Zürich
Der «Ausweis für alle» soll jedem Zürcher Zugang zum Recht ermöglichen – auch den Sans-Papiers

Zürcher Linke fordern einen «Ausweis für alle». Neben der Politik wird auch der Verein Zürich City Card aktiv und lanciert eine Unterschriftensammlung.

Lina Giusto
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Die Identitätskarte für die Zürcher Stadtbevölkerung: So könnte eine Züri City Card aussehen.

Die Identitätskarte für die Zürcher Stadtbevölkerung: So könnte eine Züri City Card aussehen.

Fotomontage: Tresdelinquentes

Die Züri City Card soll ein Ausweis für alle sein. Mit der städtischen Identitätskarte erhalten alle Bewohner von Zürich – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus – damit Zugang zu medizinischer Versorgung sowie dem sozialen wie auch kulturellen Leben in der Stadt. So lautet die Idee der Fraktionen SP, AL und Grüne, die vergangene Woche im Zürcher Gemeinderat eine entsprechende Motion eingereicht haben.

Gleichzeitig hat der Verein Züri City Card eine Petition auf dem weltweiten Kampagnen-Netzwerk «Avazz – Die Welt in Aktion» lanciert, die innerhalb einer Woche über 1200 Unterstützer fand. Im Vorstand des Vereins sitzen die beiden Stadtparlamentarier Ezgi Akyol (AL) und Marco Geissbühler (SP). Neben Politikern finden sich auch Vertreter der Sans-Papiers Anlaufstelle Zürich SPAZ, der Autonomen Schule und der Freiplatzaktion Zürich im Vorstand des 2015 gegründeten Vereins. Er arbeitet zudem nicht nur mit politischen und sozialen Gruppierungen aus Zürich, sondern auch mit solchen anderer Städte im In- und Ausland zusammen.

New York als Vorbild

Als Vorbild für die Zürcher ID dient die amerikanische Metropole New York. Dort wurde 2015 die ID NYC eingeführt. Diesen Ausweis können alle Personen ab 14 Jahren beantragen, die ihren Wohnsitz in der Stadt nachweisen können. Die New Yorker Verwaltung will mit dem Stadtausweis den Kontakt zwischen den Behörden und der Bevölkerung vereinfachen. So akzeptiert die Polizei wie die Verwaltung den Ausweis, ohne nach dem Aufenthaltsstatus der Person zu fragen. Zudem profitieren Besitzer des Ausweises von Vergünstigungen und von kulturellen Angeboten.

«Wir fordern keine Regulierung von papierlosen Menschen. Die Züri City Card ermöglicht nur einen pragmatischen Umgang mit Sans-Papiers.» Ezgi Akyol, Gemeinderätin

«Wir fordern keine Regulierung von papierlosen Menschen. Die Züri City Card ermöglicht nur einen pragmatischen Umgang mit Sans-Papiers.» Ezgi Akyol, Gemeinderätin

Limmattaler Zeitung

Mit dem Vorstoss im Zürcher Stadtparlament wollen die Politiker neues Bewusstsein schaffen: «Alle, die hier wohnen, sind ein Teil der Gesellschaft», sagt Akyol. Der Stadtrat rechnet mit rund 14'000 Sans-Papiers in Zürich. Das sind Menschen, die ohne geregelten Aufenthaltsstatus mehr als einen Monat hier leben und sich für nicht absehbare Zeit in der Schweiz aufhalten. Über 40 Prozent der in der Schweiz wohnhaften Sans-Papiers kommen aus Zentral- und Südamerika. Rund ein Viertel sind Europäerinnen und Europäer aus Nicht-EU-Ländern, der Rest stammt aus Afrika und Asien. Diese Schätzungen stammen aus der im April 2016 publizierten Studie «Sans-Papiers in der Schweiz», die das Staatssekretariat für Migration in Auftrag gab.

Auf die Studie nimmt auch der Zürcher Stadtrat 2016 in seiner Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Gemeinderäte Jonas Steiner (SP) und Cordula Bieri (Grüne) Bezug. Die Anfrage bezog sich auf die Lebenssituation der Sans-Papiers in Zürich und wie diese allenfalls verbessert werden könnte. In der Antwort des Stadtrates wird ersichtlich, dass auch dieser Handlungsbedarf bei papierlosen Menschen sieht: «Sans-Papiers verzichten etwa aus Furcht vor aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen auf Anzeigen, wenn sie Opfer von Übergriffen oder gar Verbrechen werden. Auch bei arbeitsrechtlichen Konflikten vermeiden sie in den meisten Fällen, ihre Rechte gegenüber Arbeitgebern einzufordern. Es geht hierbei um «das Recht auf Rechte» – Rechte, die erst durch einen Behördenkontakt tatsächlich wahrgenommen werden können», schrieb der Stadtrat in seiner Antwort dazu. Er verweist in seiner Antwort auf die internationalen Konventionen wie auch die in der Schweizer Bundesverfassung verankerten Menschen- und Grundrechte. Dies gelten für alle Menschen, die sich in der Schweiz aufhalten, auch wenn sie über keinen legalen Aufenthaltsstatus verfügen. Dazu, dass sich beim Sans-Papiers-Thema alle staatlichen Ebenen schwertun würden, schrieb der Stadtrat: «Im Gegensatz zum Bund können die grossen Städte ihre Augen vor dieser Realität nicht verschliessen.»

Der Verein Züri City Card nimmt sich diesem Thema an: «Wir fordern keine Regulierung von papierlosen Menschen. Die Züri City Card ermöglicht nur einen pragmatischen Umgang mit Sans-Papiers», so Akyol. Personen, die eine städtische ID beziehen wollen, müssten ihren Zürcher Wohnsitz, wie auch sich selber ausweisen können. Neben New York und San Francisco kann sich der Zürcher Verein zudem Gruppen in Basel, Genf, Neuenburg und Bern zum Vorbild nehmen, die eine ähnliche Lösung anstreben.