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Zürich
Mitten in Zürich druckt Orell Füssli seit über 100 Jahren Geld. Im Interview gibt Orell-Füssli-Chef Daniel Link Einblicke in die Geldmacherei in Coronazeiten – und Ausblicke auf die Zukunft des Bargelds, des Buchhandels und der digitalen Identität.
Wie oft brauchen Sie im Alltag noch Bargeld?
Daniel Link: Ich brauche fast täglich Bargeld. Jetzt im Homeoffice allerdings etwas weniger, weil der Konsum tiefer ist. Aber bei Kleinausgaben, etwa am Kiosk, bezahle ich mit Bargeld. Grössere Anschaffungen mache ich online.
Corona hat den Alltag verändert. Die Leute nehmen, wie mir scheint, weniger gern Banknoten in die Hand. Wirkt sich das beim Banknotendruck bereits aus?
Nein. Es ist eher das Gegenteil passiert. Wir haben den Geldverbrauch in Coronazeiten verfolgt, es gibt auch eine Studie der Bank of England dazu. Als vor einem Jahr der Lockdown kam, wurden alle Bankomaten aufgefüllt. Und dann hoben die Leute sehr viel Geld ab; man wusste nicht, wie es weitergeht. Im Sommer wurde dann weniger Geld abgehoben, man blieb zu Hause und konsumierte weniger. Gegen Ende Jahr hat sich der Geldverbrauch dann stabilisiert. Was in der Coronazeit passiert ist: Geld ist weniger als Zahlungsmittel gebraucht worden, aber sehr viel mehr als Wertaufbewahrungsmittel. Die Tausendernoten haben geboomt. Die Leute haben Bargeld gehortet. Das hat man in Krisenzeiten immer wieder gesehen.
Im Geschäftsbericht von Orell Füssli für das Jahr 2020 ist zu lesen, dass Sie im Sicherheitsdruck, also im Wesentlichen bei der Banknoten-Herstellung, letztes Jahr einen Rückgang um 14 Prozent verzeichneten. Was sind die Gründe?
Das lässt sich mit dem Rückgang des Auftragsvolumens der Schweizerischen Nationalbank erklären. Die neunte Schweizer Banknotenserie haben wir letztes Jahr fertig gedruckt. Jetzt ist der Druck der Banknotenserie abgeschlossen und wird für einige Jahre im Umlauf sein; wir werden noch kleinere Mengen nachdrucken. Das gleiche Prinzip haben wir mit unserem zweiten Ankerkunden. Das hat weniger mit dem Banknotenmarkt zu tun, sondern mit den Auftragszyklen unserer Kunden.
Erwarten Sie auch fürs laufende Jahr tiefere Erträge im Banknotendruck?
Das wird weiter zurückgehen. Die neunte Banknotenserie ist sehr langlebig. Die Schweiz hat die qualitativ besten Noten der Welt. Daher fokussieren wir uns darauf, weitere Kunden zu gewinnen. Dies ist uns auch im vergangenen Jahr gelungen. Trotz Corona konnten wir neue Kunden wie Costa Rica oder die Bahamas akquirieren. Aber im Vergleich zu Noten anderer Kunden erfordern die Schweizer Banknoten am meisten Prozessschritte. Dies führt dazu, dass unsere Maschinen nun teilweise nicht voll ausgelastet sind.
Welche Unterschiede gibt es im Umgang mit Bargeld zwischen den vielen Ländern, die Orell Füssli mit Banknoten beliefert?
Es gibt enorme Unterschiede. In Europa haben wir alle Internet und Handys. Aber gehen Sie nach Zentralafrika, nach Ostasien, in die Schwellenländer: Dort ist Bargeld mit Abstand das meistgebrauchte Zahlungsmittel. Ein Drittel der Weltbevölkerung hat heute noch kein Bankkonto und kann daher nicht digital bezahlen, sondern ist auf Bargeld angewiesen. Nebst dem Entwicklungsstand eines Landes spielt auch das Klima eine Rolle: In tropischen Ländern wie Indien oder Indonesien gehen Banknoten viel schneller kaputt. Und wir sind weltweit aktiv.
In wie vielen Ländern?
Wir belieferten in den letzten Jahren über ein Dutzend Länder mit Banknoten. Der Grossteil davon ist ausserhalb von Europa. Typischerweise sind das Länder in Afrika, Zentral- und Südamerika sowie Asien.
Sie haben Unterschiede je nach Weltgegend bereits angesprochen. Trotzdem: Der Trend zu bargeldlosen Zahlungen läuft seit Jahrzehnten, zuerst mit dem Aufkommen von Kreditkarten, jetzt mit Zahlungen via Handy. Wie sieht Ihre Prognose für die Zukunft des Bargelds aus?
Ich bin da sehr zuversichtlich. Das Banknotengeschäft ist ein stabiler Markt, er wächst jährlich um rund vier Prozent. Ich denke, es wird weiterhin beides geben: Banknoten und digitales Geld. Banknoten sind immer noch das günstigste Zahlungsmittel. Die Kosten sind tief, verglichen mit Kreditkartengebühren, beispielsweise. Bargeld wird es noch lange geben.
Was macht Sie da so sicher?
Wie gesagt, Banknoten sind immer noch das billigste Zahlungsmittel und sehr praktisch. Bargeld funktioniert immer, auch wenn Sie das Handy nicht dabei oder keinen Strom haben. Aber es gibt von Land zu Land Unterschiede. Und der Preisdruck ist gross, weil es weltweit Druckereien gibt.
Orell Füssli druckt das Geld mitten in Zürich, einer der teuersten Städte der Welt. Wie zukunftsträchtig ist dieser Standort fürs Gelddrucken?
Das ist eine Herausforderung. Wobei die Personalkosten nicht der höchste Kostenanteil sind. Die Materialkosten und Investitionen in die Druckmaschinen fallen stärker ins Gewicht. Die Konkurrenzsituation zum Fernen Osten ist anspruchsvoll. Aber der Banknotendruck ist weiterhin ein europäisch geprägtes Geschäft. Unsere grossen Mitbewerber drucken in Deutschland, England und Frankreich. Wir müssen uns durch Technologie unterscheiden. Orell Füssli ist der Technologieführer und der weltweit beste Drucker.
Ein Wachstumsmarkt ist laut Ihrem Geschäftsbericht die Herstellung digitaler Identität. Das Schweizer Stimmvolk erteilte jedoch kürzlich der digitalen Identitätskarte (ID) eine Absage. Ein Dämpfer?
Die Schweiz hat Nein gesagt zu einer digitalen ID, die von Privaten herausgegeben wird, und fordert eine staatliche Lösung. Im Parlament gab es nach der Abstimmung bereits Motionen, die eine staatliche E-ID Lösung fordern.
Was bedeutet das für private Anbieter wie Sie?
Es dauert etwa länger, dafür kommt eine gute und breit akzeptierte Lösung. Orell Füssli druckt ja bereits heute nicht nur Banknoten, sondern zum Beispiel auch den Schweizer Pass und Führerausweise. Wir haben also auch Erfahrung im Geschäft mit staatlichen Ausweisen. Und die Firma Procivis AG, an der wir beteiligt sind, liefert Softwarelösungen für eine digitale Identität. Wir sind seit vielen Jahrzehnten Partner und Zulieferer von Staaten und Behörden.
Worauf kommt es beim Geschäften mit dem Staat an?
Auf sehr grosse Transparenz, Verlässlichkeit und eine langfristige Perspektive. In anderen Märkten sind Unternehmen oft kurzfristiger ausgerichtet.
Orell Füssli feierte kürzlich sein 500-Jahr-Jubiläum, ausgehend vom Druck der Schriften des Zürcher Reformators Huldrych Zwingli. Welche Zukunft erwarten Sie für den Buchhandel?
Der Rückgang im Buchhandel hat aufgehört. Die jungen Leute lesen weiterhin, einfach anders. Wobei E-Bücher zurzeit bei einem Marktanteil von 10 bis 15 Prozent stagnieren. Beim Buchhandel kann man keine riesigen Wachstumsraten erwarten, aber der Markt ist stabil. Langfristig werden Bücher zunehmend online gekauft. Aber wenn Sie online ein Buch kaufen, müssen Sie genau wissen, welches Sie wollen. Wenn Sie hingegen einfach schmökern oder ein Geschenk für Ihre Schwiegermutter suchen, gehen Sie in den Buchladen, wo Sie sich auch beraten lassen können.
Wie hat sich die Coronakrise auf den Buchhandel ausgewirkt?
Der Buchhandel von Orell Füssli hat letztes Jahr erstaunlicherweise und dank dem starken Online-Geschäft kaum Umsatz verloren. Zudem hat die Coronakrise gezeigt: Man kauft wieder lokal ein. Wir verkleinern auch eher unsere Verkaufsflächen, planen dafür aber mehr Standorte. Die Kunden schätzen es, wenn Sie per Handy ein Buch reservieren und es auf dem Nachhauseweg gleich aus dem Laden in der Nähe mitnehmen können.
Und wie sieht es längerfristig aus?
Der Buchhandel wird zu einem hybriden Geschäft. Wir sprechen vom Omni-Channel-Verkauf: stationär, online und gemischt. Langfristig gibt es mehr Onlinehandel, das gilt nicht nur für Bücher. Aber es wird immer auch Läden brauchen. Die Leute haben im Lockdown das Shopping vermisst. Man möchte sich treffen. Soziale Begegnungen bleiben ein Grundbedürfnis.
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