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Region (LiZ)
Zürich
Seit einer Woche ist der Kindergarten geschlossen: Zu Hause lernen lautet die Konsequenz. Die Schülerinnen und Schüler haben Aufgaben und Lernmaterial erhalten, um sich den Schulstoff in den eigenen vier Wänden aneignen zu können.
Noëlle aus Zürich ist im ersten Kindergartenjahr. Doch seit einer Woche ist der Kindergarten wegen Corona-Virus geschlossen – wie alle schulischen und diverse andere öffentlichen Einrichtungen. Homeschooling ist angesagt, auch für Noëlle. Doch wie geht Kindergarten zu Hause? «Wir bekamen Aufgaben-Material zugestellt. Zum Beispiel ein Youtube-Video zum Thema Schuhe binden. Und Noëlle sollte mit uns in den Wald gehen, um Kräuter zu sammeln. Aber ehrlich gesagt: Meine Kapazität lässt das nicht zu», sagt Noëlles Mutter Anja Rubin am Telefon. Sie und ihr Mann sind zwar beide derzeit im Homeoffice. Doch dort müssen sie arbeiten.
Noëlle nehme eher an dem teil, was ihr grosser Bruder mache. Der ist Erstklässler und lernt gerade schreiben. Ansonsten spiele sie viel mit ihren Puppen. «Sie findet es ganz okay, sie beschäftigt sich gut selber», sagt die Mutter. Und fügt an: «Was sie stresst, ist, dass sie jetzt nicht mit all ihren Freundinnen abmachen darf. Wir beschränken die Kontakte zurzeit auf einen kleinen Kreis.»
Ursina Zindel ist Kindergarten-Lehrerin in Küsnacht und Präsidentin des Verbands Kindergarten Zürich (VKZ). «Es ist eine Zeit, in der unglaublich schnell vieles erschaffen worden ist», sagt sie. «Für die ersten Tage haben wir den Eltern Mails mit Aufträgen für die Kinder geschickt.» Für ihre Kindergartenklasse lautete ein Umweltkunde-Auftrag etwa: «Schau dir das Bild genau an. Welche Dinge können wir an eine Sammelstelle bringen, damit diese wiederverwertet werden können? Kennst du bereits solche Sammelstellen in Küsnacht? Suche mit Mama und Papa Dinge zusammen, die ihr heute gemeinsam entsorgen gehen könnt.»
Für die restliche Zeit bis zu den Frühlingsferien stellte Zindel mit ihren Stufenkolleginnen den Kindergärtlern ein Aufgabenheft zusammen, mit einer Aufgabe pro Tag. Es wurde den Kindern nach Hause geschickt.
Zindel ist bewusst, dass Homeschooling Schwierigkeiten mit sich bringt: «Jedes Kind hat eine andere Situation zu Hause. Teils arbeiten die Eltern im Homeoffice und haben viel zu tun. Andere sind froh um Ideen.» Da Kindergartenkinder Aufträge noch nicht selbstständig erledigen könnten, seien sie beim Fernlernen auf die Hilfe und Zeit der Eltern angewiesen. Besonders schwierig werde es für Eltern mit mehreren Kindern in verschiedenen Schulstufen: «Da sind Eltern oft überlastet», sagt Zindel.
Zudem stehe normalerweise im Kindergarten das soziale Zusammensein im Vordergrund: Die Kinder müssten lernen, sich in einer Gruppe zu bewegen. Wie dies im Homeschooling zu schaffen sei, weiss auch Zindel noch nicht. Dennoch habe sie nach der ersten Woche Kindergarten-Homeschooling viele positive Rückmeldungen erhalten. «Die Kinder freuen sich, wenn sie zu Hause Kindergarten machen können», so die VKZ-Präsidentin. Es brauche aber Zeit, um das Homeschooling weiter zu entwickeln.
Roberto Rodriguez ist Präsident des Stadtzürcher Schulkreises Uto. «Wenn mich vor zwei Monaten jemand gefragt hätte, ob wir innert eines Wochenendes die gesamte Volksschule auf Homeschooling umstellen können – ich hätte ihn für verrückt erklärt», sagt er. Nun zeige sich: Es gehe. Aber nicht reibungslos: «Wir sind daran, herauszufinden, woran es noch hapert.» Beim Kindergarten-Homeschooling komme hinzu, dass die Kinder noch nicht lesen und schreiben können.
Videos könnten helfen, sofern die Technik beim Absender und Empfänger vorhanden sei. Nebst der Technik gebe es noch eine Herausforderung: Sprachprobleme. Mithilfe von Dolmetschern und Anrufen versuche man, dies zu lösen. «Gut, dass bald Frühlingsferien sind. Dann können wir überprüfen, wie wir nachjustieren müssen», sagt Rodriguez.
Marion Völger ist Chefin des kantonalen Volksschulamts. «Der Fernunterricht ist so zu gestalten, dass alle Kinder die Möglichkeit haben, die gestellten Aufgaben oder Aufträge selbstständig zu erledigen. Damit soll die Chancengerechtigkeit so weit als möglich gewahrt bleiben», sagt Völger.