigt Konflikte im Umgang mit Videogames auf – und wird selbst zum Konfliktfall.

Matthias Scharrer
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Ein Teil der Ausstellung «Games» ist für mindestens 16-Jährige gedacht, wird aber auch von viel Jüngeren genutzt.

Ein Teil der Ausstellung «Games» ist für mindestens 16-Jährige gedacht, wird aber auch von viel Jüngeren genutzt.

Leserbild: Björn Schäfer

Es ist kurz vor Mittag, am Dienstag im Landesmuseum: In der Ausstellung «Games» sitzen Kinder vor Bildschirmen. Einige spielen ­Videospiele wie «Counter-­Strike» und «Tomb Raider». Das erstmals Ende der 1990er-­Jahre ­lancierte «Counter-­Strike» ist eines der bekanntesten Ego-Shooter-Spiele. Die Spielenden schlüpfen dabei in die Rolle eines Schützen, der durch die Gegend schleicht und Gegner niederschiesst. Ein Schild weist darauf hin, dass dieser Ausstellungsteil für Personen ab 16 Jahren gedacht ist. Die Kinder vor den Bildschirmen sind aber offensichtlich jünger.

Ähnliches hat auch Björn Schäfer beobachtet, als er kürzlich im Landesmuseum war: «Äusserst bedenklich finde ich den Umstand, dass Ego-Shooter-Spiele wie Counter-Strike frei angeboten werden», schrieb der Urdorfer dieser Zeitung. Und: «Der Bereich wurde zwar gekennzeichnet für ab 16-Jährige, doch leider halten sich die wenigsten Besucher daran. Väter spielen sogar mit ihren kleinen Kindern zusammen oder lassen sie alleine solche brutalen Ego-Shooter spielen.»

Landesmuseums-Sprecher Alexander Rechsteiner kennt die Kritik. «Den Jugendschutz nehmen wir durchaus ernst. Aber die Verantwortung liegt am Ende bei den Eltern. Es ist ihre persönliche Entscheidung, ob sie ihre Kinder diese Spiele spielen lassen», sagt er beim Rundgang durch die Ausstellung. Und verweist auf ein Schild gleich beim Eingang: «Diese Ausstellung enthält Bilder, die für Kinder nicht geeignet sein könnten. Vielen Dank für Ihre Rücksichtnahme», steht darauf.

Die Besucher der Ausstellung durchschreiten auf wenigen Metern die Geschichte der Videospiele: Los gehts beim Bildschirmspiel «Pong» von 1972. Dann vorbei an Videospielkästen mit Münzschlitz, wie sie in Kneipen und Spielhallen der 1980er-Jahren verbreitet waren. In der Mitte der Ausstellung trifft man dann auf «Counter-Strike» für mindestens 16-Jährige. «Es wäre Zensur, wenn wir keine Spiele mit Gewalt-Inhalten zeigen würden», sagt Rechsteiner. Sie würden zur Game-Geschichte gehören. Das Museumspersonal achte darauf, dass keine offensichtlich Jüngeren unbegleitet an den Spieltischen für mindestens 16-Jährige gamen. «Wenn Eltern dabei sind, spricht unser Aufsichtspersonal sie an. Und wenn keine Eltern dabei sind, werden die Kinder gefragt, wo ihre Eltern sind», sagt Rechsteiner. Die Mitte Januar eröffnete und bis 13. April dauernde Ausstellung «Games» sei bislang sehr gut besucht – gerade während der Sportferien.

Wer sucht, findet auch kritische Hinweise

Sie thematisiert auch heikle Themen wie Gewalt, Sexismus und Spielsucht im Zusammenhang mit Games. Wer sucht, findet kritische Hinweise auf Infotafeln. Zur Frage, ob Gewalt in Videospielen zu Gewalt im realen Leben führe, heisst es da etwa: «Dieser Zusammenhang ist bis heute wissenschaftlich nicht belegt. Es wird davon ausgegangen, dass Videospiele nur ein Risikofaktor unter vielen sind, die das Aggressionspotenzial einer Person beeinflussen.»

Auch auf das Suchtpotenzial von Games, die virtuelle Belohnungen versprechen, wird hingewiesen. Aber man muss sich von den Game-Bildschirmen lösen, um die Hinweise zu sehen. Oder eine der Begleitveranstaltungen besuchen, die das Landesmuseum zum Thema Games veranstaltet. Fest steht: Wer die Gegenwartskultur verstehen will, kommt um Games nicht herum. Anfangs der Nullerjahre dieses Jahrtausends überholte die Gameindustrie umsatzmässig die Film- und Musikindustrie. Sie ist längst ein Milliardengeschäft. Das gilt sowohl für die dabei ausgegebenen Geldsummen als auch für die Anzahl gamender Menschen.