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Zürich
In eine Fischenthaler Weberei-Familie hineingeboren, sanierte Johann Jakob Keller erst die Finanzen seiner Gemeinde und legte später den Grundstein für die Zürcher Kantonalbank.
Als Johann Jakob Keller, Bankvater der Zürcher Kantonalbank, am 27. März 1823 in Gibswil geboren wird, ist die Welt noch eine andere. Die Schweiz ist ein Staatenbund, vom heutigen Bundesstaat noch einige Jahre entfernt. Napoleon Bonaparte ist zwei Jahre zuvor gestorben, und Brasilien und Mexiko erlangen gerade die Unabhängigkeit von Portugal beziehungsweise Spanien.
Während die Welt sich verändert, bleibt in Fischenthal vieles gleich. Seit 1646 gibt es da beispielsweise die Familie Keller. Ein Nachkomme, Hans Rudolf, kauft im Lanzenmoss, in der Nähe der Wasserscheide zwischen Jona- und Tösstal, ein Haus. Langgestreckt ist es, mit Scheune. Das Dach ist mit Schindeln bedeckt. Später lebt sein Sohn, Hans Jakob, hier mit seiner Frau Anna. Johann Jakob ist ihr erster Sohn.
Johann Jakob Keller lebte von 1823 bis 1903, geboren und gestorben ist er in Fischenthal.
1823
Geburt.
1828
Vater gibt die Landwirtschaft auf, handelt mit Garn.
1839
Besuch der Stadtschule Winterthur, bis der Vater Konkurs anmelden muss.
1843
Tod des Vaters.
1845
Heirat mit Anna Rüegg aus Bauma (mit ihr hat er die Kinder Jacques, Bertha und Anna).
1847
Eine neue Geschäftsidee: Handstickerei.
1851
Wahl zum Gemeindepräsidenten. Wahl zum Friedensrichter.
1854
Wahl in den Kantonsrat.
1855
Tod der ersten Frau.
Amtsantritt als Bezirksrichter.
1856
Heirat mit Caroline Peter (mit ihr hatte er den Sohn Emil).
1857
Tod der zweiten Frau.
1858
Heirat mit Barbara Güttinger (mit ihr hat er die Kinder Paul und Ernst).
1863
Gründung der Spinnerei Gibswil.
1867
Mitglied des Aktionskomitees der Demokratischen Bewegung Zürichs.
1868
Mitglied des Verfassungsrats.
1869
Mitglied Bankrat der ZKB. Mitglied des Nationalrats.
1871
Verwaltungsrat der Tösstalbahn.
1893
Rücktritt Nationalrat.
1903
Tod (die «NZZ» verfasst einen seitigen Nachruf).
Die Familie ist sparsam und fleissig. Meist gibt es Kartoffeln zu essen. Hier und da auch Suppe oder Gerste. Sonntags wird Fleisch aufgetischt. Detailreich werden Kellers Jugendjahre im Buch «Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik» von 1971 beschrieben.
Fünf Jahre nach Johann Jakob Kellers Geburt floriert des Vaters Weberei-Geschäft. Die Familie zieht um nach Mühlebach in ein grösseres Haus. Von langer Dauer ist das Glück nicht. Wenige Jahre später – Johann Jakob Keller ist 16-jährig, besucht gerade die Vorbereitungsklasse zur Matur in der Winterthurer Stadtschule – verliert sein Vater fast alles.
Der Traum vom Theologiestudium platzt, Keller kehrt heim und hilft. In seinem Nachruf wird die NZZ diesen Teil seines Lebens thematisieren und schreiben: «Unser Keller gewöhnte sich hier an zähe Ausdauer bei der Arbeit und an die Überwindung aller möglichen, im Wege stehenden Schwierigkeiten. Sein ganzes Leben hindurch sind ihm diese Charaktereigenschaften treu geblieben.»
1843 stirbt Vater Hans Jakob. Mutter und Sohn übernehmen den Betrieb, führen ihn weiter. Die Armut aber bleibt. Eine neue Erwerbsquelle sehen sie in der Appenzeller Stickerei. Die erste Broderie aus Fischenthal wird an der Zürcher Schifflände verkauft. Doch irgendwann reicht auch das nicht mehr. Die Kellers geben zehn Jahre später das Geschäft auf. Gemeinsam mit seinen Brüdern baut Johann Jakob Keller die Spinnerei Gibswil und daneben ein Wohnhaus, in das er bald zieht.
Keller engagiert sich nicht nur für sein eigenes Geschäft, er will auch, dass der Gemeindeapparat gut läuft. Mit der Amtsführung von J.J. Schoch ist er nicht zufrieden. Unordentlich und parteiisch sei sie. 1850 verfasst er eine Schrift über die Lage Fischenthals. Postwendend kommt es zur Kampfwahl um das Gemeindepräsidium. Als Sieger geht Keller hervor: Mit 360 Stimmen hat er nur 120 mehr als sein Kontrahent.
Keller nimmt sich alsbald der hohen Schulden an. Der Verein für wirtschaftshistorische Studien Zürich hält später in seinem Buch fest, dass sich der Minusbetrag auf 10256 Gulden beläuft. Um diesen zu tilgen, führt Keller eine Heiratsgebühr ein und plant einen Spendenaufruf im ganzen Kanton. Obwohl ihm dieser Schritt unangenehm ist, bringt er Erfolg: 11000 Gulden kommen zusammen.
Die Finanzen sind es dann auch, die Keller Ruhm einbringen und ihn zu einer Persönlichkeit machen, über die man Jahre nach seinem Tod noch schreibt. Zu seiner Zeit sind die Banken vorwiegend in Zürich domiziliert und vor allem an grossen Kunden interessiert.
Für Bauerngeschäfte werden höhere Zinsen verlangt. Wer nicht reich ist, kann einen Kredit praktisch vergessen. Der Missmut im Volk ist gross. Beim Grossen Rat gehen 1849 diverse Petitionen ein, die günstigere, kleine Darlehen und eine Kantonalbank fordern.
20000 Zürcher sind es, die im Dezember 1867 eine Revision der Verfassung fordern. Im Verfassungsrat setzt sich Keller, der seit 1854 Teil des Grossen Rates ist, für die Gründung einer Nationalbank ein. Diese Vorstellung und auch die gesamte Revision der Verfassung wird mit der deutlichen Annahme im Januar 1868 Realität.
Der Kantonsrat heisst am 28. April 1869 die Aufnahme der Staatsbank in die Verfassung gut. Sieben Mitglieder machen sich an die Ausarbeitung des Kantonalbankgesetzes. Darunter ist, nebst einigen Bankfachleuten, auch Johann Jakob Keller.
Im November desselben Jahres stimmen 37157 Menschen dafür und nur 8144 dagegen. Unter Artikel 24 wird festgehalten: «Er errichtet zur Hebung des allgemeinen Kreditwesens beförderlich eine Kantonalbank.» Nur ein halbes Jahr nach der Abstimmung, am 15. Februar 1870, öffnet dann der Schalter der ersten Zürcher Kantonalbank.