Startseite
Region (LiZ)
Zürich
Ex-Skyguide-Chef Daniel Weder blickt auf schwierige Momente zurück und erklärt, wie der Flughafen Zürich funktionieren müsste. Ein Gespräch über Fehler, Drohnen, Südstarts und die Zukunft der Flugsicherung.
Daniel Weder: Ja, das bin ich. Diese Verantwortung habe ich die ganzen zehn Jahre gespürt. Am Schluss – man wird älter – wurde es schwieriger, sich zu erholen.
Nur wenn der Fehler nicht mutwillig oder grobfahrlässig passiert. Das ist ganz wichtig. Wir sind darauf angewiesen, dass Fehler gemeldet werden, damit wir daraus lernen können. Das ist im heutigen gesellschaftlichen Umfeld, das möglichst schnell einen Schuldigen sucht, eine schwierige Aufgabe geworden.
Daniel Weder, 60, ist seit über 30 Jahren in der Luftfahrt tätig. Nach Führungsfunktionen bei der Swissair war er massgeblich am Aufbau der Swiss beteiligt. Von 2007 und bis zu seiner Frühpensionierung Ende Juni 2017 führte er als CEO die Flugsicherung Skyguide. In dieser Funktion war er auch Vorsitzender des Strategiegremiums der Flugsicherungen im gemeinsamen Luftraumblock Zentraleuropa (Fabec). Seit 1. Juli ist er Mitglied des Performance Review Body, das die Europäische Kommission in der Regulation der europäischen Flugsicherungen berät. Weder ist verheiratet und wohnt in Birchwil. (hz)
Moment. Es betrifft zwar einen Lotsen, aber zwei ganz unterschiedliche Ereignisse, und die Anklage bezieht sich nur auf einen Vorfall. Was mich ärgert, ist, dass das Verfahren nun schon sechs Jahre dauert. Das belastet die ganze Firma und schadet unserer Fehlerkultur.
Indem auch ich Fehler zugebe.
Ich würde noch mehr den Kontakt mit den Mitarbeitenden suchen und diesen stärker die Priorität geben. Das habe ich anfangs gut gemacht, mit der Zeit ist das aber zu kurz gekommen aufgrund der vielen Themen, die ich zu bewältigen hatte.
Als ich vor drei, vier Jahren Leute entlassen musste. Aus strukturellen Gründen blieb mir jedoch keine andere Wahl.
In anderen Flugsicherungen in Europa wäre der Konflikt in dieser Situation längst eskaliert und würde mittels Massnahmen – bis hin zum Streik – öffentlich ausgetragen. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt, dass das Klima grundsätzlich gut ist.
Eine schwierige Frage, denn der GAV schützt ja vom Zweck her die Angestellten. Die Lotsen sitzen an Schalthebeln von wichtigen Infrastrukturen. Im Prinzip könnten sie die Flughäfen Zürich und Genf lahmlegen. Das muss man bedenken, ohne sich in den Verhandlungen unterwürfig zu verhalten.
Die Flugsicherungen sind alle in sich geschlossen. Ich predige seit langem dafür, die Systeme zu vernetzen – nicht wegen allfälliger Streiks, sondern wegen der Redundanz ganz allgemein. Mein neues Mandat im Performance Review Body der Europäischen Kommission besteht unter anderem darin, den zersplitterten europäischen Luftraum zu vernetzen. Skyguide geht in diesem Bereich voran. In drei, vier Jahren wird man Zürich von Genf aus steuern können und umgekehrt.
Das wird nicht passieren, weil die Staaten die Kontrolle über ihre Flugsicherung behalten wollen. Zudem bin ich überzeugt, dass jene Firmen die Jobs bekommen werden, die gut arbeiten, und da gehört Skyguide dazu.
Ich bin überzeugt, dass in 10 oder 20 Jahren die Befehle direkt an die Flugzeuge übermittelt und dort automatisch erfasst werden. Aber es wird immer den Menschen geben, der bei Problemen eingreifen muss.
Über Zürich kreuzen sich die grossen europäischen Ströme. Und Kreuzungen sind immer heikel. Zudem haben wir hier auf engem Luftraum starken Verkehr mit vielen verschiedenen Nutzern aus Linien-, Privat- und Militärfliegerei. Nicht zu vergessen die Rega – und die Drohnen.
Beides trifft zu. Unsere Leute sind sehr motiviert und wachsen mit den Aufgaben. Sie haben einen Berufsstolz. Doch es darf nicht dazu kommen, dass sie ans Limit gehen müssen. Bevor das geschieht, muss ich mich hinstellen und sie verteidigen.
Ganz einfach, die Flugzeuge fliegen draussen und das Wetter spielt eine wichtige Rolle – vor allem der Wind. Mit anderen Worten: Der Flughafen müsste nach aviatischen Kriterien betrieben werden.
Er ist so ausgerichtet, dass von Norden her gelandet und Richtung Süden gestartet wird – am besten geradeaus und den ganzen Tag, damit es keine Kreuzungen gibt und An- und Abflüge entflochten werden.
So ist es, der Flughafen wird politisch betrieben. Am Morgen fliegt man von Süden her an, tagsüber von Norden und am Abend von Osten. Wir wechseln mindestens dreimal am Tag das An- und Abflugverfahren.
Ja, manchmal schon, aber wir sind die Fachleute und keine Politiker. Ich achte die Arbeit der Politiker genauso wie die Anliegen der Bevölkerung. Über meine ganze Zeit gesehen finde ich, dass die verschiedenen Parteien – Politiker, Flughafen, Airlines, Luftwaffe, Verbände sowie Geschäfts- und Hobbyfliegerei – heute viel reifer miteinander umgehen.
Gerade im Süden ärgert man sich aber massiv über die Pläne eines Südstarts geradeaus.
Das ist teilweise verständlich. Man hätte die Planung schon vor langer Zeit auf dieses An- und Abflugregime mit Landungen von Norden und Starts Richtung Süden ausrichten müssen. Stattdessen hat man Bewohner und Zuzüger im Süden auf einmal vor neue Tatsachen gestellt – dies aufgrund der gescheiterten Verhandlungen mit Deutschland. Diese mangelnden, langfristigen Planungsvorgaben waren ein grosser Fehler. Und daraus sollten wir heute lernen.
Aus meiner Sicht müsste man den Südstart geradeaus in den Spitzenzeiten mit der Bevölkerung vorbereiten und sukzessive über die nächsten 10, 20 Jahre einführen. Ausser bei Bise, da brauchen wir ihn schon morgen. Bei Bise bringt der Südstart geradeaus eine höhere Sicherheitsmarge, weil das System stabiler ist. Es entstehen auch weniger Verspätungen und es muss somit nicht bis in die Nacht hinein geflogen werden. Ruhe am Abend und am Morgen ist aus meiner Sicht wichtiger als tagsüber, wenn es ohnehin etliche Lärmquellen gibt.
Die Airlines stehen unter massivem Druck. Sie müssen die verfügbaren Slots nutzen. Aber ich gebe zu, wir hätten in den Spitzen lieber etwas weniger Bewegungen.
Wir tun gut daran, den Airlines Verbindungen von und nach Zürich zu ermöglichen – dies ist notabene auch unser Auftrag. Wenn die Fluggesellschaften plötzlich Zürich umgehen, wäre das volkswirtschaftlich ganz schlecht für die Schweiz.
Drohnen sind die Zukunft. Nur herrscht heute etwas Wildwuchs. Das muss man regulieren. Indem man die Drohnen registriert und Verbindungen aufbaut, um mit den Geräten zu kommunizieren. Wir arbeiten an einem Projekt mit, das überprüft, wie sich die Mobilfunkanlagen dafür nutzen liessen. Zudem muss geregelt werden, in welchen Lufträumen sich Drohnen aufhalten dürfen.
Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich diesen Job zehn Jahre machen werde, nicht länger. Das ist in dieser Art von Managerjob das obere Limit. Ob man will oder nicht, man beginnt auszubrennen, kommt nicht mehr aus dem roten Bereich heraus.
Ich schaue, dass ich neben meiner neuen Tätigkeit in Brüssel mit meiner Frau viel Zeit auf einem Bauernhof im Schlossgut Teufen verbringen kann. Dort gehe ich seit vielen Jahren hin und kümmere mich um mein Maultier Lina. Dann bin ich in einer anderen Welt, keine hochtechnologische, teils auch mit Knatsch behaftete. Auf dem Hof bin ich geerdet. Ich freue mich darauf, mehr Zeit dafür zu haben. Das Leben bietet noch so viel Schönes.