Die Post führt erneut einen Test mit Lieferrobotern durch. Diese bringen in den nächsten Wochen online bestellte Waren vom Warenhaus Jelmoli zu Kunden im Stadtzentrum von Zürich.
Ein noch ungewohntes Bild bot sich gestern Passanten in der Zürcher Innenstadt: Aus dem Jelmoli-Hauptsitz fuhr behutsam ein selbstgesteuertes Wägelchen aufs Trottoir und weiter im Schritttempo zur Bar «El Lokal».
Es hat in etwa das Ladevolumen einer Bierkiste. Nähert sich das Wägelchen Passanten, geparkten Autos oder anderen Hindernissen, stoppt es und wartet, bis die Bahn frei ist. Auch beim Rotlicht am Zebrastreifen bleibt es stehen – und verpasst es einmal, während einer Grünphase bis zur anderen Strassenseite zu kommen, sodass Autos warten müssen. Fussgänger weichen aus, als das Wägelchen auf sie zurollt.
Das Fahrzeug ist ein Lieferroboter, den die Post und Jelmoli ab kommendem Montag für fünf Wochen in der Zürcher Innenstadt testen. Online-Kunden können sich damit im Umkreis von drei Kilometern vom Jelmoli-Hauptsitz innert einer Stunde Waren liefern lassen, versprechen die Anbieter. Das Angebot beschränke sich primär auf Non-Food-Artikel, so Marc Huber, Leiter
E-Commerce bei Jelmoli. Sich für die spontane Grillparty am See Bier und Fleisch kommen zu lassen, liege also vorerst nicht drin. Immerhin: Ein Geschenkkorb mit einer Flasche Champagner ist erhältlich.
Auch geografisch ist das Angebot beschränkt: Es gilt nicht für die ganze Zürcher City, sondern lediglich für Teile der Stadtkreise 1, 2, 3 und 9. Die vielbegangene Bahnhofstrasse ist nicht dabei. «Wir wollten den Lieferroboter nicht ins Getümmel der Rushhour stürzen», sagt Huber. Claudia Pletscher, Leiterin Entwicklung und Innovation bei der Post, räumt ein: Die grösste Herausforderung für den Roboter dürfte darin bestehen, im Getümmel zwischen vielen Fussgängern voran zu kommen.
Während der Testphase ist der Lieferroboter auf Schritt und Tritt begleitet von einem Menschen, der nach dem rechten sieht. Bei der Medienpräsentation ist dies ein Mitarbeiter der Firma aus Estland, die den Roboter herstellt. Das Fahrzeug sei auch in London, Hamburg und in den USA im Einsatz, sagt er. Eine Firmenkollegin ergänzt, derzeit seien weltweit rund 150 Lieferroboter ihrer Firma unterwegs. In Zürich werden es vorerst drei sein. In der Schweiz hat die Post das Fahrzeug laut Pletscher letztes Jahr in Bern, Köniz, Biberist und Zuchwil getestet: «Die 200 Zustellfahrten über insgesamt 1000 Kilometer verliefen unfallfrei.» Dass Lieferroboter in der Schweiz bald zum Einkaufsalltag gehören, sei aber nicht zu erwarten. «Wir sind in der Testphase», betont Pletscher. «Ich betrachte kommerzielle Einsätze in den nächsten Jahren nicht als wahrscheinlich.»
Gar nicht begeistert vom Zürcher Versuch ist Klaus Zweibrücken, Präsident des Fussgängervereins Zürich und Dozent für Verkehrsplanung an der Hochschule Rapperswil: «Es ist keine gute Lösung, den Lieferverkehr auf dem Trottoir abzuwickeln. Dort ist sowieso schon zu wenig Platz, und es fahren dort bereits genug Fahrzeuge, zum Beispiel auch Velos herum, die da nichts verloren haben.» Zweibrücken fürchtet beispielsweise, dass Sehbehinderte über einen Lieferroboter stolpern könnten.
Der Fussgängerverein war schon zu einem früheren Zeitpunkt bei einer Präsentation der Lieferroboter dabei: «Damals hiess es noch, sie seien für Medikamententransporte gedacht. Jetzt geht es um Lieferungen an Kunden eines Warenhauses», so Zweibrücken. Das Beispiel USA zeige, wohin dies führen könnte: «Dort sind ganze Container als Lieferroboter auf Trottoirs unterwegs.»
Die Post hat denn auch schon weiterführende Pläne: «Wir sind mit interessierten Partnern im Gespräch, nicht nur im Detailhandel», sagt Pletscher. Ziel sei es, zu testen, ob sich Lieferroboter auf der letzten Meile in die bestehenden Logistik-Ketten integrieren lassen. Daneben testet die Post auch andere autonome Systeme wie Logistikdrohnen und intelligente Shuttles, schreibt sie in ihrer Medienmitteilung zum Zürcher Lieferroboter-Versuch.