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Wenn zwei Menschen fast jeden Tag miteinander verbringen und nicht von des jeweils anderen Seite weichen, dann kann das die grosse Liebe sein. Ein Messerundgang als vermeintlich heiratswilliges Paar.
Wenn zwei Menschen fast jeden Tag miteinander verbringen und nicht von des jeweils anderen Seite weichen, dann kann das die grosse Liebe sein. Oder aber die beiden arbeiten zufälligerweise Pult an Pult, wie die beiden Schreibenden es tagein, tagaus tun. Gestern machten wir die Probe aufs Exempel: ein Rundgang durch die Zürcher Hochzeitsmesse – inkognito, als heiratswilliges Paar. Nicht auf der Suche nach Trauringen, sondern nach dem typischen Hochzeitsmessen-Gast, dem Feeling, dem Reiz. Und nach Schoggi.
Während echte Paare noch zu Hause in den Federn kuscheln, brunchen oder tun, was Paare halt Sonntagsmorgens so tun, treffen sich die Redaktoren am Bahnhof Oerlikon; zur Tarnung ohne Kugelschreiber und ohne Block, als Kamera muss wohl oder übel das Handy herhalten. Auf dem Weg zur Messehalle die Bastelei an der Kennenlerngeschichte – so etwas ist wichtig, falls man gefragt wird. Wo haben wir uns kennen gelernt? Auf einer Pressekonferenz. Wann wollen wir heiraten? Nächsten Herbst, frühestens. Vielleicht auch erst im Frühling darauf. Haben wir schon eine Location? Nein, wir gehen an die Messe, um ein bisschen zu schneuggen.
Ein Hochzeitsmessenrundgang lässt sich am ehesten mit Pilzlen vergleichen: Freudig legen wir eine gesammelte Visitenkarte, einen Prospekt und einen Flyer nach dem anderen ins Körbchen und bedanken uns artig. Unsere anfänglichen Bedenken, man könnte uns umgehend als falsches Paar enttarnen und uns in hohem Bogen aus der Halle schmeissen, verfliegen. Nichts von alledem geschieht, zu unserer eigenen Überraschung überzeugen wir als Paar. Unsere Kennenlerngeschichte will keiner hören.
Das üppige Apéro-Buffet in Halle 4 tut es uns an. Herzbrote mit den mit Teigschlangen aufgeklebten Namen von Braut und Bräutigam, Metersandwiches, Tomaten-Mozzarella-Spiesschen. Jemand hat sich sogar die Mühe gemacht, die Karottenscheibchen auf dem Sellerie-Brötchen in Herzform zu schnitzen. Wären da bloss nicht die «Bitte nicht berühren»-Schilder! Der aufmerksamen Dame im Abendkleid jedenfalls entgehen unsere sehnsüchtigen Blicke nicht; ab 80 Gästen könne man diese Leckereien für 27 Franken pro Person inklusive Getränke und Ausschenkhilfen ordern. Einen Schwan aus Eis für die Buffetdekoration gibt es für schlappe 135 Franken dazu.
Ein paar Meter weiterein unerwarteter Angriff von der Seite: «Heiter scho es Brüütchleid?» Ein erschrecktes Kopfschütteln. Ertappt? Nein, der Herr aus dem Wallis wittert bloss das Geschäft und holt seine Gemahlin – «sie ist die Expertin» – daher. Die Dame setzt zu einem eingeschliffenen Vortrag über ihre handgefertigte Brautmode an. Wir nehmen ihre Analyse von Oberweite und Taillenumfang zusammen mit den Informationen zur finanziellen Grössenordnung einer Massanfertigung dankend zur Kenntnis und trotten davon.
Die Juwelierstände lassen wir links liegen. Das wäre dann doch zu viel des Guten, spätestens da würde unser Theater auffliegen. Stattdessen laufen wir einer Reisebüroangestellten in die Arme. Wohin es denn in die Flitterwochen gehen solle, fragt sie. Weil wir uns darüber noch keine Gedanken gemacht haben, müssen wir auf dem iPad sieben stimmige Bildchen auswählen. Daraus schlussfolgert der Computer, wohin die Reise gehen soll. Südafrika, Sansibar, Tansania, irgendwas mit Tieren, aber ohne Fische, weil Fische mag die Braut gar nicht, und das auch im echten Leben. Damit wäre auch die Idee des Bräutigams von einer Unterwasser-Hochzeit dahin.
Auch wenn das mit unserer Hochzeit nichts wird, eine Fotografin haben wir gefunden: Nora zeigt uns Alben mit überraschend geschmackvollen Fotos. Sie sei keiner dieser Fotografen, die permanent im Weg stehen würden, und Bräute bilde sie am liebsten in Bewegung ab. Neulich sei sie an einer Hochzeit in Saudi-Arabien gewesen, da habe sie mit Schleier und Handschuhen arbeiten müssen. Als wir zu verstehen geben, dass wir jetzt genug gehört haben, entschuldigt sie sich; sie sei halt Italienerin, loses Mundwerk und so. In einer Ecke findet eine Tonbildschau über nichtreligiöse Hochzeitszeremonien statt. Die Vortragende erklärt, von welcher Seite die Braut in Begleitung welchen Elternteils wohin schreitet. Verwirrt schreiten auch wir weiter, vorbei am Stand einer Versicherung, die für 69 Franken ausgefallene Hochzeiten berappt – bis 20000 Franken Schadensumme.
Nach zweieinhalb Stunden treten wir den Rückzug an. Mit der Erkenntnis, dass es nicht so anstrengend war wie erwartet. Dass eine Messe für Heiratswillige durchaus Sinn macht, weil man alles auf einmal findet. Und, ganz unromantisch, dass sich so ein Besuch schon nur aufgrund der Messerabatte lohnt.