Interview
Regierungsrätin Jacqueline Fehr: «Es war immer mein Antrieb, zu gestalten»

Die SP-Justizdirektorin kandidiert für eine dritte Amtszeit im Zürcher Regierungsrat. Im Interview spricht die 59-Jährige über ihre Erfolge, heftige Kritik und ihre Ziele.

David Egger
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«Ich fühle mich in diesem Amt sehr wohl und bin sehr motiviert, weiterzuarbeiten», sagt Jacqueline Fehr (SP) – hier beim Interview in ihrem Regierungsratsbüro.

«Ich fühle mich in diesem Amt sehr wohl und bin sehr motiviert, weiterzuarbeiten», sagt Jacqueline Fehr (SP) – hier beim Interview in ihrem Regierungsratsbüro.

Sandra Ardizzone

Sie kandidieren für eine dritte Amtszeit als Regierungsrätin. Warum?

Jacqueline Fehr: Ich folge meinem Slogan von 2015: «Zürich kann mehr.» Das treibt mich an. Unser Kanton hat eine Pionierrolle in diesem Land – in allen möglichen Themen. Ich bin nach wie vor motiviert, meinen Beitrag zu leisten, damit Zürich seine Pionierrolle weiterhin wahrnehmen kann.

Auf welche Pionierprojekte sind Sie besonders stolz?

Das wichtigste ist die Reform der Untersuchungshaft. Es geht hier letztlich darum, wie die zivilisierte Gesellschaft mit dem Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Unschuldsvermutung umgeht. Wir müssen die Untersuchungshaft so gestalten, dass möglichst wenig Haftschäden entstehen. Wir müssen uns jederzeit bewusst sein, dass Personen, die in Untersuchungshaft sind, möglicherweise unschuldig sind. Gleichzeitig muss die Wahrheitssuche der Strafuntersuchung sichergestellt sein. Sehr stolz bin ich auch auf unsere Fachstelle Kultur, die mit enormem Einsatz dazu beigetragen hat, dass die Zürcher Kulturlandschaft Corona überlebte und sich weiterentwickeln konnte – und kann. Wir sind überzeugt, dass Kultur gerade in der Agglomeration wichtig ist, sie gehört zu einem gesunden Wachstum dazu. Das Gleis 21 in Dietikon ist ein Beispiel. Weiter konnten wir in der zu Ende gehenden Legislatur die Staatsanwaltschaft stärken, damit sie sich auch in Zukunft mit genügend Ressourcen um grosse Fälle wie den Fall Vincenz kümmern kann.

Mag ihr Amt: Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP).

Mag ihr Amt: Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP).

Sandra Ardizzone

Was packen Sie zuerst an, wenn Sie am 12. Februar wiedergewählt werden?

Meine Direktion ist so breit, dass es schwierig ist, einen einzigen Fokus zu setzen. Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass wir noch besser werden. Unter anderem beschäftigt mich der Kampf gegen häusliche Gewalt sehr. Da sind wir noch nicht am Ziel. Auch in Sachen Integration und Gleichstellung gibt es noch viel zu tun. Zu nennen ist auch das Statistische Amt, das sehr wichtige Analysen leistet und Daten liefert, welche die Politik beim Planen und Steuern unterstützen. Zudem ist das erfolgreiche Projekt Gemeinden 2030 weiter voranzutreiben, damit die Gemeinden ihre wichtigen Aufgaben für die Bürgerinnen und Bürger weiter gut erfüllen können. Und die Strafverfolgung ist durch die starke Zunahme der Internetkriminalität und der Organisierten Kriminalität sehr gefordert.

Sie gestalten gerne.

Ich mache seit 32 Jahren Politik. Es war immer mein Antrieb, zu gestalten. Es ist ein enormes Privileg, Regierungsrätin zu sein. Gerade in Zürich hat man grosse Möglichkeiten, einen Beitrag für ein besseres Leben für alle zu leisten, vor allem, wenn man eine Direktion mit rund 2000 Mitarbeitenden führt, die alle grosse Lust haben, zu gestalten.

Es gibt die Idee, die Direktion der Justiz und des Innern mit der Sicherheitsdirektion zu fusionieren. Ihre Meinung?

In einem grossen Kanton wie Zürich ist es gut, wenn sich zwei Regierungsräte die Verantwortung für Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendanwaltschaft und Justizvollzug teilen. Die hoheitliche Macht des Staates ist so weniger konzentriert. Zudem profitieren beide Direktionen davon, dass sie sich auch um ganz andere Themen kümmern, bei der Justizdirektion etwa um Kultur und Integration und bei der Sicherheitsdirektion ums Soziale.

Sie führt ein grosses Team: Jacqueline Fehrs Direktion der Justiz und des Innern beschäftigt rund 2000 Mitarbeitende.

Sie führt ein grosses Team: Jacqueline Fehrs Direktion der Justiz und des Innern beschäftigt rund 2000 Mitarbeitende.

Sandra Ardizzone

Sie wollen unbedingt Justizdirektorin bleiben.

Der Regierungsrat muss entscheiden, aber ich fühle mich in diesem Amt sehr wohl und bin sehr motiviert, weiterzuarbeiten.

Dabei müssen Sie sich auch viel Kritik anhören. Wie gehen Sie damit um?

Ich versuche, rasch zu erkennen, was Kritik und was politisches Spiel ist. Kritik ist selten völlig unberechtigt. Wir sind Menschen. In meiner Direktion werden jede Woche 80'000 Arbeitsstunden geleistet. Wo ich Fehler sehe, gebe ich sie zu und versuche, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Was haben Sie denn aus dem Datenskandal gelernt?

Als ich im November 2020 davon erfahren hatte, sah ich meine Aufgabe in erster Linie darin, zu überprüfen, wo wir heute stehen und ob wir sofort etwas ändern müssen. Deshalb leitete ich die Administrativuntersuchung ein, welche dann zum Schluss kam, dass keine Sofortmassnahmen nötig sind. Um die Vergangenheit sollte sich dagegen die Staatsanwaltschaft kümmern. Dieses Vorgehen finde ich auch im Rückblick richtig. Ich verzichtete darauf, die Öffentlichkeit zu informieren, weil ich die Strafuntersuchung nicht gefährden wollte. Ich stehe zu diesem Entscheid, aber man kann geteilter Meinung sein, ob er richtig war. Ein Fehler war, dass ich der Geschäftsprüfungskommission zwar den Zwischenbericht, nicht aber den Schlussbericht der Administrativuntersuchung zugestellt hatte. Es ist halt immer eine Knacknuss, wenn sich das administrative Handeln und eine Strafuntersuchung in die Quere kommen können.

So wie bei der Dietiker Statthalter-Affäre 2015.

Dort war der Fehler in erster Linie ein formaljuristischer. Wir hatten eine Frist nicht eingehalten. Dafür hat uns das Verwaltungsgericht kritisiert. Richtig war aber, dass ich die Meldungen des Ombudsmanns zu den Missständen ernst genommen, sie abgeklärt und dann gehandelt hatte. Der neue Statthalter leistet ausgezeichnete Arbeit. Und er wurde vom Volk klar gewählt.