Startseite
Region (LiZ)
Zürich
Der Autor Bänz Friedli findet, dass sich junge Frauen in falscher Gleichberechtigung wiegen.
Bänz Friedli: Einerseits, weil meine Kinder mich immer wieder gedrängt haben, doch mal ein Kinderbuch zu schreiben. Dank «Harry Potter» und den «Drei Fragezeichen» glaubten sie wohl, damit habe man ausgesorgt. Dann kam der Baeschlin Verlag, der sich in seiner Kinderbuchreihe gesellschaftlichen Problemkreisen widmet. Es dauerte knapp zwei Jahre, bis ich ein Thema gefunden hatte, wozu ich eine Geschichte erzählen konnte.
Geschlechterrollen: Wie hat ein Mädchen oder ein Junge gefälligst zu sein? Ich finde es derzeit etwas trügerisch. Vordergründig stehen jungen Frauen nach 50 Jahren Gleichstellungsbemühungen alle Möglichkeiten offen. Aber: Das stimmt so nicht. Die Schwierigkeiten beginnen bei der Berufswahl. Dann können Frauen Familie und Beruf nur vereinen, wenn sie den richtigen Partner finden. Junge Frauen wiegen sich in falscher Gleichberechtigung.
Wenn ein Mädchen Bauingenieurin werden will, soll sie das können. Und ein Junge Kindergärtner.
Sie dürfen, klar. Als Jugendlicher wollte ich tatsächlich Kindergärtner werden. Noch heute, 37 Jahre später, ist es für einen Mann aber fast unmöglich, es zu werden. Männer in diesem Beruf stehen sehr rasch unter dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs. Wir sind im realen Leben noch lange nicht so weit, wie wir glauben. Das ist das Perfide.
Doch, gibt es. Als Vater eines Mädchens und eines Jungen bemerkte ich klare Unterschiede. Er war technisch interessiert, sie sprachlich gewandt. Manche «typisch männliche» und «weibliche» ihrer Merkmale und Fähigkeiten überraschten uns, weil wir ihnen als Hausmann und berufstätige Frau ja umgekehrte Rollen vorlebten. Haben wir ihnen Eigenschaften angedichtet? Waren bestimmte Interessen in ihnen drin? Das begann mich umzutreiben.
O ja! Als unsere Kinder klein waren, gab es bei H&M doch tatsächlich eine tarnfarbene Kollektion für Jungen. Die Mädchenkleider waren allesamt rosa. Als mein Sohn drei Jahre alt war, hing in einem Laden zum ersten Mal ein pinkfarbener Pullover für Buben – er wollte ihn sofort haben. Diese Reaktion fand ich interessant: Als er die Möglichkeit bekam, etwas anderes auszuwählen, hat er sogleich zugegriffen. Bei der Berufswahl dagegen ist es wohl der Einfluss von Gruppen, an die sich Mädchen wie Jungen angleichen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will die Geschlechter keinesfalls abschaffen. Aber sie sollten nicht mit einem Kodex verbunden sein, wie jemand gefälligst zu sein habe.
Meine Kinder inspirierten mich: Die Tochter mag Fussball, spielte selber im Verein. Unseren Sohn interessierte es überhaupt nicht. Was übrigens in der Schule nicht einfach war – er fiel deswegen seltsam auf. Zum anderen imponiert mir der amerikanische Frauenfussball. Diese Sportlerinnen sind deutlich lauter als europäische. Dort wird jede Ungerechtigkeit benannt, diskutiert, aber vor allem vehement angefochten. Sie stehen für die Rechte von Lesben ein und fordern vor dem höchsten Gericht gleichen Lohn wie die männlichen Fussballer.
Unsere 19-jährige Tochter fand das Buch «zu erwachsen». Und ich hatte mir vorgenommen, die Kinder ernst zu nehmen! Mal schauen, wie es die 8- bis 14-Jährigen finden.