Zürich
Es könnte eine Milliarde Franken kosten, die Altlasten zu sanieren

Sanieren oder gar nichts machen? Der Kanton braucht länger, um diese Frage für belastete Standorte zu klären.

Patrick Gut
Drucken
An Land erinnert nur noch der Kamin an die ehemalige Papierfabrik Horgen. Im See harrt der Papierschlamm, der über Jahre ins Wasser geleitet wurde, der Sanierung. (Archivbild)

An Land erinnert nur noch der Kamin an die ehemalige Papierfabrik Horgen. Im See harrt der Papierschlamm, der über Jahre ins Wasser geleitet wurde, der Sanierung. (Archivbild)

Patrick Gutenberg

Es sind ehemalige Fabrikareale, auf denen Abfälle aus der Produktion abgelagert und Deponien, in denen Abfälle vergraben wurden. Oder es sind Orte, an denen sich Öl- oder Brandunfälle ereignet haben. Betroffene Flächen sind im Kataster der belasteten Standorte (KBS) verzeichnet. 5735 Einträge verteilt auf den ganzen Kanton Zürich sind es aktuell.

Längst nicht jeder Standort gilt aber als Altlast und müsste deshalb saniert werden. Das ist gemäss heutiger Schätzung des Amtes für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel) lediglich bei rund 9 Prozent – also etwa 500 – der Fall. Mit 370 Standorten machen die Kugelfänge der Schiessstände mit ihrer Belastung durch Blei und Antimon bereits einen grossen Teil der Gesamtzahl an Altlasten aus. 120 Kugelfänge wurden im Laufe der letzten Jahre saniert. Dabei wurden mehr als 400 Tonnen reines Blei zurückgewonnen.

Voruntersuchungen dauern länger

Bei rund 28 Prozent der belasteten Standorte musste zunächst einmal untersucht werden, ob eine Sanierung überhaupt notwendig ist oder nicht. Diese Arbeit hätte im Kanton Zürich 2023 abgeschlossen sein sollen. Wie dem Zwischenbericht des Awel zu entnehmen ist, der am Dienstag publiziert wurde, hat man die Frist nun bis 2028 verlängert.

Der Aufwand steige laufend, weil mehr und mehr fachliche, finanzielle und juristische Fragestellungen aufgeworfen würden, wird die Verzögerung im Zwischenbericht begründet. Pro Jahr konnten bisher 60 bis 90 Voruntersuchungen abgeschlossen werden. In rund 10 Prozent der Fälle erwies sich ein Standort dann effektiv als sanierungsbedürftig. Bei weiteren 16 Prozent fand man gar keine Belastung. Entsprechend hat man sie aus dem Kataster gelöscht.

Der KBS ist also dynamisch. Es können nicht nur Einträge verschwinden, sondern auch neue aufgenommen werden. Das geschieht etwa, wenn in einer Baugrube überraschend Abfälle zum Vorschein kommen. Zunehmend stehen auch neue, gefährliche Schadstoffe im Fokus. Teilweise wusste man nichts von deren Gefährlichkeit oder sie liessen sich mit den zur Verfügung stehenden Analysemethoden nicht entdecken.

Sanierungen verursachen hohe Kosten

Auch wenn der Kanton mit den Untersuchungen im Hintertreffen ist: Am Zeitplan für die Sanierungen ändert sich nichts. Diese sollen weiterhin bis 2040 angegangen werden, wie die Baudirektion am Dienstag mitteilte. Spätestens zwei Generationen nach Inkrafttreten der eidgenössischen Altlastenverordnung im Jahr 1998 sollten die Altlasten kein Thema mehr sein.

Die Sanierungen sind gleichzeitig der aufwendigste und teuerste Schritt. Das Awel schätzt, dass Kosten für altlastenrechtliche Massnahmen in Höhe von bis zu 1 Milliarde Franken entstehen könnten. Die Bandbreite bei den Sanierungsprojekten ist riesig, wie Jean-Claude Hofstetter, der Leiter der Sektion Altlasten beim Awel, auf Anfrage sagt: «Zwischen 50000 und 20 Millionen Franken kann eine Sanierung kosten.» Es gilt das Verursacherprinzip. Wenn kein Verursacher greifbar ist, muss der Kanton die Kosten tragen. Unter gewissen Bedingungen beteiligt sich der Bund.

Als Grossprojekte stehen laut Hofstetter in den nächsten Jahren drei Seegrundsanierungen an. Ab Ende 2021 findet die Sanierung der Altlasten der Chemie Uetikon statt. Es folgt die Sanierung des Papierschlamms, den die ehemalige Papierfabrik Horgen über Jahre in den Zürichsee geleitet hat – wobei hier noch um die Finanzierung gestritten wird. Und drittens müssen die Verunreinigungen mit Schwermetallen vor dem Richterswiler Horn entfernt werden. Diese wurden durch verschiedene Industrieunternehmen verursacht. Das Awel hat einen Kostenteiler erlassen.