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Region (LiZ)
Zürich
Als erster Grünliberaler steht Benno Scherrer dem Zürcher Kantonsparlament vor. Einst landete er als Schlagzeuger einen Hit.
Gegen Benno Scherrer hat fast niemand etwas: Mit 161 von 166 gültigen Stimmen wurde der Grünliberale aus Uster am Montag zum neuen Kantonsratspräsidenten gewählt. Anwesend waren 168 Ratsmitglieder. Sie machten zum ersten Mal einen Grünliberalen zum Vorsitzenden des Kantonsparlaments – und damit zum höchsten Zürcher.
Die ebenfalls neugewählte Regierungspräsidentin Jacqueline Fehr (SP) bezeichnete den 56-jährigen Scherrer als «grünliberales Urgestein» sowie als «Fels in der Brandung, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt». Gleichzeitig erinnerte Fehr daran, dass es die GLP im Kanton Zürich erst seit 17 Jahren gibt. Sie sei somit ein Teenager, und Teenager würden den alteingesessenen Parteien mit ihrer Besserwisserei manchmal auf die Nerven gehen. Doch Scherrer habe das Gespür für den richtigen Ton.
Sie erwähnte in diesem Zusammenhang die musikalische Vergangenheit des nunmehr höchsten Zürchers: Als Teenager spielte er Schlagzeug in der Billy Bostitsch Bänd, die es 1983 mit dem Lied «Palmeschtrand» in die Top Ten der Schweizer Hitparade brachte. Wer ist dieser Mann?
Zur Welt kam Scherrer 1965 in Zürich, wo er auch aufwuchs. Er studierte Geschichte und Englisch. 1992 zog er nach Uster, das sich später zu einer Hochburg der Grünliberalen entwickeln sollte und wo er als Berufsschullehrer Englisch unterrichtet. Zudem ist er Präsident der Sekundarschule Uster.
Er zählte zu den Gründern der GLP Uster und zu den ersten Grünliberalen, die in den Kantonsrat gewählt wurden. Das war 2007, drei Jahre nachdem sich die Grünliberalen unter Führung von Martin Bäumle und der damaligen Regierungsrätin Verena Diener von den Grünen abgespaltet hatten. Bereits 2006 wurde Scherrer als GLP-Kandidat ins Ustermer Stadtparlament gewählt. Und von 2012 bis 2019 präsidierte er die GLP-Kantonsratsfraktion, die sich zur viertstärksten Fraktion im Parlament gemausert hat. Von der SP über die FDP und die CVP bis hin zu den Grünen spüren die älteren Parteien die Konkurrenz.
Das klang auch in Fehrs Worten an: «So richtig grün wird erst die nächste Kantonsratspräsidentin sein», sagte die SP-Regierungsrätin im Hinblick auf die Wahl von Esther Guyer (Grüne, Zürich) zur Kantonsratsvizepräsidentin. Guyer kam auf 114 Stimmen. Ruedi Lais (SP, Wallisellen) erreichte als zweiter Vizepräsident deren 103. Bei Lais’ Wahl erhielt die Winterthurer SP-Jungkantonsrätin Sarah Akanji, die offiziell gar nicht kandidierte, 31 Stimmen.
Doch zurück zu Benno Scherrer. Der neue Kantonsratspräsident verabschiedete seinen Vorgänger Roman Schmid (SVP, Opfikon) mit den Worten: «Dass ich dir zum Dank nicht mal die Hand schütteln darf und wir nicht anstossen dürfen, irritiert immer noch.» Schmids Präsidialjahr war von der Coronapandemie geprägt.
Diese beeinträchtigt auch Scherrers Amtsantritt: Das Parlament tagt weiterhin in der weitläufigen Messe Zürich statt im engen Rathaus. Und statt eines Apéros mit Zürcher Wein im Anschluss an die Ratssitzung offerierte Scherrer während der Sitzung Kaffee aus Uganda, direkt importiert von Ratskollege Andrew Katumba (SP, Zürich).
Für sein Präsidialjahr forderte Scherrer das Parlament zu mehr Effizienz und Zurückhaltung bei fruchtlosen Debatten auf:
«Ich wünsche mir, dass wir weniger reden und mehr entscheiden, mehr bewegen.»
Nur dann werde das Parlament in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Scherrer weiter: «Ich will den Rat freundlich, aber bestimmt führen und damit den Wettbewerb um Mehrheiten und das beste Argument stärken.»
Neben repräsentativen Anlässen, die derzeit wegen Corona wegfallen, ist das Vorbereiten und Führen der Kantonsratssitzungen die wichtigste Aufgabe des Ratspräsidiums. Aktuell umfasst die Traktandenliste des Zürcher Kantonsrats fast 200 hängige Geschäfte. «Wenn Sie vor den Wahlen noch etwas erreichen wollen, müssen Sie sich kurzfassen», gab der neue Präsident seinen Ratskollegen mit auf den Weg.