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Alex Rübel ist seit einem Vierteljahrhundert Direktor des Zoos Zürich. Er sagt, wie sich das Verhältnis zum Tier gewandelt hat, was die Aufgabe des Zoos ist und weshalb die Tiere nicht bloss nach ihrer Attraktivität beurteilt werden.
Alex Rübel: Der Zoo ist ein Spiegel der Gesellschaft. Methoden und Ziele verändern sich mit dem gesellschaftlichen Verständnis gegenüber dem Tier. Dieses hat sich massiv gewandelt. Da müssen wir mitgehen, denn wir sind eine Kulturinstitution, gemacht von Menschen für Menschen.
Früher haben wir uns vor den grossen Tieren gefürchtet, heute dominiert der Mensch die Tierwelt uneingeschränkt, das führt einerseits zu einer vermehrten Bedrohung der Tierwelt, andererseits zu einer zunehmenden Vermenschlichung. Zum Glück werden die Tiere, von denen wir heute viel mehr wissen, aber auch als Mitgeschöpfe wahrgenommen, denen wir Sorge tragen und ihnen ein lebenswertes Leben schulden.
Sie wollen nach einem Besuch heimgehen und sagen, sie haben etwas gelernt. Unser Anspruch ist es, die Leute für die Erhaltung der Tierwelt zu sensibilisieren.
Ja. Die Resultate unserer Umfragen bestätigen das. Früher kam man primär in den Zoo, um Tiere anzuschauen. Heute sagen 80 Prozent der Befragten, seine Aufgabe sei der Naturschutz. Wir sind heute zuallererst eine edukative Institution. Als wichtigstes Mittel haben wir das lebendige Tier. Es erfasst die Besucher emotional und es ist die Grundlage, damit die Leute bereit sind, etwas für den Naturschutz zu tun.
Damit wir unsere Botschaften an unsere Besucher bringen, darf und soll der Zoobesuch Vergnügen bereiten. Wollen wir unsere Ziele erreichen, müssen wir attraktiv bleiben, sonst kommt niemand. Der Zoobesuch soll ein Erlebnis sein, aber im Unterschied zum Vergnügungspark ein lehrreiches. Wir haben den grossen Kinderspielplatz beispielsweise bewusst in die Nähe der Masoala-Halle gebaut. Die Halle verlangt dem Besucher Geduld ab. Kinder sollen danach den Kopf auslüften können. Fühlen sie sich wohl, sind sie bereit, etwas zu lernen. Die Wohlfühlaspekte, die nicht auf den ersten Blick mit den Tieren zu tun haben, spielen deshalb eine wichtige Rolle und tragen zur Bereitschaft bei, sich für die Tierwelt einzusetzen.
Die Attraktivität ist ein Kriterium, es gibt zahlreiche weitere. Etwa, was wir mit dieser Tierart vermitteln können oder ob sich eine Tierart in unserem Klima gut halten lässt.
Wir mussten uns auf weniger Tierarten beschränken, deren Haltung sehr aufwendig ist. Der Eisbär hätte grosse Landreserven bedingt und grosse Wasserbereiche. Wir befinden uns zuoberst auf dem Hügel und Wasser ist für uns daher sehr teuer. Wir können und wollen nicht sämtliche grossen Tierarten halten.
Von den grossen haben wir auch auf die Flusspferde, den Panther und die Schimpansen verzichtet.
Das würde ich so nicht sagen. Wir wollen ganz bewusst die Vielfalt der Tierwelt zeigen. Da gehört auch das Mäuschen dazu.
Nein. Da steht ganz klar die Tierhaltung im Vordergrund. Ist ein Gehege 20 Jahre oder älter, besteht automatisch Handlungsbedarf. Wir können aber nicht alles aufs Mal machen.
Masoala ist ein schwieriges Projekt. Politisch ist Madagaskar instabil. Die Madegassen leben von der Brandrodung. Heute existieren noch rund vier Prozent des ursprünglichen Regenwaldes. Wenn sich an der Lebensweise nichts ändert, dauert es noch rund zehn Jahre und der Regenwald ist weg.
Ja. Der Druck auf die Natur hat leider keineswegs nachgelassen. Seit wir auf Madagaskar aktiv sind, hat sich die Bevölkerung mindestens verdoppelt. Der Masoala-Regenwald ist eine der artenreichsten Gegenden der Welt. Wir konnten die Abholzung in Masoala von 3 Prozent auf 1 Prozent reduzieren. Es wäre schön, wenn es uns gelänge, dort noch weitere positive Beiträge zu leisten.
So schön der Zoo ist: Ich will die Tiere in der Wildnis erhalten. Das Leben basiert auf der Biodiversität. Zerstören wir sie, sind wir früher oder später ebenfalls nicht mehr hier.
Konkurrenz belebt. Mit Lewa, einem Naturschutzgebiet in Kenia, verbindet uns seit über 50 Jahren eine lose Zusammenarbeit. Wir wollten deshalb ein Naturschutzprojekt mit Afrika realisieren. Und da gehören neben den Nashörnern und Zebras die Giraffen dazu.
Aus der ZVV-Region ist man von beinahe jeder Destination aus eine halbe Stunde rascher im Zoo, wenn man via Stettbach reist. Das mühsame Umsteigen im HB ist der Hauptgrund, wenn Zoo-Besucher nicht den öV benützen.
Nein. Wir wollen, dass die Besucher den öffentlichen Verkehr benutzen. Letztes Jahr lag die Quote bei rund 50 Prozent. Vor zehn Jahren waren es noch etwa 35. Heute haben wir rund 250 Parkplätze weniger als vor 25 Jahren.
Das bin ich. Vermutlich wird das aber erst nach meiner Zeit als Zoo-Direktor sein.
Relativ wichtig. Ich kann selbstverständlich nicht einfach auf mögliche Gönner zugehen und Geld verlangen. Ich muss überall auftreten, Vorträge halten, Leute begrüssen. Das macht einen Viertel bis ein Drittel meiner Arbeit aus.
Ich mache das gern. Manchmal wird es aber viel. Gerade jetzt halte ich praktisch täglich Vorträge, selbstverständlich immer am Abend. Da merke ich, dass ich etwas älter geworden bin.
Unsere Qualität hängt davon ab, wie wir unsere Tiere halten. Ausserdem davon, wie wir den Besuchern unsere Werte näherbringen. Je effizienter wir arbeiten, desto mehr Geld können wir in unsere ideellen Ziele investieren.
Ich hätte Ideen für weitere 20 Jahre. Die Menschenaffen brauchen beispielsweise ein neues Zuhause. Handlungsbedarf gibt es auch bei den Vögeln und allenfalls den Robben. Eine wichtige Aufgabe für meinen Nachfolger wird es zudem sein, die Leute zusammenzuhalten, die den Zoo tragen.