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Kunst auf Papier aus sieben Jahrhunderten lässt sich in der Graphischen Sammlung der ETH Zürich entdecken
Es riecht nach altem Papier. Archivschubladen säumen den Saal in einem Seitenflügel des ETH-Hauptgebäudes. Michael Matile holt ein dickes Buch mit Ledereinband hervor. Der Konservator legt es auf einen Tisch der Graphischen Sammlung der ETH Zürich. Seite für Seite sind Radierungen eingeklebt, die der französische Künstler Jacques Callot vor knapp 400 Jahren schuf. Das Einklebebuch entstand im 18. Jahrhundert. «So bewahrte man früher Grafik auf», sagt Matile. Vor Licht geschützt und noch auf säurefreiem Baumwoll-Papier entstanden, blieben Callots Zeichnungen bis heute unversehrt.
Sie sind einer von vielen Kunstschätzen, die in der vor 150 Jahren gegründeten Graphischen Sammlung der ETH Zürich lagern: Rund 160 000 Werke befinden sich in den Schubladen, Archivschachteln und Regalen. Das älteste ist ein um 1450 entstandener Holzschnitt, das neuste eine Farblithografie von David Hominal aus dem Jahr 2016.
1867, zwölf Jahre nach dem Start des Polytechnikums, aus dem später die ETH wurde, kam es zur Gründung der Graphischen Sammlung. Obwohl das Polytechnikum primär technisch ausgerichtet war, wurde dort von Beginn weg auch Architektur und Kunst gelehrt.
Anlass zur Gründung der Graphischen Sammlung war ein Legat des damaligen Zürcher Bürgermeisters in Höhe von 10 000 Franken. «Die Schulleitung wollte sie in eine Kunstsammlung investieren», so Sammlungs-Leiterin Linda Schädler beim gestrigen Medienrundgang. Der erste grössere Kauf war 1870 die Sammlung europäischer Grafik alter Meister aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, die der Maler Johann Rudolf Bühlmann zusammengetragen hatte. Sie kostete das Vierfache des Legats. Zürcher Kunstfreunde, die Stadt, der Kanton und der Bund beteiligten sich finanziell daran. Hinzu kamen immer wieder auch Schenkungen von Privatpersonen, die ihre Kunstschätze der ETH anvertrauen wollten.
Die Werke alter Meister wie Albrecht Dürer und Rembrandt zählen auch heute noch zu den Schwerpunkten der Sammlung. Doch längst ist auch die moderne Kunst stark vertreten. Eine weitere Archivschublade wird geöffnet. Zum Vorschein kommen eine Stierkampf-Lithografie und ein Farblinolschnitt von Pablo Picasso. 110 Werke des spanischen Malers sind in der ETH-Sammlung. Auf Anmeldung können sie im Studienraum besichtigt werden. Ansonsten ist jeweils nur eine kleine Auswahl aus der ETH-Sammlung in wechselnden hauseigenen Ausstellungen zu sehen – dafür gratis und an sieben Tagen die Woche.
Daneben dient die Sammlung Studienzwecken. Leiterin Linda Schädler will damit das interdisziplinäre Denken und Forschen an der ETH stärken. Die früher übliche Praxis, dass Professoren ihre Büros mit Bildern aus der Sammlung schmücken konnten, wurde laut Konservator Matile in den 1990er-Jahren aufgegeben. Einige hätten den Wert der Bilder nicht erkannt und sie nach der Pensionierung einfach mit nach Hause genommen.