Weil Karin Rykart ruhig argumentiert und sich oft zurückhält, wird sie gerne unterschätzt. Dabei hat die grüne Stadtratskandidatin bereits eine hohe Hürde genommen
In ihren Blogbeiträgen setzt Karin Rykart gerne Ausrufezeichen. Im Gespräch wartet man allerdings vergebens auf ein lautes Wort. Sie ist bescheiden, ruhig, argumentiert sachlich und überlegt, ist angenehm im Umgang und verliert kein böses Wort über ihre Gegner.
Zumindest innerhalb der Grünen kommt ihr Stil gut an. In der internen Ausmarchung um die Stadtratskandidatur setzte sie sich klar gegen Nationalrat Bastien Girod durch: Gegen einen, der weiss, wie man auf sich aufmerksam macht – mit gewagten Plakaten, markigen Sprüchen und Auftritten vor TV-Kameras und in den sozialen Medien.
In einer Serie porträtieren wir die Personen, die neu für den Zürcher Stadtrat kandidieren. Zudem analysieren wir die Ausgangslage der Parteien. Wahltermin ist der 4. März. Heute im Fokus: Karin Rykart und ihre Partei, die Grünen.
All dies sagt Karin Rykart wenig zu. Provokationen kennt man von ihr nicht und auf Facebook und Twitter teilt sich die 46-Jährige erst seit ihrer Nomination häufiger mit. Sie wisse aber, wie wichtig ein guter Auftritt sei: Für die vielen öffentlichen Auftritte hat sie sich coachen lassen.
Dass sie den Vorzug erhielt, sei weder voraussehbar gewesen noch habe sie die Nomination «im Schlafwagen eingefahren», sagt Rykart. Mit Blick auf den Wahlkampf sei das interne Duell ein intensives Aufwärmprogramm gewesen. «Und natürlich eine Motivation und Verpflichtung, weiter zu machen.» So gesehen ist Rykart seit bald einem Jahr im Wahlkampfmodus.
Für sie sprach, dass die Grünen traditionell mit einer Zebra-Liste antreten, also abwechslungsweise Kandidatin und Kandidat auf ihrer Wahlliste platzieren. «Das war bestimmt ein Faktor», sagt Rykart selber. An der Seite des bisherigen Finanzvorstehers Daniel Leupi soll sie den vor vier Jahren verlorenen zweiten Sitz der Grünen zurückerobern. Sie wäre die dritte Frau in der neunköpfigen Exekutive – vorausgesetzt, Stadtpräsidentin Corine Mauch und Gesundheitsvorsteherin Claudia Nielsen (beide SP) werden wiedergewählt.
Der Frauenbonus allein gab aber nicht den Ausschlag für ihre Nomination. Rykart ist fleissig, gut vernetzt, kennt die Stadt und als ehemalige Verwaltungsangestellte die internen Abläufe. Seit fast zwölf Jahren politisiert die Leiterin einer Waldkrippe im Gemeinderat. Während vier Jahren und bis im letzten Sommer war sie Fraktions-Chefin der Grünen, bis 2014 in der Rechnungsprüfungskommission.
Wohlgesinnte schätzen ihre Fachkenntnis und unaufgeregte Art. Auf die Sitzungen bereitet sie sich gut vor und dort, wo sie unsicher ist, hält sie sich zurück. Sie als stille Schafferin zu bezeichnen, stört sie nicht. Kritiker beschreiben sie dagegen als langweilig und farblos. Rykart selbst sagt auf ihre Schwächen angesprochen: «Vielleicht bin ich manchmal ein wenig zurückhaltend und könnte noch lockerer sein.»
Ein Nachteil im Wahlkampf? «Nicht unbedingt», antwortet Rykart und verweist auf andere, ebenfalls gemässigte Neukandidierende wie Michael Baumer (FDP), Markus Hungerbühler (CVP) und Andreas Hauri (GLP).
Rykart beschreibt sich als offen, umgänglich, neugierig – gerade wenn jemand anderer Meinung oder ihr gegenüber kritisch sei. «Mich interessiert das – vielleicht hat das auch mit meinem Hintergrund zu tun.» Sie hat Soziologie studiert.
Sowieso könne sie Kritik gut einstecken. «Anderen gegenüber bin ich viel grosszügiger als mit mir.» Das zeigt sich etwa dann, wenn sie leicht verlegen über ihr Lächeln auf dem Plakat und ihre Stimme im Fernsehen witzelt.
Karin Rykart, Stadtratskandidatin (Grüne)
Als «Knochenarbeit», bezeichnet sie den Wahlkampf. 150'000 Franken kostet der gemeinsame Stadtratswahlkampf zusammen mit Daniel Leupi. Doch das ist nicht der einzige Preis. Wird sie gewählt, erwartet sie eine 60-Stunden-Woche. Für ihren Mann und die drei Kinder im jugendlichen Alter wird sie dann noch weniger Zeit haben.
Aufgewachsen ist Rykart in einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus im aargauischen Neuenhof. Diese politischen Spuren sind noch erkennbar. Sie sei eine Grüne, sagt sie – «aber eher wie eine Wassermelone: aussen grün und innen rot».
Nebst der Gleichstellung von Mann und Frau sind ihr bezahlbare Wohnungen wichtig. Selbst wohnt sie in der Genossenschaftssiedlung Kraftwerk 1. Als Co-Präsidentin der Interessengemeinschaft Hardturmquartier bekämpft sie die im Zuge des Fussballstadionprojekts geplanten zwei Hochhäuser.
Weil sie auch gegen ein neues Kongresszentrum beim Carparkplatz ist, wurde sie schon als Verhindererin bezeichnet. Rykart kontert: «Ich bin lediglich gegen die Wohntürme, nicht gegen das Stadion.» Auf dem letzten freien Grundstück im Quartier wünsche sie sich mehr Freiraum statt Büros und überteuerte Wohnungen. Mehr Platz fordert sie auch für die Velofahrenden. Es brauche dringend mehr Velowege, sagt Rykart, ihretwegen auch gerne auf Kosten von Parkplätzen.
Mit den Themen Wohnen, Freiraum und Verkehr trifft Rykart den Nerv vieler Zürcherinnen und Zürcher. Und mit ihrer rot-grünen Politik deckt sie einen grossen Teil der Wählerschaft ab. Ob sie auf leisen Sohlen den Schritt in den Stadtrat schafft? So abwegig ist das nicht. Nicht weniger als ein Sieg im Duell gegen Bastien Girod.
- Andreas Hauri (GLP): Ein ambitionierter Selbstvermarkter
- Michael Baumer (FDP): Der leise Allianzenschmied
- Claudia Rabelbauer (EVP): Die Pädagogin der Mitte
- Markus Hungerbühler: Der Hoffnungsträger der CVP
- Roger Bartholdi (SVP): Der Strebsame
- Susanne Brunner (SVP): Die Lobbyistin