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Zürich
Mehrere Fluglotsen haben sich vor Zürcher Gerichten verantworten müssen. Skyguide-COO Urs Lauener über die Folgen dieser juristischen Verfahren.
Urs Lauener: Ja und nein. Das ist halt Teil unseres Business’. Die Leute gehen in erster Linie davon aus, dass wir Sicherheit produzieren. Wenn wir das machen, gibt es nichts zu berichten. Passiert aber etwas Ausserordentliches, dann schreiben die Medien über uns. Das ist im Moment der Fall.
Ich würde ein anderes Wort wählen. «Beinahe-Crash» ist eine zu plakative Aussage. Es handelt sich dabei um eine Separationsunterschreitung. Die Separation ist bei uns aber so definiert, dass es eine Unterschreitung leiden mag, ohne dass etwas passiert. Wir sprechen hier von Entfernungen von 10 Kilometern horizontal und 300 Metern vertikal. Da ist noch viel Luft dazwischen. Unser Anspruch ist aber ganz klar, diese Separation nicht zu unterschreiten.
Ich bin mir sicher, dass die Technik in Zukunft eine wesentlich wichtigere Rolle spielen wird. Wie weit das gehen wird, kann ich jetzt noch nicht sagen. Bei den Einschränkungen, die wir im europäischen Luftraum bereits heute haben, werden wir das zukünftige Wachstum mit dem heutigen Handwerk nicht abfedern können. Da muss uns die Technik unterstützen.
Der Anspruch ist mindestens, das heutige Sicherheitsniveau beizubehalten. Wenn der Verkehr wächst, muss die Sicherheit überproportional ansteigen, damit sie auf dem gleichen Level bleibt.
Wir verlangen ja gar keine Sonderstellung für die Fluglotsen von Skyguide. Wenn ein SBB-Mitarbeiter eine Weiche falsch stellt und deshalb ein Zug entgleist, dann ist etwas passiert. Und dann muss man darüber sprechen und das ahnden. Das ist bei uns bei Skyguide nicht anders. Wenn aber ein Fehler passiert, der keine Folgen hat, müssen wir intern darüber reden können, um daraus zu lernen. Das darf nicht zu einer Belangung im juristischen Sinne führen.
Das werden wir jetzt herausfinden. Zurzeit geht die Anzahl Meldungen nicht zurück. Ich stelle aber fest, dass die Qualität der Informationen sinkt. Ein Beispiel: Im Report steht lediglich etwas von zwei Fliegern und einer Separationsunterschreitung. Dann weiss ich zwar, dass etwas passiert ist, kenne aber die Ursache dafür nicht. Ich möchte aber genau ergründen können, was zum Fehler geführt hat, um daraus lernen zu können.
Ja. Sie wollen nicht zu viel preisgeben, da sie nicht wissen, ob die Informationen später gegen sie verwendet werden könnten.
Ich bin wahrscheinlich der Falsche, um hier eine Antwort zu geben. Ich weiss nicht, warum solche Fälle von der Staatsanwaltschaft nun intensiver behandelt werden, als das früher der Fall war. Ich kritisiere das aber nicht. Der Staatsanwalt macht seine Arbeit, wie wir unsere machen.
Ich sass damals auch im Gerichtssaal. Das Urteil machte mich betroffen. Denn ich wusste, dass das Auswirkungen für uns haben wird. Für mich ist fraglich, ob wir so noch in der Lage sind, aus unseren Fehlern zu lernen und dadurch das System weiterzuentwickeln. Zudem tut es mir leid für den betroffenen Mitarbeiter. Für ihn ist das ganz schwierig zu verdauen.
Ja, er arbeitet weiterhin bei uns. Die Verurteilung lässt nicht darauf schliessen, dass er ein schlechter Fluglotse ist. Unsere Mitarbeiter müssen wiederkehrende Ausbildungskurse besuchen und regelmässig Checks absolvieren. Der verurteilte Kollege hat diese Tests stets bestanden. Daher bestehen auch keine Zweifel, dass er weiterhin bei uns arbeiten kann.
Natürlich machen wir uns solche Gedanken. Damit ist auch ein gewisses Reputationsrisiko für die Firma verbunden. Aber nochmals, ich stütze mich auf unsere Prozeduren und Checks ab. Wenn der Fluglotse körperlich und medizinisch fit ist und die erforderliche Kompetenz mitbringt, gibt es für mich keinen Grund, ihn nicht einzusetzen.
Wir wissen nicht, welche Auswirkungen das auf uns hätte. Es würde aber definitiv welche geben. Wir müssten einen Schritt zurück machen und andere Massnahmen ergreifen. Der Betrieb ist heute sicher. Dazu braucht es aber täglich einen grossen Einsatz jedes Fluglotsen. Wenn man ihnen jetzt plötzlich andere Vorgaben erteilt, müssen wir über die Bücher gehen.
Es geht hier nicht um richtig oder falsch. Ich habe Verständnis für die Reaktion. So viele haben sich übrigens gar nicht krankgemeldet. Aufgrund der speziellen Umstände habe ich von mir aus entschieden, Druck aus dem System zu nehmen und die Kapazität um zehn Prozent zu reduzieren. Das ist zwar nicht das, was wir uns für den fliegenden Kunden wünschen, aber ich handelte im Sinne der Sicherheit. Nach drei Tagen hatten wir wieder Vollbestand und die Kapazität wieder hochgefahren.
Unsere Leute arbeiten professionell und können solche Dinge ausblenden, wenn sie im Einsatz stehen. Das ist wichtig für uns. Denn wenn jemand das Gefühl hat, er ist nicht in der Lage zu arbeiten, dann meldet er sich ab. Dennoch bleibt das Thema in den Köpfen. In den Pausen wird auch weiterhin darüber diskutiert.
Nein, das wird überhaupt nicht orchestriert von uns. Die Skyguide-Angestellten machen das freiwillig. Dieses Verhalten reflektiert den Spirit unserer Mitarbeiter. Es ist ganz normal, dass sich ein Fluglotse mit seinen Kollegen solidarisiert. Teamwork ist wichtig für diesen Job.
Ich habe Vertrauen in das Rechtssystem der Schweiz und zweifle nicht an der Kompetenz der Richterinnen und Richter. Ich stelle mir deren Job aber sehr schwierig vor. Hätte ich zum ersten Mal in meinem Leben etwas mit dem Thema Flugsicherung zu tun, dann wäre es sicher schwierig, die Zusammenhänge zu erkennen.
Nein, wir haben kein Nachwuchsproblem. Die Nachfrage ist sehr gross. Vor allem für die erste Selektionsphase bewerben sich viele Leute. Es wurde aber schwieriger, in einem weiteren Schritt die qualitativ richtigen Leute an Bord zu haben, welche die Ausbildung dann auch beginnen. Zurzeit befürchten wir auch nicht, dass die Strafprozesse Einfluss auf unseren Nachwuchs haben werden. Das könnte sich aber ändern, wenn weitere Verurteilungen folgen sollten.
Weil es nach wie vor ein faszinierender Job in einem unheimlich spannenden Umfeld ist. Ich hatte das Glück, dass ich meine ganze Karriere in der Aviatik machen durfte. Wer fasziniert ist von der Fliegerei, ist bei uns sehr gut aufgehoben. Dazu kommt, dass wir sehr gute Anstellungsbedingungen haben.