Sterbehilfe
Bezirksgericht Zürich: Dignitas-Gründer wegen Flyer-Aktion angeklagt

Dignitas-Gründer Ludwig A. Minelli muss sich Ende Januar wegen einer Flyer-Aktion vor Gericht verantworten. Er soll die heutige Zürcher Regierungsrätin Silvia Steiner (CVP) verleumdet haben. Minelli selber bestreitet, den Text geschrieben zu haben.

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Dignitas-Gründer Ludwig A. Minelli weist die Vorwürfe zurück. (Archiv)

Dignitas-Gründer Ludwig A. Minelli weist die Vorwürfe zurück. (Archiv)

Keystone

"Diese Frau möchte Ihnen die Mündigkeit absprechen", hiess es auf dem Flyer, der im März 2015 in fast 750'000 Zürcher Briefkästen landete. Darauf abgebildet war Regierungsratskandidatin Silvia Steiner (CVP), damals noch Kantonsrätin und Staatsanwältin.

Auf dem vierseitigen Flugblatt wurde Steiner auf persönlicher und politischer Ebene scharf angegriffen, so schrieb der Verfasser etwa, Steiner sei bei der Zürcher Stadtpolizei "rausgeworfen" worden. Ihre Biografie sei getrübt, sie habe schon mehrere Chefposten verloren.

Kritisiert wurde auch ihre Einstellung zur Sterbehilfe. Die CVP-Politikerin wurde als "Gefahr für die Demokratie und die Selbstbestimmung am Lebensende" bezeichnet.

Anonymer Absender

Als Absender war ein "überparteiliches Komitee Selbstbestimmung am Lebensende" angegeben. Mit Namen hinstehen wollte niemand. Steiner reichte Anzeige gegen Unbekannt ein, worauf die Kantonspolizei den Inhaber des auf dem Flyer aufgedruckten Postfachs ermittelte.

Wie aus der Anklageschrift hervorgeht, die der Nachrichtenagentur sda vorliegt, stellte sich der Inhaber des Postfachs als Mitstreiter von Minelli heraus. Die Zustellfirma, welche die Flyer verteilte, bestätigte dem Dignitas-Gründer zudem persönlich den Auftrag.

Beide wollten jedoch nicht als Urheber des Textes zur Verantwortung gezogen werden. Minellis Mitstreiter zog gar bis vor Bundesgericht, weil die Behörden "ohne einen Anfangsverdacht" ein Verfahren eingeleitet hätten. Das Bundesgericht liess ihn jedoch abblitzen.

Einen "Anfangsverdacht" gab es jedoch durchaus: Minelli geriet in den Fokus, weil ganze Textpassagen verdächtige Ähnlichkeit mit bereits erschienen Texten von ihm aufwiesen. Kurze Zeit später erschien zudem ein Inserat in der "NZZ", in dem der Dignitas-Chef schwere Vorwürfe gegen Steiner erhob.

Staatsanwalt fordert Geldstrafe

Der 85-Jährige muss sich deshalb am 31. Januar vor dem Zürcher Bezirksgericht für den Text verantworten. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Verurteilung wegen Verleumdung und übler Nachrede. Minellli sei mit einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 260 Franken zu bestrafen.

Diese sei jedoch bedingt zu verhängen, bei einer Probezeit von zwei Jahren. In jedem Fall bezahlen soll Minelli jedoch eine Busse von 9800 Franken, die der Staatsanwalt ebenfalls fordert. Der damaligen Regierungsratskandidatin Steiner schadete das diffamierende Flugblatt übrigens nicht: Sie wurde trotzdem gewählt.

Wie viel darf Sterbehilfe kosten?

Der Prozess in Zürich ist nicht der einzige, der Minelli vor sich hat. Auch in Uster muss er vor Gericht erscheinen. Dort wird er wegen seiner eigentlichen Tätigkeit angeklagt: der Beihilfe zum Selbstmord. Das Gericht muss dabei vor allem die Frage klären, ob Minelli damit nicht zu viel verdient.

In der Schweiz ist Sterbebegleitung nur dann erlaubt, wenn sich der Anbieter nicht bereichert. Angeklagt ist Minelli konkret wegen drei Fällen aus den Jahren 2003 und 2010, bei denen Sterbewillige aus Deutschland für insgesamt mehrere zehntausend Franken in den Tod begleitet wurden.

Dignitas bezeichnete die Vorwürfe als "haltlos und nicht nachvollziehbar". Wann der Prozess in Uster stattfindet, ist noch nicht bekannt.