Hamburg
Ein Jahr auf Bewährung: Milde Strafe für Zürcher G-20-Flaschenwerfer

Ein 29-jähriger Zürcher wurde nach Ausschreitung anlässlich des G-20-Treffens verurteilt.

Marianne Koller
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In den Prozessen im Zusammenhang mit den G-20-Krawallen vom vergangenen Juli gab es mehrere Haftstrafen. key

In den Prozessen im Zusammenhang mit den G-20-Krawallen vom vergangenen Juli gab es mehrere Haftstrafen. key

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Nach einem G-20-Protest in Hamburg hat ein junger Zürcher grundlos zwei Flaschen auf Polizisten geworfen. Vor dem Hamburger Amtsgericht hat er gestern die Tat bereut und versichert, er sei kein Gewalttourist. Der Richter glaubte ihm und verurteilte ihn zu einem Jahr Haft auf Bewährung.

Der Richter sprach den 29-Jährigen der versuchten gefährlichen Körperverletzung und des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte schuldig. Der Angeklagte hatte den Vorwurf gleich zu Beginn der Verhandlung gestanden und Reue gezeigt.

Er sei am 5. Juli von Zürich nach Hamburg gefahren, um friedlich gegen den G-20-Gipfel zu demonstrieren, sagte er vor Gericht. Am Abend nach einer Demonstration unter dem Motto «Lieber tanz ich als G20» sei er betrunken gewesen und habe in einer Situation, in der er die Kontrolle verloren hatte, die Flaschen geworfen.

Der Staatsanwalt forderte eine Strafe von anderthalb Jahren auf Bewährung. Die Verteidigerin sprach sich dafür aus, wegen der zweimonatigen Untersuchungshaft unter schwierigen Bedingungen von einer Strafe abzusehen.

Der Angeklagte hatte in seinem Geständnis betont, dass er nicht nach Hamburg gekommen sei, um Randale zu machen. Er sei kein «Gewalttourist» gewesen.

«Moment der Kopflosigkeit»

Am Abend des 5. Juli habe er jedoch einen schweren Fehler gemacht: «Es stimmt, dass ich im Moment der Kopflosigkeit zwei Flaschen in Richtung der Polizisten geworfen habe.» Das tue ihm sehr leid. «Ich habe hinter den Visieren der Schutzausrüstung nicht mehr den Menschen gesehen», erklärte der 29-Jährige.

Eine der Flaschen hatte einen Beamten nur knapp verfehlt, weil ein Kollege ihn rasch zur Seite gezogen hatte. Die zweite Flasche zerschellte einen Meter vor den Füssen der Beamten, wie zwei Polizisten als Zeugen aussagten.

Wenig später war der Angeklagte in ein Handgemenge mit Passanten geraten. Anlass war das Zertreten von Glasflaschen gewesen. Offenbar hatten Splitter die Passanten getroffen. Der 29-Jährige sagte aus, er und sein Begleiter seien von zwei Männern angegriffen worden.

Der Staatsanwalt ordnete den Angeklagten in die Gruppe der sogenannten erlebnisorientierten jungen Erwachsenen ein. Der Restaurantbesitzer und Vater einer kleinen Tochter sei weder ein Linksextremist noch ein gewöhnlicher Krimineller.

Der Anklagevertreter wies in seinem Plädoyer jedoch darauf hin, dass die Strafen für Angriffe auf Polizisten kurz vor dem G-20-Gipfel verschärft worden seien. «Der Gesetzgeber will es nicht hinnehmen, dass bei Versammlungen Polizeibeamte angegriffen werden», betonte er. Das frühe Geständnis des Angeklagten schon beim Haftrichter müsse sich aber strafmildernd auswirken.

Die Verteidigerin erklärte, dass ihr Mandant nach einer Haftprüfung gegen Kaution freikommen sollte und er schon seine Sachen packen durfte. Dann habe die Staatsanwaltschaft Haftbeschwerde eingelegt. Diese Haftverzögerung sei rechtsstaatswidrig gewesen. Ausserdem habe er wochenlang keinen Kontakt zu ihr und seiner Familie haben können. Zudem dürfe das Gericht wegen der Ausnahmesituation beim G-20-Gipfel nicht zu stark mit der Generalprävention argumentieren.

Richter: «Es war ganz gruselig»

Das wies der Richter in seiner Urteilsbegründung zurück: «Es war fast wie im Kriegszustand, es war ganz gruselig», sagte er über die Ereignisse Anfang Juli in Hamburg. Darum sei ein generalpräventives Urteil richtig.

Der Angeklagte habe bis zum Prozess in Haft sitzen müssen, weil die Schweiz keine eigenen Staatsbürger ausliefere. Der Prozess wäre sonst vom Wohlwollen des 29-Jährigen abhängig gewesen. Und direkt an den jungen Mann gewandt fügte er hinzu: «Ich hoffe, dass Sie nie wieder so einen Blödsinn machen und eine Flasche werfen.»

In den vier vorangegangenen Prozessen im Zusammenhang mit den G20-Krawallen sind alle Angeklagten zu Haftstrafen verurteilt worden. Das Strafmass reicht von sechs Monaten auf Bewährung bis zu zwei Jahren und sieben Monaten ohne Bewährung. (sda)