Häusliche Gewalt
Elektronische Überwachung soll besseren Schutz bringen

Mit elektronischen Fussfesseln gegen häusliche Gewalt und Stalking: Ab 2022 soll dies auch in zivilrechtlichen Verfahren gelten. Der Zürcher Regierungsrat hat die entsprechende Gesetzesänderung verabschiedet. Kantonsräte sehen Vor- und Nachteile.

Matthias Scharrer
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Ein GPS-Sender am Fussgelenk, auch elektronische Fussfessel genannt.

Ein GPS-Sender am Fussgelenk, auch elektronische Fussfessel genannt.

Keystone

Sogenannte elektronische Fussfesseln sind im Strafvollzug bereits gebräuchlich. Künftig sollen sie auch in zivilrechtlichen Verfahren bei häuslicher Gewalt oder Stalking zum Einsatz kommen. Zum Beispiel in Eheschutzverfahren bei einer Trennung.

Annäherungs-, Orts- und Kontaktaufnahmeverbote sind schon heute möglich. Künftig soll ihnen durch elektronische Überwachung per GPS-Sender am Fussgelenk Nachdruck verliehen werden. «Wenn beispielsweise ein Ehemann seine Frau bedroht und ein Gericht ein entsprechendes Kontaktverbot ausgesprochen hat, lässt sich so überwachen, dass er sich nicht in der Nähe ihres Wohnsitzes aufhält», erklärt Linda Peter von der kantonalen Direktion der Justiz und des Innern.

Die elektronische Überwachung kann etwa ein Eheschutzgericht oder Scheidungsgericht auf Antrag der klagenden Person anordnen, schreibt der Zürcher Regierungsrat in seinem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss zur Umsetzung der bundesrechtlichen Neuerung.

Ortsdaten können als Beweismaterial dienen

Die Aufzeichnung der Ortsdaten durch das GPS-Gerät erfolgt automatisch. Wenn nichts Unerlaubtes passiert, soll einzig ein Schlussbericht ans Gericht gehen und dort zu den Akten gelegt werden, erklärt Peter; so sei es im Hinblick auf die vom Regierungsrat noch zu erlassende Verordnung angedacht. Ansonsten können die Daten als Beweismaterial für Verstösse gegen Anordnungen verwendet werden. «Die Idee ist, dass gewaltbetroffene Personen künftig besser geschützt sind», so Peter weiter.

Die elektronische Überwachung dauere maximal sechs Monate, könne aber gemäss Bundesrecht um weitere sechs Monate verlängert werden. Wenn es sich um eine vorsorgliche Massnahme handle, sei eine Verlängerung jedoch ausgeschlossen.

Die Kosten für eine dreimonatige elektronische Überwachung beziffert der Regierungsrat auf rund 11'700 Franken. Empfohlen wird, dass die überwachte Person wie heute im Strafrecht üblich pro Tag 20 Franken selber bezahlen muss. Welcher Tarif im Einzelfall angemessen ist, wird das Gericht festlegen. Der Rest der Kosten geht zu Lasten des Kantons.

Laut Peter dürfte die elektronische Überwachung nur in relativ wenigen zivilrechtlichen Fällen zur Anwendung kommen. Für die Durchführung des elektronischen Monitorings (EM) soll gemäss Regierungsrat die bereits bestehende kantonale EM-Vollzugsstelle bei Justizvollzug und Wiedereingliederung zuständig sein.

Über die vom Regierungsrat vorgelegte Gesetzesanpassung muss nun noch der Kantonsrat entscheiden. GLP-Kantonsrätin Andrea Gisler beschäftigt sich als Anwältin und Vorstandsmitglied des Frauenhauses Zürcher Oberland häufig mit Fällen von häuslicher Gewalt. Sie rechnet nicht mit grösserem Widerstand im Parlament. Gisler begrüsst die Neuerung:

Das ist ein gutes Mittel. Häufig will die klagende Person ja nicht, dass der andere bestraft wird, sondern dass er sie einfach in Ruhe lässt.

Zum Schutz von Opfern sei die elektronische Überwachung daher ein sinnvolles und verhältnismässiges Instrument.

Valentin Landmann, Anwalt und SVP-Kantonsrat, findet die geplante neue EM-Anwendung ebenfalls sinnvoll. Er betont jedoch: «Einen schweren Gewalttäter kann man damit nicht aufhalten.» Zudem komme es darauf an, was passiert, wenn jemand sich nicht an die mit der elektronischen Überwachung verbundenen Anordnungen hält. Auf jeden Fall sei das GPS-Monitoring ein psychologisch wirksames Mittel, dass seinem Träger die Botschaft vermittle: «So, jetzt pass auf.»

«Damit wird die Unschuldsvermutung unterlaufen»

Kritischer äussert sich Markus Bischoff, ebenfalls Anwalt – und AL-Kantonsrat: «Aus grundrechtlicher Sicht bewegt sich der Gesetzgeber auf ein heikles Gebiet. Ohne dass jemand strafrechtlich verurteilt wird, wird er wie ein Straftäter oder eine Straftäterin mittels Fussfesseln überwacht und in seiner Freiheit eingeschränkt.»

Wer eine elektronische Fussfessel trage, könne beispielsweise viele Sport- und Freizeitaktivitäten nicht mehr ausüben. Zudem laufe er oder sie Gefahr, dass das Gerät von Dritten erkannt und als Zeichen für den Vollzug einer Freiheitsstrafe verstanden werde. «Damit wird die durch die Verfassung geschützte Unschuldsvermutung unterlaufen», sagt Bischoff.