Rote Zahlen
Eine tiefe Stimmbeteiligung kann das Budget entlasten

Sparen, das wollen oder müssen fast alle der 170 politischen Gemeinden im Kanton Zürich. Doch wo können sie noch Leistungen kürzen? Eine Auswahl kreativer Ideen.

Oliver Graf
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Unterschiedliche Spar-Strategien: Winterthur hofft auf einen milden Winter (Winterdienst!), die Stadt Zürich setzt auf einen richtigen Sommer (Badi-Eintritte!)

Unterschiedliche Spar-Strategien: Winterthur hofft auf einen milden Winter (Winterdienst!), die Stadt Zürich setzt auf einen richtigen Sommer (Badi-Eintritte!)

Keystone

Illnau-Effretikon - Kleinvieh macht auch etwas Mist

Der Spardruck bei den Zürcher Gemeinden ist gross. Dies zeigen die bislang vorgestellten Budgets. Doch viel Spielraum, um den Rotstift anzusetzen, bleibt den Finanzvorständen nicht. An einem grossen Teil der Ausgaben können sie gar nicht erst herumschrauben – sie sind von Bund oder Kanton gesetzlich vorgegeben. Der Gemeinderat von Wald hatte bei der Präsentation eines seiner Budgets denn auch schon lakonisch festgehalten: «Eigentlich hat die Gemeinde nur im Bereich Freizeit und Kultur gewisse Freiheiten, wie zum Beispiel für das Freibad, Hallenbad oder für die Bibliothek.»

Der Stadtrat von Illnau-Effretikon kämpft – wie viele andere Behörden – mit einem Defizit. Deshalb will er sparen, eine Million Franken weniger will er im Jahr ausgeben. Finanzvorstand Philipp Wespi spricht von einem «ambitiösen Ziel». Denn: «Eine Million entspricht etwa drei bis fünf Prozent aller Ausgaben, über die unsere Stadt ohne übergeordnete Gesetze frei verfügen kann.» Der Stadtrat setzt auf viele kleine Massnahmen; von über 150 aus Verwaltung und Bevölkerung vorgeschlagenen Ideen hat er 51 als realistisch taxiert. Er will nun unter anderem die Städtepartnerschaften überprüfen, den Lotsendienst für Schüler reduzieren und den Schneesporttag an der Oberstufe streichen. Das sind kleine Einschnitte – doch es sind solche, die kommunale Leistungen betreffen und deshalb von den Einwohnern bemerkt und kritisiert werden. Die Budgetdebatten dürften in diesem Spätherbst, nicht nur in Illnau-Effretikon, emotional werden.

Zürich - Keine neuen Kleider für die Stadtpolizei

Die Stadt Zürich muss, wen wunderts, ebenfalls sparen. Der Stadtrat hat bereits verschiedene Massnahmen ergriffen oder angekündigt. So hatte er vor den Sommerferien im Juli schon erklärt, dass er die Eintrittspreise für die Schwimmbäder von 7 auf 8 Franken erhöhen will. Die Einsparungsmöglichkeiten – also die Rechnungsoptimierungen oder noch einfacher gesagt die Mehreinnahmen – werden auf jährlich 800 000 Franken veranschlagt. Das klingt nach viel. Macht sich im städtischen Budget mit seinem Gesamtaufwand von 8,6 Milliarden Franken aber noch nicht so richtig bemerkbar.

Deshalb hat der Stadtrat nun bei der Vorstellung des aktuellen Voranschlages weitere Sparmassnahmen in Aussicht gestellt (Ausgabe von gestern). Zürich hat dabei dasselbe Problem wie die anderen 169 politischen Gemeinden; die Stadt weiss noch nicht genau, wo sie die «spürbaren Eingriffe» ansetzen will und kann. Einzig ein paar kleine Schnitte sind schon klar. So müssen etwa Stadtpolizisten ihre Uniformen länger tragen. Auch deren Fahrzeuge sollen länger im Einsatz bleiben, bis sie ersetzt werden. Das Sparpotenzial wird auf 920 000 Franken (Kleider) und 540 000 Franken (Autos) veranschlagt.

Es bleibt zu hoffen, dass die Polizei auch mit älteren Fahrzeugen weiterhin Raser einholen kann – sonst fehlen am Ende noch Busseneinnahmen und das Budget droht schon wieder in Schieflage zu geraten. Und auch ein Sommer muss dann im nächsten Jahr erst einmal kommen – sonst wird es nichts mit den erhofften Badi-Mehreinnahmen.

Winterthur - Eine Nachtruhe für die Schneeschaufler

Die zweite Grossstadt im Kanton sieht ebenfalls rot, wenn sie auf ihre Budgets und Jahresrechnungen blickt. Auch in Winterthur bestehen jahrein, jahraus Defizite in Millionenhöhe. Im Kampf gegen die roten Zahlen hat der Stadtrat bereits zahlreiche Massnahmen ergriffen, viele davon erst auf Druck des Parlamentes. So hat er – nach anfänglichem Zögern – auch seinen eigenen Lohn reduziert, der zuvor noch über den Ansätzen der Stadtzürcher Exekutive gelegen hatte.
Eine der bereits eingeleiteten Sparmassnahmen hatte die Winterthurerinnen und Winterthurer am meisten aufschrecken und Leserbriefe verfassen lassen: Der Winterdienst wurde vergangenes Jahr im Zuge eines lauten Streichkonzertes reduziert. Nicht entlang der Hauptverkehrssachen zwar. Aber die Mitarbeiter in den Quartierstützpunkten stapfen bei Schneefall nicht mehr von 4 bis 23 Uhr in die Eiseskälte hinaus. Sie schaufeln den Schnee auf den Trottoirs in der Regel nur noch zwischen 7 und 18 Uhr weg.
Das Sparpotenzial dieser «verkürzten Betriebsbereitschaft» wurde auf 100 000 Franken beziffert. In einem Gesamtbudget mit einem Aufwand von rund 1,5 Milliarden Franken ist auch das nur ein Klacks. Und mehr Einfluss hat ohnehin das Wetter. Denn schneit es an vielen Tagen, müssen die Schaufler – trotz kürzerer Einsatzzeit – öfter ausrücken. Und auch auf den Hauptstrassen muss dann häufiger und intensiver gepflügt werden. Während also Zürich auf schöne Sommer setzt, hofft Winterthur auf milde Winter.

Pfäffikon, Luzern, Krefeld - Weg mit Papier, Schule und Radweg

Geht es um Sparbemühungen, zeigen sich die Verantwortlichen durchaus kreativ. So hat der Pfäffiker Gemeinderat schon 2006 eine Massnahme beschlossen, die zwar alle Einwohner betrifft, aber nur von einem kleinen Kreis der Bevölkerung bemerkt wird. Er verzichtet seither nämlich darauf, vor den Gemeindeversammlungen allen Haushalten ein Weisungsbüchlein in gedruckter Form zukommen zu lassen.
Zuvor waren jeweils 5000 Weisungen gedruckt und verteilt worden. Die Versammlungen waren durchschnittlich aber lediglich von 173 Stimmberechtigten besucht worden. «Aufgrund dieser Fakten ist davon auszugehen, dass ein Grossteil der Weisungsbüchlein ungelesen im Altpapier landet», hielt der Gemeinderat fest. Er bezifferte das Sparpotenzial auf jährlich rund 30 000 Franken. Was auf den ersten Blick wenig erscheint, entspricht laut Gemeinderat immerhin «dem Sechstel eines Steuerprozentes». Die generell tiefe Gemeindeversammlungs-Beteiligung kann so also das Budget entlasten. Sie hilft aber auch der Umwelt – Pfäffikon geht von 1,6 Tonnen verhindertem Altpapier im Jahr aus.
Auch ausserhalb des Kantons wird gespart. Der Kanton Luzern plante eine Woche Zwangsferien für Gymnasiasten, damit Lehrer Überstunden abbauen können (Sparpotenzial: 8 Millionen). Und auch im Ausland wird gestrichen, was das Zeug hält: Das deutsche Krefeld überlegt sich derzeit beispielsweise gar eine Aufhebung der «Radwegebenutzungspflicht». Damit wäre die (teure?) Pflege der Radwege nicht mehr nötig.