Tourismus
«Die virtuelle Stadtführung ist sehr gut angekommen»

Tourguide Sandra Claus begann während des Lockdowns im Frühling mit Online-Angeboten für virtuelle Zürich-Reisen. Nun expandiert sie nach Luzern, Basel und ins Ausland.

Matthias Scharrer
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Nachdem reale Stadtführungen Corona zum Opfer fielen, setzt Sandra Claus nun auf virtuelle – nicht nur in Zürich.

Nachdem reale Stadtführungen Corona zum Opfer fielen, setzt Sandra Claus nun auf virtuelle – nicht nur in Zürich.

Stephan Fässler/zvg

Im Frühling lancierten Sie eine virtuelle Stadtführung durch Zürich, nun haben Sie auf der neuen Plattform virtualcitytours.org solche Angebote auch für Luzern und Basel realisiert. Wie hat sich das Geschäft mit den filmischen Online-Reisen im Coronajahr entwickelt?

Sandra Claus: Die virtuelle Stadtführung ist sehr gut angekommen. Gleichzeitig merkte ich, dass ich auf der damals gewählten Plattform zu wenige Möglichkeiten hatte, um auf die Anfragen, die ich bekam, einzugehen. Daraus entstand die Idee, eine eigene Plattform zu kreieren, um so auch grössere Kunden wie Hotels oder Grossfirmen anzusprechen.

Welche neuen Möglichkeiten haben Sie sich geschaffen?

Zum Beispiel können Hotels eine grössere Anzahl Links kaufen, um Sie Ihren Kunden gleich nach einer Buchung als Willkommensgruss zu schicken.

Können Sie tatsächlich Geld verdienen mit den virtuellen Stadtführungen?

Ja, schon im Frühling hat sich gezeigt, dass die Nachfrage gross ist. Wir recherchierten und sahen, dass es so etwas noch nicht gab. Und fanden: Nur für Zürich allein lohnt es sich nicht, eine eigene Plattform aufzuschalten. So fingen wir an, andere Städte an Bord zu holen. Das ist uns dann mit Luzern und Basel gelungen. Zudem sind Videoprojekte in Salzburg, Amsterdam und Stockholm angelaufen.

Das läuft jetzt gerade?

Ja. Die Idee ist, dass Tourguides oder Tourismusbüros aus der ganzen Welt virtuelle Führungen über unsere Plattform verbreiten können. Das soll eine Drehscheibe für professionelle Tourguides und interessierte Städtebesucher werden.

Sie verlangen 3,50 Franken pro Ansicht für einen viertelstündigen Film. Wie viele Leute sind bereit, das zu zahlen?

Die neue Plattform ist erst seit einer Woche online. Als ich im Frühling mit dem Zürich-Film startete, verlangten wir 2 Franken pro Ansicht. Bis jetzt haben etwa 3000 Leute diesen Film angeschaut. Jetzt sind die Filme etwas aufwendiger. Und für das Inkasso müssen wir bei jeder Überweisung einen fixen Betrag bezahlen, egal, wie hoch unser Umsatz ist. Gleichzeitig ist die Idee, dass auch andere Tourguides und Tourismusbüros, die jetzt unter der Coronakrise leiden, über solche Filme ein Einkommen erhalten.

Sie sind auch Tourguide. Wie sind Sie eigentlich über die Runden gekommen in diesem Krisenjahr?

Gar nicht. Ich hätte praktisch nichts zu tun gehabt, wenn ich das Projekt Virtual City Tours nicht gehabt hätte. Im Sommer gab es zwar eine Erholung mit vielen Buchungen. Im September sah es auch noch gut aus. Doch dann kamen die verschärften Massnahmen – und alles wurde annulliert. Auch fürs neue Jahr kommen bis jetzt keine Buchungen rein.

Brachte Ihre virtuelle Zürich-Stadtführung einen finanziellen Ausgleich?

Das virtuelle Angebot hat das Ganze zwar etwas entschärft, doch wir sind immer noch daran, die Kosten für den Film zu amortisieren.

Haben Sie als Selbstständige in der Tourismus- und Eventbranche, die derzeit stark leidet, Hilfe von der öffentlichen Hand erhalten?

Ich habe es nicht beantragt, weil ich in der glücklichen Lage bin, dass mein Mann immer noch einen Job hat, bei dem ein regelmässiges Einkommen hereinkommt.

Sie haben die Virtual City Tours zusammen mit Ihrem Mann lanciert. Wie sieht die Aufgabenteilung aus?

Ich habe die Videos gemacht. Er hat seine Arbeit vor allem in die Technik im Hintergrund der Plattform investiert sowie in rechtliche Fragen.

Wie reagiert das Publikum?

Zum Beispiel sprachen Altersheime stark auf unser Angebot an. Viele fragten: «Habt ihr noch mehr virtuelle Führungen? Nur für einen 15-minütigen Film die ganze Belegschaft zusammenzutrommeln, lohnt sich fast nicht.» Jetzt können wir immerhin drei virtuelle Stadtführungen anbieten. Von der Universität Zürich kamen auch Anfragen, weil sie ihre Veranstaltungen für neu nach Zürich gekommene Studierende nicht mehr vor Ort machen konnte. So konnten wir auch einige Links verkaufen. Ebenso schicken manche Grossfirmen neuen Mitarbeitenden, die nach Zürich komme, als erstes den Link zu unserem Film.

Da hat sich also durch die Corona-Situation ein neues Geschäftsfeld aufgetan...

...auf jeden Fall. Es ist eine Ergänzung. Es soll nicht so sein, dass man keine realen Stadtführungen mehr macht.

Sehen Sie durch den Wechsel ins Virtuelle die Städte mit anderen Augen?

Hm. Nein. Durch meine Kontakte mit Tourguides im In- und Ausland hat sich gezeigt: Wir sitzen alle im gleichen Boot. Alle kämpfen mit ähnlichen Problemen. Das hat mir sogar noch mehr Lust gemacht, die Leute vor Ort zu treffen und kennen zu lernen. Das fehlt uns derzeit am meisten.

Stadtführungen leben stark vom persönlichen Austausch. Findet der auch virtuell statt?

Dass man per Knopfdruck direkt mit dem Tourguide in Kontakt treten kann, haben wir angedacht. Wir haben aber vorerst davon abgesehen, weil wir erst mal herausfinden wollen, was für die Leute überhaupt von Interesse ist. Daher gelangt das Online-Kontaktformular momentan zunächst zu uns.

Filme von Tourismus-Angeboten gibt es online schon lange. Wie erklären Sie sich, dass Ihr Angebot trotzdem gefragt ist?

Unsere Filme sind nicht als Werbung aufgezogen. Es geht wirklich um eine Stadtführung, wie man sie vor Ort erlebt, natürlich zusammengefasst. Und: Die Informationen, die wir abgeben, müssen stimmen. Ich glaube, in dieser Kombination findet man das selten. Wir sind auch offen für weitere Entwicklungen. Vielleicht gibt es in Zukunft Stadtführungen mit Virtual-Reality-Brillen. Mal sehen, was die Zukunft bringt.