Zürich
Bundesrichter besichtigen das Zürcher «Nagelhaus»

Wie ein Zwerg, umzingelt von Riesen, wirkt das alte Haus an der Turbinenstrasse 12/14 in Zürich. Als es 1893 gebaut wurde, muss es grösser ausgesehen haben, weil rundum grüne Wiese war. Jetzt steht es verloren im Schatten moderner Hochhäuser.

Thomas Schraner
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Das «Nagelhaus» in Zürich-West ist mittlerweile zum Fall für das Bundesgericht geworden.

Das «Nagelhaus» in Zürich-West ist mittlerweile zum Fall für das Bundesgericht geworden.

Keystone

Seit acht Jahren kämpft der 76-jährige Willi Horber dafür, dass dieses Haus stehen bleiben darf. Es trägt den Spitznamen «Nagelhaus», der an ein chinesisches Pendant erinnert, das ebenfalls dem Abbruch trotzte.

Der Kanton will das Haus abreissen, weil es einer Zufahrtsstrasse im Wege steht. Im Enteignungsverfahren gegen den Kanton haben Horber, der schon 40 Jahre dort wohnt, und seine Nachbarin einen bemerkenswerten Sieg errungen: Das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen hat vor einem Jahr Horber und seiner Mitstreiterin recht gegeben. Das Haus sei wichtiger als die Strasse und die für das Areal erarbeiteten Sonderbauvorschriften. Der Kanton akzeptierte das Verdikt nicht und zog den Fall vor das Bundesgericht.

Verkehrsfrage im Fokus

Gestern haben die Parteien Post aus Lausanne erhalten. Das Bundesgericht kündigt einen Augenschein vor Ort an, wie Anselm Schwyn, Medienbeauftragter des Amts für Verkehr, auf Anfrage sagte. Der Augenschein finde in den nächsten Wochen statt, den genauen Termin wollen weder er noch das Bundesgericht nennen. Die Bundesrichter haben laut Schwyn die Absicht, sich primär ein Bild über die Verkehrssituation zu machen.

Als Ersatz für die vom Kanton geplante Strasse mitten durchs Haus hatte Horber eine andere Verkehrsführung vorgeschlagen: ums Haus herum. Diese Variante schien den Bundesverwaltungsrichtern akzeptabel. Der Kanton stellt sich auf den Standpunkt, sowohl Horbers Variante als auch die heutige provisorische Führung der Turbinenstrasse seien ungeeignet. Die scharfe S-Kurve des Provisoriums behindere den Verkehrsfluss, und Horbers Version komme dem Nachbargebäude zu nahe. «Wir wollen vom Bundesgericht geklärt haben, ob das Haus wirklich wichtiger ist als die Sonderbauvorschriften», erklärt Schwyn die Haltung des Kantons. Das Haus sei ja nicht denkmalgeschützt.

Kein Grund, auszuziehen

«Ich will hier wohnen bleiben», begründet Horber seinen Widerstand. Er ist Mieter, handelt aber im Einklang mit dem Hausbesitzer, der aus Altersgründen etwas kürzertritt. Der Hausherr biete geräumige und günstige Wohnungen an. Es gebe keinen Grund, auszuziehen, sagt Horber. Es wäre ohnehin schwierig für ihn, eine andere bezahlbare Wohnung zu finden.