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Region (LiZ)
Zürich
Wenn fast nichts offen hat, sind Take-away-Restaurants unsere Rettung, um mal auswärts essen zu können. Vor allem, wenn ein Lebenskünstler wie Nic Newton hinter der Theke steht.
Über dem Eingang seines Take-away-Restaurants Zo0 steht auf dem Vordach ein halber Fiat 500. Das Auto wurde längs in der Mitte durchgeschnitten. «Eines Tages war es einfach da», sagt Nic Newton. Solche Dinge können passieren am Rande des seit Jahren besetzten Zürcher Koch-Areals. Newton nahm seine Spraydosen und integrierte das halbe Auto ins farbenfrohe Design seines Restaurants.
Zwar stehen die umliegenden Bürogebäude weitgehend leer, weil die Leute grossteils im Homeoffice arbeiten. Dafür kämen umso mehr Anwohner vorbei, um sich ein Mittagessen zu holen. «Und wegen Nic», wie ein amerikanischer Stammgast sagt, während er auf einer der Bänke in der Umgebung sein Lunch-Paket auspackt.
Nic Newton ist das, was man umgangssprachlich einen bunten Vogel nennt. Bei unserem Treffen trägt der 50-Jährige mit dem weissen Bart eine mehrfarbig karierte Hose, eine rot-grüne Dächlikappe und ein gelbes T-Shirt. Vor 25 Jahren verliess er seine australische Heimat. Seither reiste er kreuz und quer durch die Welt.
In San Francisco arbeitete er als Snow- und Skateboarddesigner. Nach einer Schulterverletzung zog es ihn nach Malaysia, wo er ein Leben als Künstler plante. Dort lernte er eine Schweizerin kennen und zog weiter in deren Heimat.
Die Beziehung hielt nicht lange, doch Newton blieb in der Schweiz. Eine Zeitlang lebte er im Engadin und baute Iglus in Scuol. «Aber immer, wenn es im Dorf ein neues Graffito gab, hatte ich die Polizei vor der Tür.» Er verliess das Dorf. Nächste Station sollte Zürich sein.
Nach Jahren als freischaffender Künstler, der unter anderem zwei Dutzend Swatch-Uhren designte, in Zürich die Street-Art-Galerie «Blam Blam Blam» gründete und in zahlreichen Restaurants weltweit arbeitete, machte er beim Koch-Areal sein eigenes Restaurant auf. Es befindet sich in einem Gebäude, das zum Zirkusquartier des Zirkus Chnopf gehört. Newton nannte das Restaurant «Zo0», weil die Internet-Adresse Zo0.ch noch zu haben war. «Und weil die Leute uns am Anfang durchs Küchenfenster ansahen, als wären wir Tiere im Zoo.»
Die Leute, das waren oft Angestellte aus dem nahen Bürogebäude einer Grossbank. Sie zogen das bunte Ambiente des graffitiverzierten Take-away-Restaurants ihrer Betriebskantine vor. Kurz nach der «Zo0»-Eröffnung stand wieder die Polizei bei Newton vor der Tür.
Er musste die Einrichtung anpassen, sodass sie den hiesigen Normen entsprach: «Ich brach eine Wand heraus, damit der Laden die erforderliche Mindestgrösse von zehn Quadratmetern übertraf. Vorher waren es acht Quadratmeter», sagt der Koch und lacht. Auch ein ordentlicher Kühlschrank musste her. Zuvor habe er die Lebensmittel in einer Box mit Eis gekühlt.
Inzwischen ist der nur mittags geöffnete Einmann-Betrieb gut etabliert. Auch die Polizei habe ihn seither in Ruhe gelassen, sagt Newton. 30 bis 50 Kunden kämen pro Tag vorbei, das Essen sei bei Betriebsschluss gegen 13.30 Uhr meistens ausverkauft. Und falls Reste übrig blieben, gebe er sie den Bewohnern der nahen Asylunterkunft oder den Hausbesetzern, mit denen er ansonsten nicht viel zu tun habe: «Sie machen ihr Ding, ich meines.»
Für die täglich wechselnden Mittagsmenus lässt sich der Koch von seinen jahrelangen Reisen inspirieren: Mal gibt es Mexikanisches, mal Japanisches, mal Vietnamesisches – doch am gefragtesten sind laut Newton die Burger, die er jeweils freitags anbietet, mit 200 Gramm Rindshackfleisch, dazu Pommes frites und Salat für 18 Franken.
Bei unserem Besuch am Donnerstag ist ein leckerer, dampfender Wurst-Eintopf mit Kartoffelstampf und Salat im Angebot – nebst dem zunehmend gefragten vegetarischen Menü. «Ich mag es unkompliziert», fasst Newton sein kulinarisches Credo zusammen.
Eine unkomplizierte Lösung schwebt ihm auch für die Zukunft vor. Die Stadt Zürich, die das Koch-Areal gekauft hat, will hier 2024 alles ausser einem denkmalgeschützten Holzschuppen abreissen und eine Wohnsiedlung mit Park realisieren.
Newton schlug vor, sein Restaurant in einen Bahnwaggon zu verlagern, den er auf einem alten Industriegleis direkt neben dem Areal platzieren könnte. Noch ist offen, ob daraus etwas wird. Die ersten behördlichen Reaktionen seien nicht allzu ermutigend gewesen. Als Alternative bleibt Newton noch die Rückkehr zur Kunst, die er zunehmend via Internet unter die Leute bringt: «Ich wollte immer ein Künstler sein.»
Zo0, Flurstrasse 85, Zürich, Di-Fr 11-14h.