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Er ist eindeutig eine der am stärksten polarisierenden Figuren in der Schweizer Politik: Christoph Blocher hält am 2. Januar – wie jedes Jahr – einen Geschichtsvortrag, diesmal in Winterthur.
Christoph Blocher: Provokationen sind manchmal nötig, haben aber nicht Selbstzweck. Ich habe diese grossen Winterthurer gewählt, auch weil ich eine innere Beziehung zu ihnen habe. Wie die Gebrüder Sulzer bin ich Industrieller. Wie Jonas Furrer war ich Bundesrat. Und wie Oskar Reinhart sammle ich Kunst.
Bisher kamen an diese Vorträge jeweils zwischen 500 und 1400 Personen. Am meisten waren es in Wattwil im Jahr 2013, als ich über Zwingli und den «armen Mann im Tockenburg» sprach. Damals rechneten wir mit 700 Zuhörern. Es kamen dann 1400. Ein Metzger hatte Hörnli, Ghackets und Apfelmus vorbereitet. Er verwarf die Hände: «Herr Blocher, jetzt sind es doppelt so viele Leute. Es kann bis zwei Stunden dauern, bis ich für die anderen auch gekocht habe.» Ich erwiderte: «Machen Sie das, ich rede, bis Sie fertig sind!»
Nein, nein, in der Regel dauert der Vortrag eine Stunde.
Nein, es gibt «Wintiwurst», Sauerkraut und Kartoffeln. Es soll genug haben für alle.
Nein, das hat sie nicht nötig. Die Berchtoldstag-Reden sind keine tagespolitischen Veranstaltungen. Ich habe sie eingeführt, weil man den Leuten nach den völlerischen Festtagen etwas Geistiges bieten sollte. Der Saal ist immer voll. Diese Vorträge entsprechen offenbar einem Bedürfnis.
Ich provoziere nicht gerne! Aber manchmal muss man es in Kauf nehmen.
Provozieren kommt von «provocare», lateinisch heisst das «hervorrufen». Manchmal braucht es das. Die meisten heutigen Historiker an den Universitäten sind links. Am deutlichsten sah man dies beim 100-Jahr-Jubiläum des Landesstreiks. Die Linken haben es fertig gebracht, diesen als harmlose Veranstaltung zu glorifizieren, gegen die man 200 000 Soldaten eingesetzt hat.
Da fragte ich mich: Waren unsere Väter und Vorväter im Bundesrat und der Zürcher Regierung solche Unmenschen? Ich liess es abklären und kam zum Schluss: Die Verantwortlichen, die diesen Streik inszeniert hatten, wollten am Jahrestag der Russischen Revolution einen Umsturz in der Schweiz. Sie riefen zu Gewalt auf und schrieben von «offenem Bürgerkrieg». Darum musste man die Armee aufbieten.
Keiner hat mir eine Klitterung und Schludrigkeit nachgewiesen. Nachweisbar hat hingegen Nationalrat Grimm 1918 zu einem Umsturz aufgerufen.
Was ist da falsch? Beim wortführenden Geschichtsprofessor in Zürich handelt es sich um einen Marxisten.
Ja, der. Und dem soll nicht widersprochen werden?
Die Deutungshoheit nehmen andere in Anspruch. Die Gelehrten machen sich über Leute ausserhalb ihrer «Zunft», die sich mit Geschichte befassen, lächerlich.
Nein, meine Reden sind meine Reden und nur ich schreibe sie. Aber selbstverständlich ziehe ich Leute bei, die die Fakten – historischer und fachlicher Art – zusammentragen und überprüfen. Dazu gehört auch Christoph Mörgeli, ein hervorragender Historiker, den die linken Geisteswissenschaftler auf übelste Art aus der Uni hinausgemobbt haben.
Ich schreibe jede Rede am Schluss selber. Kommen Sie am 2. Januar und hören Sie zu. Dann werden Sie merken, dass das die Rede des Redners ist!
Es gefällt mir nicht, aber manchmal muss man auch etwas tun, wenn man allein ist. Oft spreche ich aus, was viele Leute denken, aber sich nicht getrauen, es offen zu sagen, weil sie nachher Verunglimpfungen, Verspottung, Verfehlungen ausgesetzt sind. Schon bei der Europa-Abstimmung im Jahr 1992 ... Wie alt sind Sie?
... Dann waren Sie damals ja noch nicht einmal stimmberechtigt ... Der politische Hauptkampf in meinem Leben war es, dafür zu sorgen, dass die Schweiz nicht der EU beitritt. Anfang 1992 stand ich mit dieser Meinung alleine. Und wurde verunglimpft, verspottet, lächerlich gemacht und verfolgt.
Alles was Rang und Namen hatte, verkündete, wenn wir Europa nicht beitreten, verhungern wir in der Schweiz über kurz oder lang. Aber am Schluss hat sich die Mehrheit der Bevölkerung bei 80 Prozent Stimmbeteiligung für die Unabhängigkeit entschieden. Heute stehen wir leider wieder vor derselben Schicksalsfrage ...
Und? Dann gilt das. Leider hat die Mehrheit so entschieden. Aber die SVP lanciert nur Initiativen, bei denen sie im positiven wie im negativen Fall gewinnt. Bei einem Ja profitiert die Schweiz, bei einem Nein die Partei. Es ist wie beim Brettspiel: Man muss Figgi und Müli haben!
Bei dieser Abstimmung sowieso. Was die Mehrheit beschliesst, muss gelten. Aber die Mehrheit hat nicht immer recht. Schauen wir die Weltgeschichte an. Wie war das in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg? War am Schluss in manchen Ländern nicht die Mehrheit auf der Seite Hitlers?
Das nicht. Aber die Gefahr besteht, zu allen Zeiten, dass Leute nur wegen anderer Meinung verunglimpft werden. Darum muss man aufpassen. «Kauft nicht bei Juden», hiess es damals. «Ein Christ kann nicht SVP wählen.» Das sagt Franziska Driessen, die oberste Katholikin von Zürich heute. Eine Anmassung sondergleichen. Sie spricht gleichsam als Gott und verurteilt.
Sie besteht. Aber blühen ist übertrieben. Wenn man eine andere Meinung als die Mainstream-Medien hat, dann bekommt man das zu spüren.
Mir ist die Medienvielfalt wichtig, die eben auch eine Verlagsvielfalt sein muss. Wenn alle Zeitungen demselben Verleger gehören, ist das doch keine richtige Vielfalt mehr. Und die Vereinheitlichung im nationalen und internationalen Bereich ist wohl eine ökonomische Notwendigkeit, aber ein Verlust. Jetzt steht dann sogar in der «Basler Zeitung» dasselbe wie im «Tagi» und in den Zürcher Regionalzeitungen.
Sie hatte alleine wirtschaftlich keine Überlebenschance. Es ist leider so. Aber ich glaube, im Lokalen lässt sich etwas machen. Je globaler die Welt wird, desto mehr interessieren sich die Leute für ihre Heimat. Sie interessiert, was vor der Haustür passiert.
Zum Beispiel die Frage: Was hatten wir für bäumige Menschen in Winterthur? Dazu leiste ich mit meiner Rede am 2. Januar einen Beitrag. In diesem lokalen Bereich sind wir mit unseren 25 Gratisanzeigern jetzt gut aufgestellt – mit rund 800 000 Lesern wöchentlich.
Selbstverständlich! Linken kann das nicht passen.
Nein. Aber es zeigt, wie die Linken denken. Ich habe noch nie gegen das Erscheinen einer linken Zeitung protestiert.
Vielleicht sogar mehr. Wie bei allen Unternehmern besteht auch unser Vermögen nicht aus Geld, sondern aus dem Wert der Unternehmen. Der Wert der Firmen schwankt, das gehört zum Geschäft, aber es ist immer das gleiche Unternehmen. Wertgewinne und -verluste spüren Sie erst beim Ausfüllen der Steuererklärung.
Nein.
Reichtum als Selbstzweck hat keinen Sinn. Der gute Unternehmer wird reich, weil das Unternehmen viel wert ist. Darum freut es mich, wenn unsere Firmen einen hohen Wert haben. Nicht wegen des Reichtums.
Ach was! Wieso soll ich jetzt ein Bonze werden, nur weil die Firmen viel wert sind? Ich wollte Bauer werden, hatte aber leider keinen Hof. Wie das Leben so spielt, wurde ich Unternehmer. Aber ich bin doch noch derselbe wie damals als Lehrling im Zürcher Weinland, der auf dem Acker Härdöpfel aufgelesen hat.
Normalerweise steht dort nichts. Dieses Jahr sind aber zwei CDs erschienen, mit Originalaufnahmen von Karl Barth, einem Theologen, mit dem ich mich gerne beschäftige. Auch er war so ein unmöglicher Provokateur und Einzelkämpfer.
Mein Vater hat mich gelehrt: «Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.»