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Denkmalpfleger Beat Eberschweiler kämpft gegen die Mär an, es liesse sich nichts mehr bauen, wenn die Denkmalpflege auf den Plan tritt. Im Interview erklärt er zudem, wieso er es gut fände, wenn der Kanton künftig wieder für die kommunalen Schutzobjekte zuständig wäre.
Beat Eberschweiler: Momentan stecken wir mitten in der Vorbereitung. Die Festlaune kommt, wenn die Leute zu den Anlässen strömen.
Wir wollen den Menschen die Arbeitsweise der Denkmalpflege vermitteln. Bei jedem Umbau eines Schutzobjektes suchen wir zusammen mit dem Bauherren nach einer gemeinsamen Lösung. Die Liegenschaft soll ja unbedingt weiter genutzt werden und sich nicht in ein Museum verwandeln.
Beat Eberschweiler übt die Funktion des kantonalen Denkmalpflegers und in Personalunion jene des Kantonsarchäologen seit 2006 aus. Der 55-Jährige ist promovierter Archäologe. Er war 20 Jahre als Unterwasserarchäologe tätig und leitete diese Abteilung während fünf Jahren. Eberschweiler ist Vater von zwei erwachsenen Kindern und lebt in der Gemeinde Maur. (pag)
(lacht) Es wird vermutlich nicht einfacher, wenn wir involviert sind. Meist aber ist vieles möglich. Unter Umständen nicht genau das, was sich der Bauherr vorgestellt hat. Wir sagen aber kaum kategorisch Nein, ohne eine Alternative anzubieten. Da müsste jemand schon eine abstruse Idee haben; ein mehrgeschossiges Einkaufszentrum im Grossmünster etwa.
Das ist eine spannende Frage. Sie stellt sich in Deutschland, England und Holland schon lange und kommt nun auch langsam im Kanton Zürich an. Es ist aber weniger eine denkmalpflegerische als eine gesellschaftliche Frage. Was soll in unseren Kirchen stattfinden? In diesen Ländern gibt es bereits Kirchenschiffe, in die Wohnungen, Werbebüros, Autogaragen oder gar Kletterhallen eingebaut wurden.
Ich behaupte, es ist ein Nullsummenspiel. Mehrkosten stehen dank unserem Know-how auch Einsparungen gegenüber. Anders als die Ausgaben sind diese in der Bauabrechnung allerdings nie aufgeführt.
Sparen kann, wer Materialien, die in gutem Zustand sind, nicht leichtfertig ersetzt. Das gilt zum Beispiel für Fenster und Wandoberflächen. Und es geht bis zu grossen Einsparungen, wenn der Lift anderswo sorgfältiger eingebaut werden kann als ursprünglich geplant.
Vom grossen Know-how unserer Bauberaterinnen und Bauberater. Sie haben schon Hunderte von Objekten gesehen und begleitet. Der Bauherr dagegen kennt oft nur sein eigenes Haus. Zudem kennen wir Fachleute beinahe jedes Problem auf dem Bau.
Stolz ist das falsche Wort. Wir haben ja bloss unseren Job gemacht (lacht).
Im Vordergrund stehen die Eigentümer. Sie sind die besten Denkmalpfleger. Einige Projekte sind sehr gelungen: Die Villa Patumbah in Zürich gehört dazu, der Wellenberg in Hombrechtikon, das Lux Guyer-Haus an der Oberen Schiedhalde in Küsnacht, der Gasthof Hirschen in Oberstammheim, die Lokremise in Uster oder die Bahnhofshalle am neuen Standort in Bauma. Pro Jahr sind es Dutzende von Geschäften, wo alle Freude am Endresultat haben.
Am 9. und 10. September finden die Europäischen Tage des Denkmals statt. Im Kanton Zürich werden diese Tage mit einem umfangreichen Programm begangen. Nähere Informationen unter: www.hereinspaziert.ch
Im Limmattal beteiligt sich etwa das Kloster Fahr mit Führungen am Samstag zum Thema «Die Macht der Herren im Frauenkloster».
Das hat seine zwei Seiten. Als privatrechtlicher Verein hat der Heimatschutz einen anderen Spielraum und eine andere Rolle als die Denkmalpflege. Mir ist es absolut wichtig, dass wir für die Bauherren ein verlässlicher Partner sind. Schwierig wird es mit dem Heimatschutz, wenn er sich spät in Geschäfte einmischt, die längst laufen. Und dann beziehen wir die Prügel, weil die meisten Leute nicht zwischen Denkmalpflege und Heimatschutz unterscheiden können.
Früher hatte ich phasenweise den Eindruck. Das scheint sich aber geändert zu haben. Kann der Zürcher Heimatschutz Rekurse nicht klar begründen, verliert er häufiger. Das schadet letztlich dem Verbandsbeschwerderecht.
Es wurde ein Zeichen gesetzt. Man darf wichtige Objekte nicht einfach zerfallen lassen. Die Gemeinde hat jahrelang zugeschaut, wie die Liegenschaft zerfiel und der Besitzer hat sich nicht dafür interessiert. Die Fröschegrueb ist abgerissen. Was einmal abgerissen ist, ist weg. Ob es ein juristisch weiser Entscheid ist, eine Rekonstruktion des Originalzustandes zu verlangen, kann man so oder so sehen. Müssen wir die neue Liegenschaft dann ins überkommunale Inventar aufnehmen, weil ihre Geschichte derart einzigartig ist? Dann hätten wir einen Fake als überkommunales Schutzobjekt.
Teilweise ist das definitiv so. Seit der kantonalen Sparübung 2004 lässt man die Gemeinden alleine. Nur sie sind zuständig für die kommunalen Objekte. Gewisse Gemeinden haben professionelle Natur- und Heimatschutzkommissionen ins Leben gerufen. Andere beauftragen Architekten mit Schutzabklärungen.
Hauptaufgabe der kantonalen Denkmalpflege ist es, sich um gut 4000 Bauten zu kümmern, die im überkommunalen Inventar der Denkmalschutzobjekte aufgenommen sind. Das entspricht etwa 1,3 Prozent sämtlicher Gebäude im Kanton Zürich. Im Inventar sind jene Bauten aufgelistet, die beispielsweise aufgrund ihrer geschichtlichen oder baukünstlerischen Bedeutung wichtige Zeugen vergangener Epochen sind. Diese Gebäude prägen die Identität eines Ortes oder einer Region und sollen daher besonders gepflegt werden.
Ist eine Baute im Inventar verzeichnet, heisst das, dass eine qualifizierte Schutzvermutung besteht. Die Denkmalpflege kümmert sich darum, geschützt ist das Gebäude damit aber noch nicht. Tatsächlich unter kantonalen Schutz gestellt sind aktuell bloss 0,4 Prozent aller Gebäude im Kanton. Den Entscheid über eine Unterschutzstellung oder die Entlassung aus dem Inventar trifft die Baudirektion. Aktuell überarbeitet die kantonale Denkmalpflege das überkommunale Inventar und nimmt Gebäude aus der Nachkriegszeit bis etwa 1980 auf. (pag)
Etwa ein Drittel der Gemeinden verfügt noch immer über kein oder ein unbrauchbares Inventar. Das kann ein handbeschriebener Zettel in der Schublade des Bausekretärs sein. Und es gibt sogar einen Gemeinderatsbeschluss, der festhält: «Wir haben keine Schutzobjekte.»
Ganz im Gegenteil. Ohne Inventar gibt es keine Rechtssicherheit für die Eigentümer. Ein betroffener Nachbar oder der Heimatschutz kann trotzdem kommen und den Finger draufhalten, wenn ein schützenswertes Objekt saniert werden soll.
Aus meiner Sicht wäre es absolut zweckmässig, wenn kantonsweit alle Denkmalpflegeobjekte einheitlich begleitet werden könnten. Momentan geht jede Gemeinde anders damit um. Die einen entlassen laufend schützenswerte Objekte aus ihren Inventaren und verkommen so zu historischen Wüsten, zu austauschbaren Ansiedlungen mit 0815-Architektur. Andere reissen sich ein Bein aus, um dies zu verhindern. Diese Unterschiede sieht man.
Das Hochschulquartier wird sehr viele kantonale Stellen für längere Zeit beschäftigen. Was die unbestritten schützenswerten Liegenschaften angeht: Am Ende hat die Politik eine Interessenabwägung vorzunehmen, basierend auf sämtlichen Fakten. Die Denkmalpflege wird sich als kantonale Verwaltungseinheit danach richten.
Die hohe und weiter zunehmende Bauintensität. Besonders arbeitsintensiv ist das für die Denkmalpflege, weil diese Bautätigkeit nicht auf der grünen Wiese stattfinden wird, sondern in bebautem Gebiet – Stichwort Verdichtung: zusätzliche Bauten in Park- und Gartenanlagen, Umnutzung von Kalträumen in Dächern und Nebengebäuden.
Die Qualität und Vielfalt der Zürcher Baukultur hört nicht 1920 auf. Teilweise tun sich die Leute damit allerdings schwer. Es müssen immer repräsentative, herausragende Beispiele aus allen Zeiten vertreten sein. Der Begriff «schön» erscheint bezeichnenderweise in diesem Zusammenhang nirgends im Planungs- und Baugesetz. Wir nehmen sicher nicht jeden postmodernen grauenhaften Klotz ins Inventar auf. Wir dürfen aber nicht einfach bloss das erfassen, was gerade opportun ist oder wir schön finden.
Ja. Das ist so, quasi ein Teil des Spiels, und es ist somit Teil meiner Anstellungsbedingungen. Ich muss diesen Balanceakt hinkriegen. Wer das nicht akzeptiert und nicht gerne heftig diskutiert, ist am falschen Platz.
Uneingeschränkt. Es ist viel zu wichtig, als dass ich den Kopf in den Sand stecken würde. Der Mensch kann selber gestalten, wo und wie er wohnt und lebt. Doch manchmal erschreckt mich die mangelnde Sorgfalt. Dann muss man hinstehen und sagen: «So nicht!» Wir reden zwar alle von unserer Agglowüste, geht es aber konkret darum, ein paar charakteristische Häuser sorgfältig zu behandeln, wird sofort geschrien: «Eingriff ins Eigentum!» Auf Wertvolles hinweisen, mitreden, mithelfen, ermöglichen – nicht bloss dreinschwatzen: Dieses Credo gilt unverändert. Dafür exponieren wir uns gerne.